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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Musikfreunde versammelte sich nämlich unter Professor Fischoff's Leitung
im Hause der kunstsinnigen Familie Mauthner zu wöchentlichen Uebungen;
dort fand auch die erste wiener Aufführung der Matthäuspassion von Seb.
Bach statt. Die Singacademie hielt sich von Anfang an mehr an ältere
geistliche Musik a oaxella. Nach Stegmayers Tode blieb der Verein lange
ein Schmerzenskind, er ging von Hand zu Hand und wurde kurze Zeit
auch von Brahms geleitet. Seit zwei Jahren steht die Singacademie
unter der Direction Rud. Weinwurm's, dem früheren Chormeister des
cieademischen Gesangvereins und hält ihre Concerte im schönen Festsaal des
neuen academischen Gymnasiums, ab. Im verflossenen Winter wurden zur
Aufführung gebracht: "der Rose Pilgerfahrt' und "spanisches Liederspiel"
von Schumann, "Du Hirte Israel" Cantate von S. Bach, der 93. Psalm
von Mendelssohn. Ferner Chöre von Mich. Haydn (tenebrae), W. Sveidl,
Hiller, Bargiel. Schumann (Hochlandsbursch, Hochlandsmädchen), Chöre
und Lieder von Brahms. Schuberts "Ständchen" (Altsolo mit Frauenchor) :c.
Nur wenige, aber gewählte Jnstrumentalsoli dienen als Zwischennummern
z. B. H-moll-Präludium von Bach, L-moI1-Variationen von Beethoven
(von Brahms gespielt), vierhändige Variationen über ein Bach'sches Thema,
componirt von G. Nottebohm:e. --

Obwohl die eigentlichen Zöglingsprüfungen des Conservatoriums
erst im Juli abgehalten werden, finden doch schon im April zwei Productio-
nen statt, deren Ertrag für den Zöglings-Unterstützungsfond bestimmt ist.
In den Orchestersätzen zeigte die ganze Schaar ein sestes Zusammenspiel und
thaten sich besonders die Streichinstrumente hervor. Die Reorganisirung des
Conservatoriums ist in vollem Zuge; was demselben dringend Noth thut, ,
ist die Gewinnung eines tüchtigen Gesanglehrers. Zur Besetzung dieser
Stelle sollte der Anstalt kein Opfer zu groß sein. Freilich ist sie darauf
angewiesen, sich nach ihrer Kasse zu .strecken; ihr stehen nicht dieselben Hilfs¬
mittel zu Gebote, wie den Conservatorien zu Paris, Brüssel, Lüttich, Haag
Neapel, Palermo, Madrid oder den deutschen Instituten zu Berlin, Stutt¬
gart, München, welche alle aus Staatsmitteln reichlich unterstützt werden. --
Die am Conservatorium angestellten Professoren, die ihre Kräfte von jeher
der Anstalt mit unverdrossener Bereitwilligkeit widmen, gaben auch diesen
Winter ein Concert zum Besten des i. I. 1865 gegründeten Pensionsfonds.

Was diese Unterstützungskasse für die Lebenden bezweckt, das leistet
in großem Maßstab der Haydn-Verein für die Wittwen und Waisen der
wiener Tonkünstler. Dieser Verein, im Jahre 1771 unter dem Titel "Ton-
künstler-Societät" vom Hofcapellmeister Gaßmann gegründet, war der erste,
der in Wien öffentliche Aufführungen von Oratorien veranstaltete. Als mu¬
sikalische Körperschaft hatte er nur einen einzigen Vorgänger in der 172S


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Musikfreunde versammelte sich nämlich unter Professor Fischoff's Leitung
im Hause der kunstsinnigen Familie Mauthner zu wöchentlichen Uebungen;
dort fand auch die erste wiener Aufführung der Matthäuspassion von Seb.
Bach statt. Die Singacademie hielt sich von Anfang an mehr an ältere
geistliche Musik a oaxella. Nach Stegmayers Tode blieb der Verein lange
ein Schmerzenskind, er ging von Hand zu Hand und wurde kurze Zeit
auch von Brahms geleitet. Seit zwei Jahren steht die Singacademie
unter der Direction Rud. Weinwurm's, dem früheren Chormeister des
cieademischen Gesangvereins und hält ihre Concerte im schönen Festsaal des
neuen academischen Gymnasiums, ab. Im verflossenen Winter wurden zur
Aufführung gebracht: „der Rose Pilgerfahrt' und „spanisches Liederspiel"
von Schumann, „Du Hirte Israel" Cantate von S. Bach, der 93. Psalm
von Mendelssohn. Ferner Chöre von Mich. Haydn (tenebrae), W. Sveidl,
Hiller, Bargiel. Schumann (Hochlandsbursch, Hochlandsmädchen), Chöre
und Lieder von Brahms. Schuberts „Ständchen" (Altsolo mit Frauenchor) :c.
Nur wenige, aber gewählte Jnstrumentalsoli dienen als Zwischennummern
z. B. H-moll-Präludium von Bach, L-moI1-Variationen von Beethoven
(von Brahms gespielt), vierhändige Variationen über ein Bach'sches Thema,
componirt von G. Nottebohm:e. —

