Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.werden, und dauernd nach einem Ziele hinarbeiten/ das wollen wir, nach Nehmen wir an, wie es wahrscheinlich ist, daß die deutschen Staaten Im Norden von Deutschland, der sich durch die böhmischen und fränki¬ Wie aber sieht es im Süden von Deutschland aus? Da ist zuerst Oest¬ ") Die Mainlinie, die unsere Parricularisten für eine Erfindung von 1866 halten, war dem staatsmännischen Auge schon vor dreiundfünfzig Jahren sichtbar. -) Daß die Dynasten von Hannover, Kurhessen und Nassau diese schon im März 181S mit solcher Klarheit ausgesprochene Wahrheit verkannten, bewirkte, daß sie ihren Thron ver¬ scherzten. Es ist zu beklagen, daß der Süden von dieser auf Mannszucht beruhenden Kraft
immer noch keinen Begriff zu haben scheint, oder um es richtig auszudrücken: die Masse im Süden, die bei den ZoNparlamentswahlen den Ausschlag gegeben hat. Die Feindseligkeit gegen den wirklichen Staat muß zum Untergänge staatlicher Existenz führen. werden, und dauernd nach einem Ziele hinarbeiten/ das wollen wir, nach Nehmen wir an, wie es wahrscheinlich ist, daß die deutschen Staaten Im Norden von Deutschland, der sich durch die böhmischen und fränki¬ Wie aber sieht es im Süden von Deutschland aus? Da ist zuerst Oest¬ ") Die Mainlinie, die unsere Parricularisten für eine Erfindung von 1866 halten, war dem staatsmännischen Auge schon vor dreiundfünfzig Jahren sichtbar. -) Daß die Dynasten von Hannover, Kurhessen und Nassau diese schon im März 181S mit solcher Klarheit ausgesprochene Wahrheit verkannten, bewirkte, daß sie ihren Thron ver¬ scherzten. Es ist zu beklagen, daß der Süden von dieser auf Mannszucht beruhenden Kraft
immer noch keinen Begriff zu haben scheint, oder um es richtig auszudrücken: die Masse im Süden, die bei den ZoNparlamentswahlen den Ausschlag gegeben hat. Die Feindseligkeit gegen den wirklichen Staat muß zum Untergänge staatlicher Existenz führen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117742"/> <p xml:id="ID_657" prev="#ID_656"> werden, und dauernd nach einem Ziele hinarbeiten/ das wollen wir, nach<lb/> unserer Ansicht, in einigen Grundlinien darzulegen uns bemühen.</p><lb/> <p xml:id="ID_658"> Nehmen wir an, wie es wahrscheinlich ist, daß die deutschen Staaten<lb/> ein locker geknüpfter Bund vereinige, ohne Haupt, ohne Gewähr einer kräf¬<lb/> tigen Zusammenballung, und wir erblicken gleich Deutschland in zwei große<lb/> Hälften getheilt, in die nördliche und in die südliche.</p><lb/> <p xml:id="ID_659"> Im Norden von Deutschland, der sich durch die böhmischen und fränki¬<lb/> schen Gebirge, den Main*), den Rhein und die Mosel jetzt vom Süden ab¬<lb/> grenzt, sehen wir als vorherrschenden Staat— Preußen; ja ziehen wir Han¬<lb/> nover ab mit seiner Million Bewohner und mit seinem etwaigem Einfluß<lb/> auf Oldenburg und die Hansestädte, das zwar jetzt und im Frieden, auf Eng¬<lb/> land sich stützend, allerdings ein von Preußen getrenntes und verschiedenes<lb/> Dasein haben kann, im Kriege aber und bei einer innern, thätlichen Spal¬<lb/> tung Deutschlands seiner Natur und Lage nach durchaus, mit oder wider<lb/> Willen, Preußen sich hingeben muß, rechnen wir also Hannover ab, so er<lb/> scheint uns schon jetzt Norddeutschland geschlossen und für sich dastehend unter<lb/> Preußen. Denn mit seinen fast 10 Millionen deutscher Bewohner erstreckt<lb/> sich dieses von dem Niemen und der Ostsee'bis jenseits des Rheins an die-<lb/> Grenzen der Niederlande und Frankreichs, und umfaßt oder begrenzt: Meck¬<lb/> lenburg, Sachsen, Hessen-Kassel, Braunschweig, Nassau und andere kleinere<lb/> Länder mit etwa 4—ö Millionen Einwohner dergestalt, daß es den ent¬<lb/> schiedensten Einfluß auf diese Staaten gewinnt, die sich ihm nothwendig<lb/> ganz und auf das innigste anschließen müssen, und namentlich in einem<lb/> Kriege durchaus keinen andern Willen, als den Preußens haben können""").<lb/> Mehr aber noch als durch seine Lage und physische Beschaffenheit erscheint<lb/> uns der Norden von Deutschland stark und kräftig durch die Summe mora¬<lb/> lischer Kraft***), die sich in ihm entwickelt hat, und durch den Sinn und Geist<lb/> seiner Regierung.</p><lb/> <p xml:id="ID_660" next="#ID_661"> Wie aber sieht es im Süden von Deutschland aus? Da ist zuerst Oest¬<lb/> reich, ein Staat von einem ungeheuren Umfange, aber zusammengesetzt aus<lb/> den verschiedenartigsten Bestandtheilen. Unter den 28 Millionen Einwohnern,<lb/> die es zählt, befinden sich kaum 2—3 Millionen Deutscher. Mit dieser Lar-</p><lb/> <note xml:id="FID_13" place="foot"> ") Die Mainlinie, die unsere Parricularisten für eine Erfindung von 1866 halten, war<lb/> dem staatsmännischen Auge schon vor dreiundfünfzig Jahren sichtbar.</note><lb/> <note xml:id="FID_14" place="foot"> -) Daß die Dynasten von Hannover, Kurhessen und Nassau diese schon im März 181S<lb/> mit solcher Klarheit ausgesprochene Wahrheit verkannten, bewirkte, daß sie ihren Thron ver¬<lb/> scherzten.</note><lb/> <note xml:id="FID_15" place="foot"> Es ist zu beklagen, daß der Süden von dieser auf Mannszucht beruhenden Kraft<lb/> immer noch keinen Begriff zu haben scheint, oder um es richtig auszudrücken: die Masse im<lb/> Süden, die bei den ZoNparlamentswahlen den Ausschlag gegeben hat. Die Feindseligkeit<lb/> gegen den wirklichen Staat muß zum Untergänge staatlicher Existenz führen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
werden, und dauernd nach einem Ziele hinarbeiten/ das wollen wir, nach
unserer Ansicht, in einigen Grundlinien darzulegen uns bemühen.
Nehmen wir an, wie es wahrscheinlich ist, daß die deutschen Staaten
ein locker geknüpfter Bund vereinige, ohne Haupt, ohne Gewähr einer kräf¬
tigen Zusammenballung, und wir erblicken gleich Deutschland in zwei große
Hälften getheilt, in die nördliche und in die südliche.
Im Norden von Deutschland, der sich durch die böhmischen und fränki¬
schen Gebirge, den Main*), den Rhein und die Mosel jetzt vom Süden ab¬
grenzt, sehen wir als vorherrschenden Staat— Preußen; ja ziehen wir Han¬
nover ab mit seiner Million Bewohner und mit seinem etwaigem Einfluß
auf Oldenburg und die Hansestädte, das zwar jetzt und im Frieden, auf Eng¬
land sich stützend, allerdings ein von Preußen getrenntes und verschiedenes
Dasein haben kann, im Kriege aber und bei einer innern, thätlichen Spal¬
tung Deutschlands seiner Natur und Lage nach durchaus, mit oder wider
Willen, Preußen sich hingeben muß, rechnen wir also Hannover ab, so er
scheint uns schon jetzt Norddeutschland geschlossen und für sich dastehend unter
Preußen. Denn mit seinen fast 10 Millionen deutscher Bewohner erstreckt
sich dieses von dem Niemen und der Ostsee'bis jenseits des Rheins an die-
Grenzen der Niederlande und Frankreichs, und umfaßt oder begrenzt: Meck¬
lenburg, Sachsen, Hessen-Kassel, Braunschweig, Nassau und andere kleinere
Länder mit etwa 4—ö Millionen Einwohner dergestalt, daß es den ent¬
schiedensten Einfluß auf diese Staaten gewinnt, die sich ihm nothwendig
ganz und auf das innigste anschließen müssen, und namentlich in einem
Kriege durchaus keinen andern Willen, als den Preußens haben können""").
Mehr aber noch als durch seine Lage und physische Beschaffenheit erscheint
uns der Norden von Deutschland stark und kräftig durch die Summe mora¬
lischer Kraft***), die sich in ihm entwickelt hat, und durch den Sinn und Geist
seiner Regierung.
Wie aber sieht es im Süden von Deutschland aus? Da ist zuerst Oest¬
reich, ein Staat von einem ungeheuren Umfange, aber zusammengesetzt aus
den verschiedenartigsten Bestandtheilen. Unter den 28 Millionen Einwohnern,
die es zählt, befinden sich kaum 2—3 Millionen Deutscher. Mit dieser Lar-
") Die Mainlinie, die unsere Parricularisten für eine Erfindung von 1866 halten, war
dem staatsmännischen Auge schon vor dreiundfünfzig Jahren sichtbar.
-) Daß die Dynasten von Hannover, Kurhessen und Nassau diese schon im März 181S
mit solcher Klarheit ausgesprochene Wahrheit verkannten, bewirkte, daß sie ihren Thron ver¬
scherzten.
Es ist zu beklagen, daß der Süden von dieser auf Mannszucht beruhenden Kraft
immer noch keinen Begriff zu haben scheint, oder um es richtig auszudrücken: die Masse im
Süden, die bei den ZoNparlamentswahlen den Ausschlag gegeben hat. Die Feindseligkeit
gegen den wirklichen Staat muß zum Untergänge staatlicher Existenz führen.
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