Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und dabei wird noch jeder, welcher weder Katholik noch Presbyterianer ist,
als Anglikaner ausgeführt. In vielen Kirchspielen wird selbst dies Verhält¬
niß nicht erreicht und die protestantische Bevölkerung beträgt nur 3,- ja
stellenweise nur 1°/" der Gesammtzahl. Gleichwohl ist die Staatskirche die
einzige berechtigte religiöse Gemeinschaft, sie zählt 2 Erzbischöfe, 12 Bischöfe
und hat ein jährliches Einkommen von mehr als 400,000 Pfd. Sterl. Ein
derartiges Verhältniß ist ohne Beispiel in der Welt, und man hat wohl
sagen dürfen, daß jeder Panegyricus auf die Staatskirche in England, wo sie
eine Majorität hinter sich hat, zur Satire für die irische Kirche wird. Was
würde man sagen, wenn die Regierung ihr indisches Reich, dessen Bevölkerung
dem schädlichsten Aberglauben anhängt, in Kirchspiele theilen und die christliche
Religion als die allein berechtigte hinstellen wollte? Ein so abnormer Zu¬
stand ist nur aus der unglücklichen Vergangenheit Irlands zu erklären; die
Staatskirche ist eben das letzte noch gesetzlich bestehende Ueberbleibsel der Unter¬
jochung des celtisch-katholischen Volkes durch die protestantischen Angelsachsen.

Nachdem Cromwell nach Carlyle's Ausdruck wie der Hammer Thors
auf die papistischen Götzendiener Irlands niedergefallen war, wurde die Aus¬
übung der katholischen Religion verboten. Noch 1699 untersagte ein Statut
bei Strafe lebenslänglicher Gefangenschaft, Messe zu lesen oder Kinder katho¬
lisch zu unterrichten, und erst allmählich wurden diese vom Geiste der Verfolgung
diktirten Gesetze abgeschafft. 1793 den Katholiken das Wahlrecht für das da¬
mals gesondert bestehende irische Parlament gegeben, und als 1801 Pitt die
Union Großbrittanniens mit Irland durchsetzte, wollte er unter einigen Be¬
dingungen Katholiken und Dissenters auch zu Aemtern und zum Parlament des
vereinigten Königreichs zulassen. Der Plan scheiterte damals an der Bigot¬
terie des Königs, welcher erklärte, sein Krönungseid verbiete ihm, einer solchen
Maßregel zuzustimmen und erst 1828 ward durch O'Connels Agitation die
Abschaffung der Testakte durchgesetzt. Die Reformer jener Zeit wollten hier¬
bei nicht stehen bleiben. Lord Grey wünschte eine Commission, welche die
Zustände der verschiedenen religiösen Gemeinschaften untersuchen sollte, um
danach Maßregeln zu treffen, aber eine Minorität des Cabinets, namentlich
der jetzige Lord Derby, widersetzte sich Grey und brachte (1834) das liberale
Ministerium zu Fall. Lord Melbourne wiederholte 1833 den Versuch, die
religiösen Beschwerden Irlands durch die von Lord Russell eingebrachte irische
Zehntenbill zu beseitigen; er war insofern erfolgreich, als damit das Odium
der Eintreibung des verhaßten Zehnten für die Staatskirche den Geistlichen
derselben abgenommen ward, aber das Oberhaus verwarf drei Jahre nach¬
einander die sogenannte Appropriationsclausel dieser Bill, wonach bei jeder
Vacanz einer Pfründe in einem Kirchspiel, welches nicht mehr als 60 Mit¬
glieder der Staatskirche zählte, keine Wiederbesetzung stattfinden sollte. Der


und dabei wird noch jeder, welcher weder Katholik noch Presbyterianer ist,
als Anglikaner ausgeführt. In vielen Kirchspielen wird selbst dies Verhält¬
niß nicht erreicht und die protestantische Bevölkerung beträgt nur 3,- ja
stellenweise nur 1°/» der Gesammtzahl. Gleichwohl ist die Staatskirche die
einzige berechtigte religiöse Gemeinschaft, sie zählt 2 Erzbischöfe, 12 Bischöfe
und hat ein jährliches Einkommen von mehr als 400,000 Pfd. Sterl. Ein
derartiges Verhältniß ist ohne Beispiel in der Welt, und man hat wohl
sagen dürfen, daß jeder Panegyricus auf die Staatskirche in England, wo sie
eine Majorität hinter sich hat, zur Satire für die irische Kirche wird. Was
würde man sagen, wenn die Regierung ihr indisches Reich, dessen Bevölkerung
dem schädlichsten Aberglauben anhängt, in Kirchspiele theilen und die christliche
Religion als die allein berechtigte hinstellen wollte? Ein so abnormer Zu¬
stand ist nur aus der unglücklichen Vergangenheit Irlands zu erklären; die
Staatskirche ist eben das letzte noch gesetzlich bestehende Ueberbleibsel der Unter¬
jochung des celtisch-katholischen Volkes durch die protestantischen Angelsachsen.

