Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.kann es in der Klosterbibliothek herausgerissen, und in die Universitäts¬ Die Gewissenlosigkeit dazu war ihm allerdings zuzutrauen. Wir wissen Aber, und das ist, wie uns scheint, die Hauptsache, war Zimmermann "In dem damals neu aufblühenden böhmischen Museum kamen von kann es in der Klosterbibliothek herausgerissen, und in die Universitäts¬ Die Gewissenlosigkeit dazu war ihm allerdings zuzutrauen. Wir wissen Aber, und das ist, wie uns scheint, die Hauptsache, war Zimmermann „In dem damals neu aufblühenden böhmischen Museum kamen von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117806"/> <p xml:id="ID_864" prev="#ID_863"> kann es in der Klosterbibliothek herausgerissen, und in die Universitäts¬<lb/> bibliothek verworfen haben, als der bei beiden bedienstete Zimmermann?</p><lb/> <p xml:id="ID_865"> Die Gewissenlosigkeit dazu war ihm allerdings zuzutrauen. Wir wissen<lb/> ferner von einem sicheren Gewährsmann, daß in der prager Universitäts¬<lb/> bibliothek sehr werthvolle Handschriften schmählich verstümmelt sind, und ci-<lb/> tiren nur z. B. die Codices I. v. 24; I). 1l; v. 22; VI. v. 3. 9. 11. 20;<lb/> 13; 2. 5. 7. 20; 6. 1. 8. 13; XVI. 1. 3. :c. :c. Es sind einzelne<lb/> Blätter und ganze Lagen aus den Handschriften theils herausgeschnitten,<lb/> theils herausgefetzt. Der unbeschriebene, oft große Rau d d er Pergam ent-<lb/> blätter ist abgeschnitten und wer weiß wozu benutzt worden, Zeilen sind<lb/> herausgeschnitten oder mit einem stumpfen Werkzeug gewaltsam ausgekratzt.<lb/> Es wäre unschwer, vollgültig zu beweisen, daß diese Barbareien von Nie¬<lb/> mand Anderem als von dem Bibliotheksbeamten Zimmermann herrühren.</p><lb/> <p xml:id="ID_866"> Aber, und das ist, wie uns scheint, die Hauptsache, war Zimmermann<lb/> auch im Stande die Fälschung wirklich zu begehen? Man hat von czechischer<lb/> Seite gesagt, Hanka kann der Fälscher nicht gewesen sein, weil er die Hand¬<lb/> schrift nicht machen konnte. Dieselbe Frage wird man auch mit Bezug<lb/> auf Zimmermann aussprechen dürfen. Niemand wird glauben, daß er<lb/> besser ausgerüstet war als Hanka, wenn er durch Palacky (Sybel, Zeitschrift,<lb/> 1839, III. S. 106) erfährt, daß Zimmermann den Huß und Wallenstein für<lb/> Zeitgenossen und gute Kumpane hielt. Außerdem sehen wir weder einen äußeren<lb/> noch einen inneren Grund, der ihn zur Fälschung veranlaßt haben könnte. Das<lb/> Streben, von dem Hanka geleitet sein konnte/den Ruhm der czechischen Nation<lb/> zu erhöhen, kann es nicht gewesen sein, denn Hanusch sagt selbst, und hierin<lb/> wird er wohl recht haben, Zimmermann habe die patriotischen Bestrebungen der<lb/> czechischen Literatur nicht nur verachtet, sondern sogar im geheimen sehr gern den<lb/> Behörden übermittelt. Hanusch meint, der Grund der Jmpostur sei--<lb/> Haß, Rache gewesen, welche der von der böhmischen Literatur gehaßte, ver¬<lb/> achtete, geflohene Zimmermann hierfür an den böhmischen Literaten nahm.</p><lb/> <p xml:id="ID_867" next="#ID_868"> „In dem damals neu aufblühenden böhmischen Museum kamen von<lb/> allen Seiten die ansehnlichsten Geschenke zusammen; nicht nur einzelne theure<lb/> und seltene Handschriften und Bücher wurden dahin geschenkt, sondern ganze<lb/> Bibliotheken: wie sollte denn der boshafte Zimmermann dem lieben Museum»,<lb/> nicht auch etwas schenken, was alles, selbst die gefeierte Königinhofer Hand¬<lb/> schrift nicht'ausgenommen, an Alter übertreffen sollte? Der liberale, aber<lb/> stolze Dobrowsky, welcher so gern über Zimmermanns oberflächliche Groß«<lb/> thuerei lächelte und über dessen hyperloyale Pedanterie hinausging, sollte mit<lb/> gezüchtigt werden, er, der Patriarch der Slavistik, sollte die Falsifieate des<lb/> verachteten Scriptors wie Nationalheiligthümer zu verehren bekommen, und<lb/> in die Hände Hanka's zur ewigen Verwahrung unter den edelsten, echten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
kann es in der Klosterbibliothek herausgerissen, und in die Universitäts¬
bibliothek verworfen haben, als der bei beiden bedienstete Zimmermann?
