Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.für die Gegenwart meistens noch zutreffendes Bild. Dazu die künstliche, Nur offene Unbilligkeit könnte es leugnen, daß die Staatsregierung das Anstatt des Dankes erntet die Regierung bei den Wahlen Niederlage auf für die Gegenwart meistens noch zutreffendes Bild. Dazu die künstliche, Nur offene Unbilligkeit könnte es leugnen, daß die Staatsregierung das Anstatt des Dankes erntet die Regierung bei den Wahlen Niederlage auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117727"/> <p xml:id="ID_605" prev="#ID_604"> für die Gegenwart meistens noch zutreffendes Bild. Dazu die künstliche,<lb/> geflissentliche Absperrung des Landes von dem übrigen Deutschland unter der<lb/> dänischen Fremdherrschaft, deshalb ein familienhaster Zusammenhalt der ein¬<lb/> geborenen deutschen Bevölkerung, die enge Verschwisterung zahlreicher land¬<lb/> schaftlicher und höchstpersönlicher Interessen mit jedwedem wurmstichigen Ge-<lb/> räthe und Winkelchen des mittelalterlichen Staatsgebäudes; fürwahr, es ist<lb/> kein Wunder, wenn das Land, aus dem gemüthlichen Fürsichsein mitten in<lb/> das mächtige und reichentwickelte Leben des Großstaates hineingerissen, über¬<lb/> schüttet mit unbekannten Gesetzen, ungewohnten Einrichtungen, sich oft wun¬<lb/> derlich und widerhaarig geberdet. Gewiß ist Schleswig-Holstein eine schwere<lb/> Aufgabe für die preußischen Staatslenker; um so leichter waren für sie die<lb/> Fehlgriffe. Aber auch um so störender in den schwierigen und verworrenen<lb/> Verhältnissen selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_606"> Nur offene Unbilligkeit könnte es leugnen, daß die Staatsregierung das<lb/> Wohl der Herzogtümer sich ernstlich hat angelegen sein lassen, daß die ein»<lb/> geführten zahlreichen und umfassenden Verbesserungen sast durchweg wirkliche<lb/> Verbesserungen, gegen den bisherigen unleidlichen Zustand der Gesetzgebung<lb/> und Verwaltung positive, weite Fortschritte gewesen sind, mag auch das<lb/> eine oder andere politische Ideal der Verwirklichung entbehren. Um so unver¬<lb/> ständlicher ist es, daß die Stimmung der Bevölkerung in den Herzogtümern<lb/> sich so gar nicht gebessert hat, daß sie vielmehr verstockt und übelwollend ge¬<lb/> blieben ist, wie vordem. Selbst wenn wir ein gut Theil davon dem eingangs<lb/> geschilderten Unbequemen und Lästigen des Neuen, oder der bloßen Unbe-<lb/> kanntschaft mit den Vortheilen desselben zurechnen, eine ebenso auffällige<lb/> wie betrübende Erscheinung.</p><lb/> <p xml:id="ID_607" next="#ID_608"> Anstatt des Dankes erntet die Regierung bei den Wahlen Niederlage auf<lb/> Niederlage, und stets mit denselben erdrückenden Majoritäten. Bei der ersten<lb/> und zweiten Neichstagswahl, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus immer<lb/> dasselbe Verhältniß. Am 7. April d. I. war Senatorwahl in Altona, zu welcher,<lb/> der Bürgerworthalter Ad. Meyer, ein um die städtischen Interessen Altonas<lb/> hochverdienter Mann, sich gemeldet hatte. Ueber ihn als Preußischgesinnten<lb/> trug der particularistische Reichstagsabgeordnete Dr. Schleiden mit überwie¬<lb/> gender Majorität den Sieg davon. Dasselbe Resultat lieferte die Wahl eines<lb/> deputirten Bürgers in Kiel am 31. März d. I. Hier unterlag der Kauf-<lb/> Mann Haack, ebenfalls ein langjähriges Mitglied des Deputirtencollegiums, schon<lb/> im vorigen Jahre wegen Verdachts preußischer Sympathien daraus ver¬<lb/> stoßen, auch diesmal und zwar gegen den bekannten Landtagsabgeordneten<lb/> Dr. Ahlmann. Herr Ad. Meyer hat infolge seiner NichtWahl seinen altonaer<lb/> Bürgerbrief zurückgegeben, und sich damit der öffentlichen Wirksamkeit völlig<lb/> entzogen; die Niederlage des Anderen in Kiel hatte zur Folge, daß der so-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
