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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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genannte "Freitagsclub" ein Verein preußisch-gesinnter Bürger, der ohnehin
bisher wenig Leben kundgegeben, nunmehr gänzlich eingegangen ist.

So ist denn die Preußen zugewandte Partei in voller Auflösung be¬
griffen. Dagegen die particularistische Partei steht wohlorganisirt da, mäch¬
tiger und geschlossener denn je. Merkwürdig genug! War doch als die
augustenburgische Partei inmitten des Jahres 1866 darnieder lag, ihrer be¬
deutendsten Führer beraubt, befangen in den Dogmen des alleinseligmachen¬
den Erbrechts, gegründete Aussicht vorhanden, daß unter der Einwirkung
großartiger und vortheilhafter Verbesserungen die Partei zerspalten, daß zahl¬
reiche neue Gegenstände des staatlichen Wirkens auch neue Ansichten, verän¬
derte Gruppirungen hervorrufen würden. Gerade in Schleswig-Holstein war
dies mit Bestimmtheit zu erwarten, wo ja die Wortführer der particularisti-
schen Partei selbst nicht leugnen können, daß die einfache Ausdehnung der
altländischen Institutionen uns gegenüber dem Bisherigen, von dessen UnHalt¬
barkeit Alle überzeugt waren, wesentlich gefördert hat. Nichtsdestoweniger
ist es gelungen, das Gros der ehemaligen augustenburgischen Partei als
negirende, einseitig particularistische Partei wieder völlig zu reorganisiren.
Das brauchbarste Material zu dieser Reorganisation haben die sogenannten
"Kampfgenossenvereine" geliefert, welche, als die eigentlichen Heerde des spe¬
cifisch Schleswig-holsteinischen Nationalstolzes immer schon von politischer Be¬
deutung, die ihrer Zeit so bekannten im Juni 1866 aufgehobenen schleswig¬
holsteinischen Vereine" vollständig ersetzt haben. Der schwache Versuch
einiger rendsburger Patrioten, bei der letzten Landtagswahl sich als äußerste
democratische Partei aus dem Gros der "Landespartei" abzutrennen, verlief
resultatlos im Sande. Freilich ist dies minder überraschend, als daß die
conservativen Elemente des städtischen Mittelstandes, welche kürzlich mit Pe¬
titionen wider die Gewerbefreiheit hervortraten, ihre Parteifreunde in den
alten Provinzen noch nicht erkannt haben.

Das Hinderniß der Versöhnung mit der preußischen Herrschaft ist die
sogenannte "gesammtstaatliche" Partei, welche zwischen der Regierung und' der
Bevölkerung als unübersteigliche Schranke gestellt ist; ihre Begünstigung durch
die Regierung wird das feste Bindemittel der particularistischen Landespartei.
Wenigstens für die jetzige Generation ist es nicht wohl denkbar, daß sie jemals zur
Staatsregierung Vertrauen fasse, so lange diese aus die Führer jener Partei sich
stützt, welche das Zutrauen der Bevölkerung während der langjährigen dänischen
Unterdrückung verscherzt haben, welche nach der Ansicht des ganzen Landes abge¬
storben sind für die deutsche Entwickelung Schleswig-Holsteins. Möge man dies
an maßgebender Stelle beherzigen! In der That ist es unerfreulich, dies Land,
dessen hochbegabte und intelligente Bevölkerung einer so reichen politischen
Entwickelung fähig wäre, in dumpfer Jsolirung gegenüber der großen Ent-


genannte „Freitagsclub" ein Verein preußisch-gesinnter Bürger, der ohnehin
bisher wenig Leben kundgegeben, nunmehr gänzlich eingegangen ist.

So ist denn die Preußen zugewandte Partei in voller Auflösung be¬
griffen. Dagegen die particularistische Partei steht wohlorganisirt da, mäch¬
tiger und geschlossener denn je. Merkwürdig genug! War doch als die
augustenburgische Partei inmitten des Jahres 1866 darnieder lag, ihrer be¬
deutendsten Führer beraubt, befangen in den Dogmen des alleinseligmachen¬
den Erbrechts, gegründete Aussicht vorhanden, daß unter der Einwirkung
großartiger und vortheilhafter Verbesserungen die Partei zerspalten, daß zahl¬
reiche neue Gegenstände des staatlichen Wirkens auch neue Ansichten, verän¬
derte Gruppirungen hervorrufen würden. Gerade in Schleswig-Holstein war
dies mit Bestimmtheit zu erwarten, wo ja die Wortführer der particularisti-
schen Partei selbst nicht leugnen können, daß die einfache Ausdehnung der
altländischen Institutionen uns gegenüber dem Bisherigen, von dessen UnHalt¬
barkeit Alle überzeugt waren, wesentlich gefördert hat. Nichtsdestoweniger
ist es gelungen, das Gros der ehemaligen augustenburgischen Partei als
negirende, einseitig particularistische Partei wieder völlig zu reorganisiren.
Das brauchbarste Material zu dieser Reorganisation haben die sogenannten
„Kampfgenossenvereine" geliefert, welche, als die eigentlichen Heerde des spe¬
cifisch Schleswig-holsteinischen Nationalstolzes immer schon von politischer Be¬
deutung, die ihrer Zeit so bekannten im Juni 1866 aufgehobenen schleswig¬
holsteinischen Vereine" vollständig ersetzt haben. Der schwache Versuch
einiger rendsburger Patrioten, bei der letzten Landtagswahl sich als äußerste
democratische Partei aus dem Gros der „Landespartei" abzutrennen, verlief
resultatlos im Sande. Freilich ist dies minder überraschend, als daß die
conservativen Elemente des städtischen Mittelstandes, welche kürzlich mit Pe¬
titionen wider die Gewerbefreiheit hervortraten, ihre Parteifreunde in den
alten Provinzen noch nicht erkannt haben.

Das Hinderniß der Versöhnung mit der preußischen Herrschaft ist die
sogenannte „gesammtstaatliche" Partei, welche zwischen der Regierung und' der
Bevölkerung als unübersteigliche Schranke gestellt ist; ihre Begünstigung durch
die Regierung wird das feste Bindemittel der particularistischen Landespartei.
Wenigstens für die jetzige Generation ist es nicht wohl denkbar, daß sie jemals zur
Staatsregierung Vertrauen fasse, so lange diese aus die Führer jener Partei sich
stützt, welche das Zutrauen der Bevölkerung während der langjährigen dänischen
Unterdrückung verscherzt haben, welche nach der Ansicht des ganzen Landes abge¬
storben sind für die deutsche Entwickelung Schleswig-Holsteins. Möge man dies
an maßgebender Stelle beherzigen! In der That ist es unerfreulich, dies Land,
dessen hochbegabte und intelligente Bevölkerung einer so reichen politischen
Entwickelung fähig wäre, in dumpfer Jsolirung gegenüber der großen Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/196>, abgerufen am 15.01.2025.