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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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redaktionelle Aenderungen erfahren, die Goethe jedenfalls für sich vor¬
genommen haben wird.*)

Außer manchen Anfragen legte er Kosegarten wiederholt (9. Dec. 1818
16. Juli 1819) das Titelkupfer zum Divan vor, um der correcten Wieder¬
gabe des arabischen Spruchs sicher zu sein. Als der Druck vollendet war,
schrieb er ihm (16. Juli 1819):

"Ew. Wohlgeb. übersende einstweilen ein Exemplar zu geneigter Beach¬
tung, die letzten Bogen folgen zunächst. Ganz zum Schluß wünschte ich noch
einen orientalischen Spruch, ohngefähr des Inhalts:


Herr laß dir gefallen
Dieses kleine Haus
Auf die Größe kommts nicht an,
Die Frömmigkeit macht den Tempel

oder wenn Ihnen etwas schicklicheres einfällt."

Der Schlußvers, den also wahrscheinlich Kosegarten angegeben hat, lau¬
tet bekanntlich:


Wir haben nun den guten Rath gesprochen,
Und manchen unsrer Tage dran gewandt;
Mißtöne er etwa in des Menschen Ohr,
Nun, Botenpflicht ist sprechen. Damit gut.

Kosegarten schrieb eine Recension des Divan in die hallische Literaturzeitung,
von welcher Knebel ganz erfreut schrieb, nur Kosegarten, der treffliche Mensch,
könne sie mit so viel Einsicht und Verstand machen (Briefw. II, S. 263).
Charakteristisch ist es, daß er sie Goethe nicht zuschickte, und als dieser um
Mittheilung derselben anging, kein Exemplar hatte (eb. S. 266).

Auch nach Vollendung des Divan wurde der Verkehr fortgesetzt. Goethe
erzählt in den Tag- und Jahresheften von 1821 (Werke 32, S. 194):
"Unter Vermittelung des Englischen, nach Anweisung des werthen Professor
Kosegarten, wandte ich mich wieder eine Zeit lang dem Indischen zu. Durch
seine genaue Uebersetzung des Anfangs von Camarupa kam dieses unschätz¬
bare Gedicht mir wieder lebendig vor die Seele und gewann ungemein durch
eine so treue Annäherung."

Der wissenschaftliche Verkehr führte auch hier zu einem persönlich gemüth¬
lichen Verhältniß. Auf Kosegartens Einladung, bet seinem erstgeborenen
Sohne Gevatter zu werden, antwortete Goethe (18. Januar 1820):

"Da die geistige Verwandtschaft zwischen uns bisher so wohl gediehen,
wird auch >ein Gleiches nunmehr von der geistlichen zu hoffen sein. Mit



") Reinhard schrieb Goethe (1. Febr. 1820), daß er in seiner Doctordissertation über
ti" arabische Dichtkunst eben dieses Gedicht übersetzt habe (Briefw. S. 174).

redaktionelle Aenderungen erfahren, die Goethe jedenfalls für sich vor¬
genommen haben wird.*)

Außer manchen Anfragen legte er Kosegarten wiederholt (9. Dec. 1818
16. Juli 1819) das Titelkupfer zum Divan vor, um der correcten Wieder¬
gabe des arabischen Spruchs sicher zu sein. Als der Druck vollendet war,
schrieb er ihm (16. Juli 1819):

„Ew. Wohlgeb. übersende einstweilen ein Exemplar zu geneigter Beach¬
tung, die letzten Bogen folgen zunächst. Ganz zum Schluß wünschte ich noch
einen orientalischen Spruch, ohngefähr des Inhalts:


Herr laß dir gefallen
Dieses kleine Haus
Auf die Größe kommts nicht an,
Die Frömmigkeit macht den Tempel

oder wenn Ihnen etwas schicklicheres einfällt."

Der Schlußvers, den also wahrscheinlich Kosegarten angegeben hat, lau¬
tet bekanntlich:


Wir haben nun den guten Rath gesprochen,
Und manchen unsrer Tage dran gewandt;
Mißtöne er etwa in des Menschen Ohr,
Nun, Botenpflicht ist sprechen. Damit gut.