Die Gewissenlosigkeit dazu war ihm allerdings zuzutrauen. Wir wissen
ferner von einem sicheren Gewährsmann, daß in der prager Universitäts¬
bibliothek sehr werthvolle Handschriften schmählich verstümmelt sind, und ci-
tiren nur z. B. die Codices I. v. 24; I). 1l; v. 22; VI. v. 3. 9. 11. 20;
13; 2. 5. 7. 20; 6. 1. 8. 13; XVI. 1. 3. :c. :c. Es sind einzelne
Blätter und ganze Lagen aus den Handschriften theils herausgeschnitten,
theils herausgefetzt. Der unbeschriebene, oft große Rau d d er Pergam ent-
blätter ist abgeschnitten und wer weiß wozu benutzt worden, Zeilen sind
herausgeschnitten oder mit einem stumpfen Werkzeug gewaltsam ausgekratzt.
Es wäre unschwer, vollgültig zu beweisen, daß diese Barbareien von Nie¬
mand Anderem als von dem Bibliotheksbeamten Zimmermann herrühren.
Aber, und das ist, wie uns scheint, die Hauptsache, war Zimmermann
auch im Stande die Fälschung wirklich zu begehen? Man hat von czechischer
Seite gesagt, Hanka kann der Fälscher nicht gewesen sein, weil er die Hand¬
schrift nicht machen konnte. Dieselbe Frage wird man auch mit Bezug
auf Zimmermann aussprechen dürfen. Niemand wird glauben, daß er
besser ausgerüstet war als Hanka, wenn er durch Palacky (Sybel, Zeitschrift,
1839, III. S. 106) erfährt, daß Zimmermann den Huß und Wallenstein für
Zeitgenossen und gute Kumpane hielt. Außerdem sehen wir weder einen äußeren
noch einen inneren Grund, der ihn zur Fälschung veranlaßt haben könnte. Das
Streben, von dem Hanka geleitet sein konnte/den Ruhm der czechischen Nation
zu erhöhen, kann es nicht gewesen sein, denn Hanusch sagt selbst, und hierin
wird er wohl recht haben, Zimmermann habe die patriotischen Bestrebungen der
czechischen Literatur nicht nur verachtet, sondern sogar im geheimen sehr gern den
Behörden übermittelt. Hanusch meint, der Grund der Jmpostur sei--
Haß, Rache gewesen, welche der von der böhmischen Literatur gehaßte, ver¬
achtete, geflohene Zimmermann hierfür an den böhmischen Literaten nahm.
„In dem damals neu aufblühenden böhmischen Museum kamen von
allen Seiten die ansehnlichsten Geschenke zusammen; nicht nur einzelne theure
und seltene Handschriften und Bücher wurden dahin geschenkt, sondern ganze
Bibliotheken: wie sollte denn der boshafte Zimmermann dem lieben Museum»,
nicht auch etwas schenken, was alles, selbst die gefeierte Königinhofer Hand¬
schrift nicht'ausgenommen, an Alter übertreffen sollte? Der liberale, aber
stolze Dobrowsky, welcher so gern über Zimmermanns oberflächliche Groß«
thuerei lächelte und über dessen hyperloyale Pedanterie hinausging, sollte mit
gezüchtigt werden, er, der Patriarch der Slavistik, sollte die Falsifieate des
verachteten Scriptors wie Nationalheiligthümer zu verehren bekommen, und
in die Hände Hanka's zur ewigen Verwahrung unter den edelsten, echten
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