lustigen, vielleicht gar der Meßfremden, wünschenswert!) macht, sondern nur so groß, daß die darstellende Kunst darin unter den günstigsten Ver¬ hältnissen ihre schönen Wirkungen auszuüben vermag. Das aber ist ein verhängnißvoller Unterschied. Denn die Forderungen, welche die Kunst selbst an die Größe der Bühne und des Zuschauerraumes stellt, find unabweisbar und höchst gebieterisch, die Kunst verträgt nicht, daß der ihr geweihte Raum mehr oder weniger einschließt als ein gewisses Maximum und Minimum, und sie rächt sich überall, wo dies doch geschieht, indem sie selbst aus dem unpassenden Raume weicht. Daß man in Deutschland und anderswo dies vergaß, das zumeist hat unsere darstellende Kunst verdorben, nicht eine Ta- lentlosigkeit der Schauspieler und Dichter, nicht eine Verwilderung des Pu- blicums, selbst nicht die schlechte Spekulation ungeschickter Pächter. Es ist für Leipzig trotz dem neuen Bau noch nicht zu spät, dies Raumbedürfniß näher ins Auge zu fassen.
Die deutschen Stadttheater haben die Aufgabe, zugleich der großen Oper, der Spieloper, dem Ballet, dem reeitirenden Schauspiele und der De- eorationsposse zu dienen. Die Raumbedürfnisse dieser eng verbundenen Mu¬ sen sind allerdings nicht dieselben. Aber das Schauspiel hat doch das beste Recht, die Größe des Raumes zu bestimmen. Zunächst fordert es bei nor¬ malen Verhältnissen nur etwa ein Drittel der Jahreseinnahme für sich, es bringt aber mehr als ein Drittel, fast die Hälfte ein, es ist also unentbehr¬ lich, um die Oper und das Ballet zu erhalten. Oper und Ballettanz ohne Schauspiel können deshalb durch die Tageseinnahmen nirgend allein bestehen, das Schauspiel vermag aber sehr wohl ohne Oper zu gedeihen. Außerdem gilt die Muse der Schauspielkunst nicht sür die vornehmste unter ihren Schwe¬ stern, sie ist aber diejenige, welche den idealen Inhalt und den Segen schöner Kunst am reichlichsten und vollständigsten den Seelen der Hörer spendet, und deshalb ist sie doch die maßgebende Gebieterin der Bühne.
Jedermann weiß, daß den Symphonieeoncerten die Größe des Saales sür die Klangwirkung von entscheidender Wichtigkeit ist und die Leipziger würdigen sehr wohl die Vorzüge ihres Gewandhauses. Die gebotene Größe des guten Concertsaales aber ist bekanntlich die, wo der Ton des Fortepia¬ nos noch voll und kräftig in das Ohr dringt, wo alle Nuancen der Ton¬ stärke, jedes Tempo, die feinste Ausarbeitung des Zusammensptels noch an jeder Stelle des Raumes deutlich und wirkungsvoll wird.
Mit Recht mißt man der Oper weit größere Räume zu. Bei ihr gibt das Orchester nur einen Theil der Wirkungen, und zwar vorzugsweise die Unterlagen für Chöre und Soli. Die Chöre aber kann man bis zur gro߬ artigsten Massenwirkung verstärken, und doch ist eine geheimnißvolle Beob¬ achtung, daß eine starke, gut geschulte und schön klingende Solostimme durch
lustigen, vielleicht gar der Meßfremden, wünschenswert!) macht, sondern nur so groß, daß die darstellende Kunst darin unter den günstigsten Ver¬ hältnissen ihre schönen Wirkungen auszuüben vermag. Das aber ist ein verhängnißvoller Unterschied. Denn die Forderungen, welche die Kunst selbst an die Größe der Bühne und des Zuschauerraumes stellt, find unabweisbar und höchst gebieterisch, die Kunst verträgt nicht, daß der ihr geweihte Raum mehr oder weniger einschließt als ein gewisses Maximum und Minimum, und sie rächt sich überall, wo dies doch geschieht, indem sie selbst aus dem unpassenden Raume weicht. Daß man in Deutschland und anderswo dies vergaß, das zumeist hat unsere darstellende Kunst verdorben, nicht eine Ta- lentlosigkeit der Schauspieler und Dichter, nicht eine Verwilderung des Pu- blicums, selbst nicht die schlechte Spekulation ungeschickter Pächter. Es ist für Leipzig trotz dem neuen Bau noch nicht zu spät, dies Raumbedürfniß näher ins Auge zu fassen.
Die deutschen Stadttheater haben die Aufgabe, zugleich der großen Oper, der Spieloper, dem Ballet, dem reeitirenden Schauspiele und der De- eorationsposse zu dienen. Die Raumbedürfnisse dieser eng verbundenen Mu¬ sen sind allerdings nicht dieselben. Aber das Schauspiel hat doch das beste Recht, die Größe des Raumes zu bestimmen. Zunächst fordert es bei nor¬ malen Verhältnissen nur etwa ein Drittel der Jahreseinnahme für sich, es bringt aber mehr als ein Drittel, fast die Hälfte ein, es ist also unentbehr¬ lich, um die Oper und das Ballet zu erhalten. Oper und Ballettanz ohne Schauspiel können deshalb durch die Tageseinnahmen nirgend allein bestehen, das Schauspiel vermag aber sehr wohl ohne Oper zu gedeihen. Außerdem gilt die Muse der Schauspielkunst nicht sür die vornehmste unter ihren Schwe¬ stern, sie ist aber diejenige, welche den idealen Inhalt und den Segen schöner Kunst am reichlichsten und vollständigsten den Seelen der Hörer spendet, und deshalb ist sie doch die maßgebende Gebieterin der Bühne.
Jedermann weiß, daß den Symphonieeoncerten die Größe des Saales sür die Klangwirkung von entscheidender Wichtigkeit ist und die Leipziger würdigen sehr wohl die Vorzüge ihres Gewandhauses. Die gebotene Größe des guten Concertsaales aber ist bekanntlich die, wo der Ton des Fortepia¬ nos noch voll und kräftig in das Ohr dringt, wo alle Nuancen der Ton¬ stärke, jedes Tempo, die feinste Ausarbeitung des Zusammensptels noch an jeder Stelle des Raumes deutlich und wirkungsvoll wird.
Mit Recht mißt man der Oper weit größere Räume zu. Bei ihr gibt das Orchester nur einen Theil der Wirkungen, und zwar vorzugsweise die Unterlagen für Chöre und Soli. Die Chöre aber kann man bis zur gro߬ artigsten Massenwirkung verstärken, und doch ist eine geheimnißvolle Beob¬ achtung, daß eine starke, gut geschulte und schön klingende Solostimme durch
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lustigen, vielleicht gar der Meßfremden, wünschenswert!) macht, sondern nur
so groß, daß die darstellende Kunst darin unter den günstigsten Ver¬
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verhängnißvoller Unterschied. Denn die Forderungen, welche die Kunst selbst
an die Größe der Bühne und des Zuschauerraumes stellt, find unabweisbar
und höchst gebieterisch, die Kunst verträgt nicht, daß der ihr geweihte Raum
mehr oder weniger einschließt als ein gewisses Maximum und Minimum,
und sie rächt sich überall, wo dies doch geschieht, indem sie selbst aus dem
unpassenden Raume weicht. Daß man in Deutschland und anderswo dies
vergaß, das zumeist hat unsere darstellende Kunst verdorben, nicht eine Ta-
lentlosigkeit der Schauspieler und Dichter, nicht eine Verwilderung des Pu-
blicums, selbst nicht die schlechte Spekulation ungeschickter Pächter. Es ist
für Leipzig trotz dem neuen Bau noch nicht zu spät, dies Raumbedürfniß
näher ins Auge zu fassen.
Die deutschen Stadttheater haben die Aufgabe, zugleich der großen
Oper, der Spieloper, dem Ballet, dem reeitirenden Schauspiele und der De-
eorationsposse zu dienen. Die Raumbedürfnisse dieser eng verbundenen Mu¬
sen sind allerdings nicht dieselben. Aber das Schauspiel hat doch das beste
Recht, die Größe des Raumes zu bestimmen. Zunächst fordert es bei nor¬
malen Verhältnissen nur etwa ein Drittel der Jahreseinnahme für sich, es
bringt aber mehr als ein Drittel, fast die Hälfte ein, es ist also unentbehr¬
lich, um die Oper und das Ballet zu erhalten. Oper und Ballettanz ohne
Schauspiel können deshalb durch die Tageseinnahmen nirgend allein bestehen,
das Schauspiel vermag aber sehr wohl ohne Oper zu gedeihen. Außerdem
gilt die Muse der Schauspielkunst nicht sür die vornehmste unter ihren Schwe¬
stern, sie ist aber diejenige, welche den idealen Inhalt und den Segen schöner
Kunst am reichlichsten und vollständigsten den Seelen der Hörer spendet, und
deshalb ist sie doch die maßgebende Gebieterin der Bühne.
Jedermann weiß, daß den Symphonieeoncerten die Größe des Saales
sür die Klangwirkung von entscheidender Wichtigkeit ist und die Leipziger
würdigen sehr wohl die Vorzüge ihres Gewandhauses. Die gebotene Größe
des guten Concertsaales aber ist bekanntlich die, wo der Ton des Fortepia¬
nos noch voll und kräftig in das Ohr dringt, wo alle Nuancen der Ton¬
stärke, jedes Tempo, die feinste Ausarbeitung des Zusammensptels noch an
jeder Stelle des Raumes deutlich und wirkungsvoll wird.
Mit Recht mißt man der Oper weit größere Räume zu. Bei ihr gibt
das Orchester nur einen Theil der Wirkungen, und zwar vorzugsweise die
Unterlagen für Chöre und Soli. Die Chöre aber kann man bis zur gro߬
artigsten Massenwirkung verstärken, und doch ist eine geheimnißvolle Beob¬
achtung, daß eine starke, gut geschulte und schön klingende Solostimme durch
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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/416>, abgerufen am 24.01.2025.
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