Nachdem Cromwell nach Carlyle's Ausdruck wie der Hammer Thors
auf die papistischen Götzendiener Irlands niedergefallen war, wurde die Aus¬
übung der katholischen Religion verboten. Noch 1699 untersagte ein Statut
bei Strafe lebenslänglicher Gefangenschaft, Messe zu lesen oder Kinder katho¬
lisch zu unterrichten, und erst allmählich wurden diese vom Geiste der Verfolgung
diktirten Gesetze abgeschafft. 1793 den Katholiken das Wahlrecht für das da¬
mals gesondert bestehende irische Parlament gegeben, und als 1801 Pitt die
Union Großbrittanniens mit Irland durchsetzte, wollte er unter einigen Be¬
dingungen Katholiken und Dissenters auch zu Aemtern und zum Parlament des
vereinigten Königreichs zulassen. Der Plan scheiterte damals an der Bigot¬
terie des Königs, welcher erklärte, sein Krönungseid verbiete ihm, einer solchen
Maßregel zuzustimmen und erst 1828 ward durch O'Connels Agitation die
Abschaffung der Testakte durchgesetzt. Die Reformer jener Zeit wollten hier¬
bei nicht stehen bleiben. Lord Grey wünschte eine Commission, welche die
Zustände der verschiedenen religiösen Gemeinschaften untersuchen sollte, um
danach Maßregeln zu treffen, aber eine Minorität des Cabinets, namentlich
der jetzige Lord Derby, widersetzte sich Grey und brachte (1834) das liberale
Ministerium zu Fall. Lord Melbourne wiederholte 1833 den Versuch, die
religiösen Beschwerden Irlands durch die von Lord Russell eingebrachte irische
Zehntenbill zu beseitigen; er war insofern erfolgreich, als damit das Odium
der Eintreibung des verhaßten Zehnten für die Staatskirche den Geistlichen
derselben abgenommen ward, aber das Oberhaus verwarf drei Jahre nach¬
einander die sogenannte Appropriationsclausel dieser Bill, wonach bei jeder
Vacanz einer Pfründe in einem Kirchspiel, welches nicht mehr als 60 Mit¬
glieder der Staatskirche zählte, keine Wiederbesetzung stattfinden sollte. Der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117938"/>
          <p xml:id="ID_1286" prev="#ID_1285"> und dabei wird noch jeder, welcher weder Katholik noch Presbyterianer ist,<lb/>
als Anglikaner ausgeführt. In vielen Kirchspielen wird selbst dies Verhält¬<lb/>
niß nicht erreicht und die protestantische Bevölkerung beträgt nur 3,- ja<lb/>
stellenweise nur 1°/» der Gesammtzahl. Gleichwohl ist die Staatskirche die<lb/>
einzige berechtigte religiöse Gemeinschaft, sie zählt 2 Erzbischöfe, 12 Bischöfe<lb/>
und hat ein jährliches Einkommen von mehr als 400,000 Pfd. Sterl. Ein<lb/>
derartiges Verhältniß ist ohne Beispiel in der Welt, und man hat wohl<lb/>
sagen dürfen, daß jeder Panegyricus auf die Staatskirche in England, wo sie<lb/>
eine Majorität hinter sich hat, zur Satire für die irische Kirche wird. Was<lb/>
würde man sagen, wenn die Regierung ihr indisches Reich, dessen Bevölkerung<lb/>
dem schädlichsten Aberglauben anhängt, in Kirchspiele theilen und die christliche<lb/>
Religion als die allein berechtigte hinstellen wollte? Ein so abnormer Zu¬<lb/>
stand ist nur aus der unglücklichen Vergangenheit Irlands zu erklären; die<lb/>
Staatskirche ist eben das letzte noch gesetzlich bestehende Ueberbleibsel der Unter¬<lb/>
jochung des celtisch-katholischen Volkes durch die protestantischen Angelsachsen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1287" next="#ID_1288"> Nachdem Cromwell nach Carlyle's Ausdruck wie der Hammer Thors<lb/>
auf die papistischen Götzendiener Irlands niedergefallen war, wurde die Aus¬<lb/>
übung der katholischen Religion verboten. Noch 1699 untersagte ein Statut<lb/>
bei Strafe lebenslänglicher Gefangenschaft, Messe zu lesen oder Kinder katho¬<lb/>
lisch zu unterrichten, und erst allmählich wurden diese vom Geiste der Verfolgung<lb/>
diktirten Gesetze abgeschafft. 1793 den Katholiken das Wahlrecht für das da¬<lb/>
mals gesondert bestehende irische Parlament gegeben, und als 1801 Pitt die<lb/>
Union Großbrittanniens mit Irland durchsetzte, wollte er unter einigen Be¬<lb/>
dingungen Katholiken und Dissenters auch zu Aemtern und zum Parlament des<lb/>
vereinigten Königreichs zulassen. Der Plan scheiterte damals an der Bigot¬<lb/>
terie des Königs, welcher erklärte, sein Krönungseid verbiete ihm, einer solchen<lb/>
Maßregel zuzustimmen und erst 1828 ward durch O'Connels Agitation die<lb/>
Abschaffung der Testakte durchgesetzt. Die Reformer jener Zeit wollten hier¬<lb/>
bei nicht stehen bleiben. Lord Grey wünschte eine Commission, welche die<lb/>
Zustände der verschiedenen religiösen Gemeinschaften untersuchen sollte, um<lb/>
danach Maßregeln zu treffen, aber eine Minorität des Cabinets, namentlich<lb/>
der jetzige Lord Derby, widersetzte sich Grey und brachte (1834) das liberale<lb/>
Ministerium zu Fall. Lord Melbourne wiederholte 1833 den Versuch, die<lb/>
religiösen Beschwerden Irlands durch die von Lord Russell eingebrachte irische<lb/>
Zehntenbill zu beseitigen; er war insofern erfolgreich, als damit das Odium<lb/>
der Eintreibung des verhaßten Zehnten für die Staatskirche den Geistlichen<lb/>
derselben abgenommen ward, aber das Oberhaus verwarf drei Jahre nach¬<lb/>
einander die sogenannte Appropriationsclausel dieser Bill, wonach bei jeder<lb/>
Vacanz einer Pfründe in einem Kirchspiel, welches nicht mehr als 60 Mit¬<lb/>
glieder der Staatskirche zählte, keine Wiederbesetzung stattfinden sollte. Der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0406] und dabei wird noch jeder, welcher weder Katholik noch Presbyterianer ist, als Anglikaner ausgeführt. In vielen Kirchspielen wird selbst dies Verhält¬ niß nicht erreicht und die protestantische Bevölkerung beträgt nur 3,- ja stellenweise nur 1°/» der Gesammtzahl. Gleichwohl ist die Staatskirche die einzige berechtigte religiöse Gemeinschaft, sie zählt 2 Erzbischöfe, 12 Bischöfe und hat ein jährliches Einkommen von mehr als 400,000 Pfd. Sterl. Ein derartiges Verhältniß ist ohne Beispiel in der Welt, und man hat wohl sagen dürfen, daß jeder Panegyricus auf die Staatskirche in England, wo sie eine Majorität hinter sich hat, zur Satire für die irische Kirche wird. Was würde man sagen, wenn die Regierung ihr indisches Reich, dessen Bevölkerung dem schädlichsten Aberglauben anhängt, in Kirchspiele theilen und die christliche Religion als die allein berechtigte hinstellen wollte? Ein so abnormer Zu¬ stand ist nur aus der unglücklichen Vergangenheit Irlands zu erklären; die Staatskirche ist eben das letzte noch gesetzlich bestehende Ueberbleibsel der Unter¬ jochung des celtisch-katholischen Volkes durch die protestantischen Angelsachsen. Nachdem Cromwell nach Carlyle's Ausdruck wie der Hammer Thors auf die papistischen Götzendiener Irlands niedergefallen war, wurde die Aus¬ übung der katholischen Religion verboten. Noch 1699 untersagte ein Statut bei Strafe lebenslänglicher Gefangenschaft, Messe zu lesen oder Kinder katho¬ lisch zu unterrichten, und erst allmählich wurden diese vom Geiste der Verfolgung diktirten Gesetze abgeschafft. 1793 den Katholiken das Wahlrecht für das da¬ mals gesondert bestehende irische Parlament gegeben, und als 1801 Pitt die Union Großbrittanniens mit Irland durchsetzte, wollte er unter einigen Be¬ dingungen Katholiken und Dissenters auch zu Aemtern und zum Parlament des vereinigten Königreichs zulassen. Der Plan scheiterte damals an der Bigot¬ terie des Königs, welcher erklärte, sein Krönungseid verbiete ihm, einer solchen Maßregel zuzustimmen und erst 1828 ward durch O'Connels Agitation die Abschaffung der Testakte durchgesetzt. Die Reformer jener Zeit wollten hier¬ bei nicht stehen bleiben. Lord Grey wünschte eine Commission, welche die Zustände der verschiedenen religiösen Gemeinschaften untersuchen sollte, um danach Maßregeln zu treffen, aber eine Minorität des Cabinets, namentlich der jetzige Lord Derby, widersetzte sich Grey und brachte (1834) das liberale Ministerium zu Fall. Lord Melbourne wiederholte 1833 den Versuch, die religiösen Beschwerden Irlands durch die von Lord Russell eingebrachte irische Zehntenbill zu beseitigen; er war insofern erfolgreich, als damit das Odium der Eintreibung des verhaßten Zehnten für die Staatskirche den Geistlichen derselben abgenommen ward, aber das Oberhaus verwarf drei Jahre nach¬ einander die sogenannte Appropriationsclausel dieser Bill, wonach bei jeder Vacanz einer Pfründe in einem Kirchspiel, welches nicht mehr als 60 Mit¬ glieder der Staatskirche zählte, keine Wiederbesetzung stattfinden sollte. Der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/406
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/406>, abgerufen am 15.01.2025.