Kosegarten schrieb eine Recension des Divan in die hallische Literaturzeitung,
von welcher Knebel ganz erfreut schrieb, nur Kosegarten, der treffliche Mensch,
könne sie mit so viel Einsicht und Verstand machen (Briefw. II, S. 263).
Charakteristisch ist es, daß er sie Goethe nicht zuschickte, und als dieser um
Mittheilung derselben anging, kein Exemplar hatte (eb. S. 266).

Auch nach Vollendung des Divan wurde der Verkehr fortgesetzt. Goethe
erzählt in den Tag- und Jahresheften von 1821 (Werke 32, S. 194):
„Unter Vermittelung des Englischen, nach Anweisung des werthen Professor
Kosegarten, wandte ich mich wieder eine Zeit lang dem Indischen zu. Durch
seine genaue Uebersetzung des Anfangs von Camarupa kam dieses unschätz¬
bare Gedicht mir wieder lebendig vor die Seele und gewann ungemein durch
eine so treue Annäherung."

Der wissenschaftliche Verkehr führte auch hier zu einem persönlich gemüth¬
lichen Verhältniß. Auf Kosegartens Einladung, bet seinem erstgeborenen
Sohne Gevatter zu werden, antwortete Goethe (18. Januar 1820):

„Da die geistige Verwandtschaft zwischen uns bisher so wohl gediehen,
wird auch >ein Gleiches nunmehr von der geistlichen zu hoffen sein. Mit



") Reinhard schrieb Goethe (1. Febr. 1820), daß er in seiner Doctordissertation über
ti» arabische Dichtkunst eben dieses Gedicht übersetzt habe (Briefw. S. 174).
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[0403] redaktionelle Aenderungen erfahren, die Goethe jedenfalls für sich vor¬ genommen haben wird.*) Außer manchen Anfragen legte er Kosegarten wiederholt (9. Dec. 1818 16. Juli 1819) das Titelkupfer zum Divan vor, um der correcten Wieder¬ gabe des arabischen Spruchs sicher zu sein. Als der Druck vollendet war, schrieb er ihm (16. Juli 1819): „Ew. Wohlgeb. übersende einstweilen ein Exemplar zu geneigter Beach¬ tung, die letzten Bogen folgen zunächst. Ganz zum Schluß wünschte ich noch einen orientalischen Spruch, ohngefähr des Inhalts: Herr laß dir gefallen Dieses kleine Haus Auf die Größe kommts nicht an, Die Frömmigkeit macht den Tempel oder wenn Ihnen etwas schicklicheres einfällt." Der Schlußvers, den also wahrscheinlich Kosegarten angegeben hat, lau¬ tet bekanntlich: Wir haben nun den guten Rath gesprochen, Und manchen unsrer Tage dran gewandt; Mißtöne er etwa in des Menschen Ohr, Nun, Botenpflicht ist sprechen. Damit gut. Kosegarten schrieb eine Recension des Divan in die hallische Literaturzeitung, von welcher Knebel ganz erfreut schrieb, nur Kosegarten, der treffliche Mensch, könne sie mit so viel Einsicht und Verstand machen (Briefw. II, S. 263). Charakteristisch ist es, daß er sie Goethe nicht zuschickte, und als dieser um Mittheilung derselben anging, kein Exemplar hatte (eb. S. 266). Auch nach Vollendung des Divan wurde der Verkehr fortgesetzt. Goethe erzählt in den Tag- und Jahresheften von 1821 (Werke 32, S. 194): „Unter Vermittelung des Englischen, nach Anweisung des werthen Professor Kosegarten, wandte ich mich wieder eine Zeit lang dem Indischen zu. Durch seine genaue Uebersetzung des Anfangs von Camarupa kam dieses unschätz¬ bare Gedicht mir wieder lebendig vor die Seele und gewann ungemein durch eine so treue Annäherung." Der wissenschaftliche Verkehr führte auch hier zu einem persönlich gemüth¬ lichen Verhältniß. Auf Kosegartens Einladung, bet seinem erstgeborenen Sohne Gevatter zu werden, antwortete Goethe (18. Januar 1820): „Da die geistige Verwandtschaft zwischen uns bisher so wohl gediehen, wird auch >ein Gleiches nunmehr von der geistlichen zu hoffen sein. Mit ") Reinhard schrieb Goethe (1. Febr. 1820), daß er in seiner Doctordissertation über ti» arabische Dichtkunst eben dieses Gedicht übersetzt habe (Briefw. S. 174).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/403>, abgerufen am 15.01.2025.