Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.zu Christen gemacht werden, wird heute in den Rang der Ereignisse erhoben England ist im letzten Monat der Schauplatz parlamentarischer Kämpfe zu Christen gemacht werden, wird heute in den Rang der Ereignisse erhoben England ist im letzten Monat der Schauplatz parlamentarischer Kämpfe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117888"/> <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124"> zu Christen gemacht werden, wird heute in den Rang der Ereignisse erhoben<lb/> und als Sieg des Liberalismus mit hochtönenden Zeitungsphrasen gefeiert,</p><lb/> <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> England ist im letzten Monat der Schauplatz parlamentarischer Kämpfe<lb/> gewesen, wie sie seit vielen Jahren nicht mehr mit gleicher Erbitterung und<lb/> Leidenschaftlichkeit auf altenglischer Erde geführt worden sind. Ungleich seinen<lb/> Whigistischen Vorgängern, welche gewohnt waren, die unbedeutendste parla¬<lb/> mentarische Niederlage mit einem Abschiedsgesuch zu beantworten, halt<lb/> d'Jsraely trotz der Gladstoneschen Siege in der irischen Kirchenfrage und<lb/> trotz des wunderlichen Parlamentsbeschlusses über die schottische Wahlreform<lb/> mit Zähigkeit an seinem Portefeuille fest. Allerdings hat das voreilige Un¬<lb/> geschick, mit welchem ein Unberufener auf Ertheilung eines Mißtrauensvotums<lb/> antrug, bevor dasselbe von den Whigistischen Führern approbirt worden war.<lb/> die Regierung von einer directen Nöthigung zum Rücktritt bewahrt, aber die<lb/> von der Opposition errungenen Siege in Sachen der schottischen Parlaments¬<lb/> reform stellen unwidersprechlich fest, daß der Abfall von den Tones in rascher<lb/> Zunahme begriffen ist. Zuerst wurde gegen den Willen der Regierung fest¬<lb/> gestellt, daß die decretirte Verminderung der Vertreter Englands (welche an<lb/> Stelle der Vermehrung schottischer Parlamentsglieder beliebt worden) mittelst<lb/> vollständiger Streichung gewisser kleiner Wahlbezirke erfolgen sollte, dann<lb/> setzte das Bouveriesche Amendement fest, daß das Wahlrecht in Schottland,<lb/> nicht von der Zahlung der Armensteuer abhängig gemacht werden sollte.<lb/> Schon glaubte das Cabinet sich durch die Annahme dieser Verletzung der für<lb/> England giltigen Censusprinzipien aus dem Felde geschlagen, als der Bar-<lb/> tersche Antrag auf Streichung aller wegen Armuth Steuerunfähigen (es han¬<lb/> delt sich immer nur um die Armensteuer) einen rettenden Ausweg bot. In-<lb/> consequenzen von der Art der hier erwähnten sind in der englischen<lb/> Parlamentsgeschichte ebenso häufig vorgekommen, wie in dem Leben einzelner<lb/> brittischer Staatsmänner, in der Regel aber nur. wenn es sich um starke<lb/> Antipathien gegen ein herrschendes System oder die leitenden Personen han¬<lb/> delte. Wie es im Augenblick um diese bestellt ist, wird sich erst zeigen, wenn<lb/> es zur Auflösung des gegenwärtig lagerten Hauses kommt; die" traditionelle<lb/> Anhänglichkeit des englischen Volkes an den Institutionen der Hochkirche,<lb/> wird trotz der zweimal im Prinzip angenommenen Abschaffung der irischen<lb/> Staatskirche, dieser Maßregel noch manches Hinderniß in den Weg zu legen<lb/> wissen. Die Adresse der Bischöfe für „Erhaltung der glorreichen Institution<lb/> König Wilhelms III." hat den Reigen der No-poper^-Demonstrationen erst<lb/> eröffnet und wird nicht lange auf Nachfolger zu warten haben. Liegt auch<lb/> ein halbes Menschenalter zwischen den Tagen der Katholikenemancipation<lb/> und der Gladstoneschen Bill, so wissen wir doch , aus der Geschichte des Jah¬<lb/> res 1829. Wie tiefgewurzelt das Mißtrauen gegen jede Verstärkung katho-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
zu Christen gemacht werden, wird heute in den Rang der Ereignisse erhoben
und als Sieg des Liberalismus mit hochtönenden Zeitungsphrasen gefeiert,
England ist im letzten Monat der Schauplatz parlamentarischer Kämpfe
gewesen, wie sie seit vielen Jahren nicht mehr mit gleicher Erbitterung und
Leidenschaftlichkeit auf altenglischer Erde geführt worden sind. Ungleich seinen
Whigistischen Vorgängern, welche gewohnt waren, die unbedeutendste parla¬
mentarische Niederlage mit einem Abschiedsgesuch zu beantworten, halt
d'Jsraely trotz der Gladstoneschen Siege in der irischen Kirchenfrage und
trotz des wunderlichen Parlamentsbeschlusses über die schottische Wahlreform
mit Zähigkeit an seinem Portefeuille fest. Allerdings hat das voreilige Un¬
geschick, mit welchem ein Unberufener auf Ertheilung eines Mißtrauensvotums
antrug, bevor dasselbe von den Whigistischen Führern approbirt worden war.
die Regierung von einer directen Nöthigung zum Rücktritt bewahrt, aber die
von der Opposition errungenen Siege in Sachen der schottischen Parlaments¬
reform stellen unwidersprechlich fest, daß der Abfall von den Tones in rascher
Zunahme begriffen ist. Zuerst wurde gegen den Willen der Regierung fest¬
gestellt, daß die decretirte Verminderung der Vertreter Englands (welche an
Stelle der Vermehrung schottischer Parlamentsglieder beliebt worden) mittelst
vollständiger Streichung gewisser kleiner Wahlbezirke erfolgen sollte, dann
setzte das Bouveriesche Amendement fest, daß das Wahlrecht in Schottland,
nicht von der Zahlung der Armensteuer abhängig gemacht werden sollte.
Schon glaubte das Cabinet sich durch die Annahme dieser Verletzung der für
England giltigen Censusprinzipien aus dem Felde geschlagen, als der Bar-
tersche Antrag auf Streichung aller wegen Armuth Steuerunfähigen (es han¬
delt sich immer nur um die Armensteuer) einen rettenden Ausweg bot. In-
consequenzen von der Art der hier erwähnten sind in der englischen
Parlamentsgeschichte ebenso häufig vorgekommen, wie in dem Leben einzelner
brittischer Staatsmänner, in der Regel aber nur. wenn es sich um starke
Antipathien gegen ein herrschendes System oder die leitenden Personen han¬
delte. Wie es im Augenblick um diese bestellt ist, wird sich erst zeigen, wenn
es zur Auflösung des gegenwärtig lagerten Hauses kommt; die" traditionelle
Anhänglichkeit des englischen Volkes an den Institutionen der Hochkirche,
wird trotz der zweimal im Prinzip angenommenen Abschaffung der irischen
Staatskirche, dieser Maßregel noch manches Hinderniß in den Weg zu legen
wissen. Die Adresse der Bischöfe für „Erhaltung der glorreichen Institution
König Wilhelms III." hat den Reigen der No-poper^-Demonstrationen erst
eröffnet und wird nicht lange auf Nachfolger zu warten haben. Liegt auch
ein halbes Menschenalter zwischen den Tagen der Katholikenemancipation
und der Gladstoneschen Bill, so wissen wir doch , aus der Geschichte des Jah¬
res 1829. Wie tiefgewurzelt das Mißtrauen gegen jede Verstärkung katho-
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