Obwohl die eigentlichen Zöglingsprüfungen des Conservatoriums
erst im Juli abgehalten werden, finden doch schon im April zwei Productio-
nen statt, deren Ertrag für den Zöglings-Unterstützungsfond bestimmt ist.
In den Orchestersätzen zeigte die ganze Schaar ein sestes Zusammenspiel und
thaten sich besonders die Streichinstrumente hervor. Die Reorganisirung des
Conservatoriums ist in vollem Zuge; was demselben dringend Noth thut, ,
ist die Gewinnung eines tüchtigen Gesanglehrers. Zur Besetzung dieser
Stelle sollte der Anstalt kein Opfer zu groß sein. Freilich ist sie darauf
angewiesen, sich nach ihrer Kasse zu .strecken; ihr stehen nicht dieselben Hilfs¬
mittel zu Gebote, wie den Conservatorien zu Paris, Brüssel, Lüttich, Haag
Neapel, Palermo, Madrid oder den deutschen Instituten zu Berlin, Stutt¬
gart, München, welche alle aus Staatsmitteln reichlich unterstützt werden. —
Die am Conservatorium angestellten Professoren, die ihre Kräfte von jeher
der Anstalt mit unverdrossener Bereitwilligkeit widmen, gaben auch diesen
Winter ein Concert zum Besten des i. I. 1865 gegründeten Pensionsfonds.

Was diese Unterstützungskasse für die Lebenden bezweckt, das leistet
in großem Maßstab der Haydn-Verein für die Wittwen und Waisen der
wiener Tonkünstler. Dieser Verein, im Jahre 1771 unter dem Titel „Ton-
künstler-Societät" vom Hofcapellmeister Gaßmann gegründet, war der erste,
der in Wien öffentliche Aufführungen von Oratorien veranstaltete. Als mu¬
sikalische Körperschaft hatte er nur einen einzigen Vorgänger in der 172S


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[0343] Musikfreunde versammelte sich nämlich unter Professor Fischoff's Leitung im Hause der kunstsinnigen Familie Mauthner zu wöchentlichen Uebungen; dort fand auch die erste wiener Aufführung der Matthäuspassion von Seb. Bach statt. Die Singacademie hielt sich von Anfang an mehr an ältere geistliche Musik a oaxella. Nach Stegmayers Tode blieb der Verein lange ein Schmerzenskind, er ging von Hand zu Hand und wurde kurze Zeit auch von Brahms geleitet. Seit zwei Jahren steht die Singacademie unter der Direction Rud. Weinwurm's, dem früheren Chormeister des cieademischen Gesangvereins und hält ihre Concerte im schönen Festsaal des neuen academischen Gymnasiums, ab. Im verflossenen Winter wurden zur Aufführung gebracht: „der Rose Pilgerfahrt' und „spanisches Liederspiel" von Schumann, „Du Hirte Israel" Cantate von S. Bach, der 93. Psalm von Mendelssohn. Ferner Chöre von Mich. Haydn (tenebrae), W. Sveidl, Hiller, Bargiel. Schumann (Hochlandsbursch, Hochlandsmädchen), Chöre und Lieder von Brahms. Schuberts „Ständchen" (Altsolo mit Frauenchor) :c. Nur wenige, aber gewählte Jnstrumentalsoli dienen als Zwischennummern z. B. H-moll-Präludium von Bach, L-moI1-Variationen von Beethoven (von Brahms gespielt), vierhändige Variationen über ein Bach'sches Thema, componirt von G. Nottebohm:e. — Obwohl die eigentlichen Zöglingsprüfungen des Conservatoriums erst im Juli abgehalten werden, finden doch schon im April zwei Productio- nen statt, deren Ertrag für den Zöglings-Unterstützungsfond bestimmt ist. In den Orchestersätzen zeigte die ganze Schaar ein sestes Zusammenspiel und thaten sich besonders die Streichinstrumente hervor. Die Reorganisirung des Conservatoriums ist in vollem Zuge; was demselben dringend Noth thut, , ist die Gewinnung eines tüchtigen Gesanglehrers. Zur Besetzung dieser Stelle sollte der Anstalt kein Opfer zu groß sein. Freilich ist sie darauf angewiesen, sich nach ihrer Kasse zu .strecken; ihr stehen nicht dieselben Hilfs¬ mittel zu Gebote, wie den Conservatorien zu Paris, Brüssel, Lüttich, Haag Neapel, Palermo, Madrid oder den deutschen Instituten zu Berlin, Stutt¬ gart, München, welche alle aus Staatsmitteln reichlich unterstützt werden. — Die am Conservatorium angestellten Professoren, die ihre Kräfte von jeher der Anstalt mit unverdrossener Bereitwilligkeit widmen, gaben auch diesen Winter ein Concert zum Besten des i. I. 1865 gegründeten Pensionsfonds. Was diese Unterstützungskasse für die Lebenden bezweckt, das leistet in großem Maßstab der Haydn-Verein für die Wittwen und Waisen der wiener Tonkünstler. Dieser Verein, im Jahre 1771 unter dem Titel „Ton- künstler-Societät" vom Hofcapellmeister Gaßmann gegründet, war der erste, der in Wien öffentliche Aufführungen von Oratorien veranstaltete. Als mu¬ sikalische Körperschaft hatte er nur einen einzigen Vorgänger in der 172S 43*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/343>, abgerufen am 15.01.2025.