Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.bedingungen besser, als es bei diesem der Fall war, bewußt geworden, und Es ist hier nicht der Ort, diesen Streit der Religiosität und der Philo¬ Materiell, das sühlt der Verfasser, begründet der prinzipielle Unter¬ bedingungen besser, als es bei diesem der Fall war, bewußt geworden, und Es ist hier nicht der Ort, diesen Streit der Religiosität und der Philo¬ Materiell, das sühlt der Verfasser, begründet der prinzipielle Unter¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117750"/> <p xml:id="ID_686" prev="#ID_685"> bedingungen besser, als es bei diesem der Fall war, bewußt geworden, und<lb/> sie verlangt eine durchaus theistische Anschauung von der Gottheit und damit<lb/> für die Erklärung der Erscheinung Jesu ein schöpferisches Handeln Gottes,<lb/> das einzigartig und specifisch ist. Es tritt hier der Gegensatz des modernen<lb/> Glaubensstandpunktes, noch geschärft 'durch das Bedürfniß des Fachhisto¬<lb/> rikers nach concreten, anfaßbaren Gestalten, -und der den Begriff als das<lb/> Prius der Dinge setzenden Philosophie, wie dieselbe dem ganzen Strauß'schen<lb/> Unternehmen zu Grunde liegt, zu Tage. In Wahrheit aber liegt dem gegen<lb/> Strauß erhobenen Vorwurf „philosophischer Voraussetzungen" der gründliche<lb/> Widerwille des Religiösen und des Fachhistorikers gegen die Philosophie<lb/> selber zu Grunde, die Philosophie, wie sie in ihrer vollkommensten Ausbil¬<lb/> dung sich und die Dinge auf die Spitze stellt. Für Herrn Keim ist nicht<lb/> sowohl der Mythiker Strauß als die Philosophie selber eine unberechtigte<lb/> Voraussetzung, ein unbewiesenes, willkürlich angenommenes Postulat. Es<lb/> liegen hier ganz scharf ausgeprägt die Glieder eines kulturgeschichtlichen Di¬<lb/> lemma vor Augen: Glauben oder Wissen? religiöses oder denkendes Verhalten<lb/> zu den Gegenständen des Credo der Gemeinde? Begründet das Factum des<lb/> irgendwo einmal auf der Erde gelebt habenden Normalmenschen den Begriff<lb/> der normalen Menschheit, oder begründet der Begriff, die logische Noth¬<lb/> wendigkeit des Menschheitsideals das Factum seiner relativen Verwirklichung?<lb/> Gilt bet der Frage von der Vollkommenheit der Menschennatur das Factum<lb/> oder nur das Faciendum? Das erste Glied dieser Dilemmen macht die<lb/> metaphysische Einzigkeit und Sündlosigkeit Jesu nothwendig, das zweite Glied<lb/> erlaubt nur für den Fall des Geschichtsnachweises die empirische.</p><lb/> <p xml:id="ID_687"> Es ist hier nicht der Ort, diesen Streit der Religiosität und der Philo¬<lb/> sophie zu schlichten; es genüge, mit der Berührung derselben theils unsere<lb/> obige Behauptung von dem Mißtrauen unseres Buchs gegen Strauß moti-<lb/> virt, theils auf die Bedeutung des Keim'schen Werkes wegen der in ihm<lb/> scharf ausgeprägten einen Richtung unserer Zeit, die jedenfalls bis auf diesen<lb/> Tag noch eine Wahrheit ist, hingewiesen, sowie auch damit die fernere Zeich¬<lb/> nung desselben eingeleitet zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_688" next="#ID_689"> Materiell, das sühlt der Verfasser, begründet der prinzipielle Unter¬<lb/> schied zwischen ihm und dem mythischen Standpunkt in der exegetisch-kriti¬<lb/> schen Auffassung eines Lebens Jesu— keine durchgreifende Differenz, haupt¬<lb/> sächlich wegen des beiderseits vorhandenen Bedürfnisses eines reinmensch¬<lb/> lichen Bildes von Person und Lebensgang des Herrn. Nicht nur spricht<lb/> er mit der modernen Apologetik und Restaurationstheologie (man sehe S.<lb/> 1S9; 170; 439; 662) in einem ganz andern, schneidenderen Tone, als mit der<lb/> consequenten Kritik; er sucht sich auch S. 361 mit den Mythikern und Phi¬<lb/> losophen in folgendem positiven Resultat auseinanderzusetzen, das, wie er und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
bedingungen besser, als es bei diesem der Fall war, bewußt geworden, und
sie verlangt eine durchaus theistische Anschauung von der Gottheit und damit
für die Erklärung der Erscheinung Jesu ein schöpferisches Handeln Gottes,
das einzigartig und specifisch ist. Es tritt hier der Gegensatz des modernen
Glaubensstandpunktes, noch geschärft 'durch das Bedürfniß des Fachhisto¬
rikers nach concreten, anfaßbaren Gestalten, -und der den Begriff als das
Prius der Dinge setzenden Philosophie, wie dieselbe dem ganzen Strauß'schen
Unternehmen zu Grunde liegt, zu Tage. In Wahrheit aber liegt dem gegen
Strauß erhobenen Vorwurf „philosophischer Voraussetzungen" der gründliche
Widerwille des Religiösen und des Fachhistorikers gegen die Philosophie
selber zu Grunde, die Philosophie, wie sie in ihrer vollkommensten Ausbil¬
dung sich und die Dinge auf die Spitze stellt. Für Herrn Keim ist nicht
sowohl der Mythiker Strauß als die Philosophie selber eine unberechtigte
Voraussetzung, ein unbewiesenes, willkürlich angenommenes Postulat. Es
liegen hier ganz scharf ausgeprägt die Glieder eines kulturgeschichtlichen Di¬
lemma vor Augen: Glauben oder Wissen? religiöses oder denkendes Verhalten
zu den Gegenständen des Credo der Gemeinde? Begründet das Factum des
irgendwo einmal auf der Erde gelebt habenden Normalmenschen den Begriff
der normalen Menschheit, oder begründet der Begriff, die logische Noth¬
wendigkeit des Menschheitsideals das Factum seiner relativen Verwirklichung?
Gilt bet der Frage von der Vollkommenheit der Menschennatur das Factum
oder nur das Faciendum? Das erste Glied dieser Dilemmen macht die
metaphysische Einzigkeit und Sündlosigkeit Jesu nothwendig, das zweite Glied
erlaubt nur für den Fall des Geschichtsnachweises die empirische.
Es ist hier nicht der Ort, diesen Streit der Religiosität und der Philo¬
sophie zu schlichten; es genüge, mit der Berührung derselben theils unsere
obige Behauptung von dem Mißtrauen unseres Buchs gegen Strauß moti-
virt, theils auf die Bedeutung des Keim'schen Werkes wegen der in ihm
scharf ausgeprägten einen Richtung unserer Zeit, die jedenfalls bis auf diesen
Tag noch eine Wahrheit ist, hingewiesen, sowie auch damit die fernere Zeich¬
nung desselben eingeleitet zu haben.
Materiell, das sühlt der Verfasser, begründet der prinzipielle Unter¬
schied zwischen ihm und dem mythischen Standpunkt in der exegetisch-kriti¬
schen Auffassung eines Lebens Jesu— keine durchgreifende Differenz, haupt¬
sächlich wegen des beiderseits vorhandenen Bedürfnisses eines reinmensch¬
lichen Bildes von Person und Lebensgang des Herrn. Nicht nur spricht
er mit der modernen Apologetik und Restaurationstheologie (man sehe S.
1S9; 170; 439; 662) in einem ganz andern, schneidenderen Tone, als mit der
consequenten Kritik; er sucht sich auch S. 361 mit den Mythikern und Phi¬
losophen in folgendem positiven Resultat auseinanderzusetzen, das, wie er und
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