für die Gegenwart meistens noch zutreffendes Bild. Dazu die künstliche,
geflissentliche Absperrung des Landes von dem übrigen Deutschland unter der
dänischen Fremdherrschaft, deshalb ein familienhaster Zusammenhalt der ein¬
geborenen deutschen Bevölkerung, die enge Verschwisterung zahlreicher land¬
schaftlicher und höchstpersönlicher Interessen mit jedwedem wurmstichigen Ge-
räthe und Winkelchen des mittelalterlichen Staatsgebäudes; fürwahr, es ist
kein Wunder, wenn das Land, aus dem gemüthlichen Fürsichsein mitten in
das mächtige und reichentwickelte Leben des Großstaates hineingerissen, über¬
schüttet mit unbekannten Gesetzen, ungewohnten Einrichtungen, sich oft wun¬
derlich und widerhaarig geberdet. Gewiß ist Schleswig-Holstein eine schwere
Aufgabe für die preußischen Staatslenker; um so leichter waren für sie die
Fehlgriffe. Aber auch um so störender in den schwierigen und verworrenen
Verhältnissen selbst.
Nur offene Unbilligkeit könnte es leugnen, daß die Staatsregierung das
Wohl der Herzogtümer sich ernstlich hat angelegen sein lassen, daß die ein»
geführten zahlreichen und umfassenden Verbesserungen sast durchweg wirkliche
Verbesserungen, gegen den bisherigen unleidlichen Zustand der Gesetzgebung
und Verwaltung positive, weite Fortschritte gewesen sind, mag auch das
eine oder andere politische Ideal der Verwirklichung entbehren. Um so unver¬
ständlicher ist es, daß die Stimmung der Bevölkerung in den Herzogtümern
sich so gar nicht gebessert hat, daß sie vielmehr verstockt und übelwollend ge¬
blieben ist, wie vordem. Selbst wenn wir ein gut Theil davon dem eingangs
geschilderten Unbequemen und Lästigen des Neuen, oder der bloßen Unbe-
kanntschaft mit den Vortheilen desselben zurechnen, eine ebenso auffällige
wie betrübende Erscheinung.
Anstatt des Dankes erntet die Regierung bei den Wahlen Niederlage auf
Niederlage, und stets mit denselben erdrückenden Majoritäten. Bei der ersten
und zweiten Neichstagswahl, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus immer
dasselbe Verhältniß. Am 7. April d. I. war Senatorwahl in Altona, zu welcher,
der Bürgerworthalter Ad. Meyer, ein um die städtischen Interessen Altonas
hochverdienter Mann, sich gemeldet hatte. Ueber ihn als Preußischgesinnten
trug der particularistische Reichstagsabgeordnete Dr. Schleiden mit überwie¬
gender Majorität den Sieg davon. Dasselbe Resultat lieferte die Wahl eines
deputirten Bürgers in Kiel am 31. März d. I. Hier unterlag der Kauf-
Mann Haack, ebenfalls ein langjähriges Mitglied des Deputirtencollegiums, schon
im vorigen Jahre wegen Verdachts preußischer Sympathien daraus ver¬
stoßen, auch diesmal und zwar gegen den bekannten Landtagsabgeordneten
Dr. Ahlmann. Herr Ad. Meyer hat infolge seiner NichtWahl seinen altonaer
Bürgerbrief zurückgegeben, und sich damit der öffentlichen Wirksamkeit völlig
entzogen; die Niederlage des Anderen in Kiel hatte zur Folge, daß der so-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |