Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Neben den Sclaven, die bereits das homerische Alterthum kennt, be¬ Neben den Sclaven, die bereits das homerische Alterthum kennt, be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117908"/> <p xml:id="ID_1179" next="#ID_1180"> Neben den Sclaven, die bereits das homerische Alterthum kennt, be¬<lb/> stand schon zu alten Zeiten in Griechenland die Classe der Thetes, der Tage¬<lb/> löhner und Handwerker. Freilich bedürfen die ältesten patriarchalischen Ver¬<lb/> hältnisse eines eigentlichen ausgebildeten Handwerkerstandes noch in geringem<lb/> Maße, da das Haus durch seine Insassen für den dringendsten Bedarf sorgt,<lb/> doch mußten wenigstens die Geschäfte, welche eine größere Kunstfertigkeit<lb/> voraussetzten, hierzu befähigten Leuten anvertraut werden, wie wir denn<lb/> bei Homer den Zimmermann, den Töpfer, den Lederarbeiter, den Schmied<lb/> und den Goldarbeiter erwähnt finden, die als Freie ihren Geschäften ob¬<lb/> lagen und wegen der hierzu erforderlichen Geschicklichkeit in einer gewissen<lb/> Achtung standen. Dem Sclaven fielen, außer den Verrichtungen im Hause,<lb/> die gemeine Feldarbeit und die niederen Handlangerdienste zu. Bei der<lb/> alten Eintheilung der Bewohner Attikas in vier Stämme hat man den<lb/> Namen des einen — den der Ergadeis oder Argadeis — in Beziehung zu<lb/> den Arbeitern gebracht und überhaupt etwas einer kastenartigen Einrichtung<lb/> Aehnliches in dieser Eintheilung sehen zu müssen geglaubt — eine Ansicht,<lb/> die, wenn auch mit einigen Modificationen, bei den neuesten Forschern die<lb/> Oberhand behalten hat. Ist diese Ansicht die richtige, so sehen wir schon vor<lb/> der Vereinigung der zwölf attischen Gemeinden eine Classe der Bürger<lb/> hauptsächlich mit Handarbeit beschäftigt, die sich — mag auch der Abschluß<lb/> der Stämme kein sehr strenger gewesen sein, doch deutlich von den Kriegern<lb/> — den Hopleten — den Ackerbauern — den Geleonten oder Teleonten —<lb/> und den Ziegenhirten — den Aigikoreis — unterschied. Noch deutlicher er¬<lb/> kennen wir den Stand der Gewerbtreibenden in der Gliederung nach Stän¬<lb/> den, wie sie uns aus der Zeit nach Herstellung des attischen Gesammtstaats<lb/> berichtet wird, indem hier die Demiurgen d. h. die Classe der Gewerbtreiben¬<lb/> den dem Adel der Eupatriden und dem Bauernstande der Geomoren gegen¬<lb/> übergestellt werden. Aus den Zeiten der Herrschaft aristokratischer Geschlech¬<lb/> ter bis zu Solon erfahren wir nur soviel, daß sich ein Mittelstand, nach<lb/> seinem Wohnsitz am Meer „Paralier" genannt, durch Handel und Industrie<lb/> emporarbeitete, der zwischen dem begüterten Adel — den Bewohnern der<lb/> Ebene, Pediäern — und den verarmten Gebirgsbewohnern — Diakriern —<lb/> in der Mitte stand. In diesem Mittelstande werden wir nicht nur den Kauf¬<lb/> mann, sondern auch den Gewerbtreibenden jener Zeit zu suchen haben, wäh¬<lb/> rend der Lohnerwerb der armen Gebirgsbewohner wohl nur in Tagelöhne¬<lb/> ret beim Feldbestellen und Viehhüten bestanden haben wird. Für diese<lb/> frühere Zeit hat das Wort des Hesiod „Arbeit ist keine Schande" noch seine<lb/> volle Giltigkeit: der Gewerbsstand genoß dieselbe Achtung, wie in der ho¬<lb/> merischen Zeit, bis eben das Emporkommen des Mittelstandes andere Staats¬<lb/> einrichtungen herbeiführte, welche auch die Lage der Gewerbtreibenden wehend-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0376]
Neben den Sclaven, die bereits das homerische Alterthum kennt, be¬
stand schon zu alten Zeiten in Griechenland die Classe der Thetes, der Tage¬
löhner und Handwerker. Freilich bedürfen die ältesten patriarchalischen Ver¬
hältnisse eines eigentlichen ausgebildeten Handwerkerstandes noch in geringem
Maße, da das Haus durch seine Insassen für den dringendsten Bedarf sorgt,
doch mußten wenigstens die Geschäfte, welche eine größere Kunstfertigkeit
voraussetzten, hierzu befähigten Leuten anvertraut werden, wie wir denn
bei Homer den Zimmermann, den Töpfer, den Lederarbeiter, den Schmied
und den Goldarbeiter erwähnt finden, die als Freie ihren Geschäften ob¬
lagen und wegen der hierzu erforderlichen Geschicklichkeit in einer gewissen
Achtung standen. Dem Sclaven fielen, außer den Verrichtungen im Hause,
die gemeine Feldarbeit und die niederen Handlangerdienste zu. Bei der
alten Eintheilung der Bewohner Attikas in vier Stämme hat man den
Namen des einen — den der Ergadeis oder Argadeis — in Beziehung zu
den Arbeitern gebracht und überhaupt etwas einer kastenartigen Einrichtung
Aehnliches in dieser Eintheilung sehen zu müssen geglaubt — eine Ansicht,
die, wenn auch mit einigen Modificationen, bei den neuesten Forschern die
Oberhand behalten hat. Ist diese Ansicht die richtige, so sehen wir schon vor
der Vereinigung der zwölf attischen Gemeinden eine Classe der Bürger
hauptsächlich mit Handarbeit beschäftigt, die sich — mag auch der Abschluß
der Stämme kein sehr strenger gewesen sein, doch deutlich von den Kriegern
— den Hopleten — den Ackerbauern — den Geleonten oder Teleonten —
und den Ziegenhirten — den Aigikoreis — unterschied. Noch deutlicher er¬
kennen wir den Stand der Gewerbtreibenden in der Gliederung nach Stän¬
den, wie sie uns aus der Zeit nach Herstellung des attischen Gesammtstaats
berichtet wird, indem hier die Demiurgen d. h. die Classe der Gewerbtreiben¬
den dem Adel der Eupatriden und dem Bauernstande der Geomoren gegen¬
übergestellt werden. Aus den Zeiten der Herrschaft aristokratischer Geschlech¬
ter bis zu Solon erfahren wir nur soviel, daß sich ein Mittelstand, nach
seinem Wohnsitz am Meer „Paralier" genannt, durch Handel und Industrie
emporarbeitete, der zwischen dem begüterten Adel — den Bewohnern der
Ebene, Pediäern — und den verarmten Gebirgsbewohnern — Diakriern —
in der Mitte stand. In diesem Mittelstande werden wir nicht nur den Kauf¬
mann, sondern auch den Gewerbtreibenden jener Zeit zu suchen haben, wäh¬
rend der Lohnerwerb der armen Gebirgsbewohner wohl nur in Tagelöhne¬
ret beim Feldbestellen und Viehhüten bestanden haben wird. Für diese
frühere Zeit hat das Wort des Hesiod „Arbeit ist keine Schande" noch seine
volle Giltigkeit: der Gewerbsstand genoß dieselbe Achtung, wie in der ho¬
merischen Zeit, bis eben das Emporkommen des Mittelstandes andere Staats¬
einrichtungen herbeiführte, welche auch die Lage der Gewerbtreibenden wehend-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |