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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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tollen", dem "Denuncianten von Lemberg", dem "entlarvten Betrüger von
Warschau", dem "Sträfling von Czenstochau", dem "Mystagogen von Brünn"
-- und gibt hiermit die Summe der charakteristischen Titel aus den einzelnen
Hauptstücken des vielbewegten Lebens seines sonderbaren Helden. Wir wollen
die verschiedenen Kapitel nach dieser Anleitung kurz skizziren

Der Name Frank oder, wie er in den Berichten des päpstlichen Nuntius
Serra lautet, Freut, ist nicht der urei'gene seines Trägers gewesen, sondern
ihm erst infolge seines Aufenthaltes in der Türkei zu Theil geworden. Sein
eigentlicher Name war Jankiew Lejbowicz oder Lebowicz, das heißt: Jakob,
Sohn des Leib. Sein Geburtsland war das südliche Galizien - es werden
die Orte Korolowka und Buczaez genannt --; als sein Geburtsjahr wird
von den einen 1712, von andern 1723, auch 1728 angegeben- Er selbst
wußte später seine Geburt mit dem Nimbus des Wunders zu umhüllen.

Noch in seinem Knabenalter kam Lejbowicz nach Czernowitz in der
Bukowina, von da nach Bukarest und Nikopolis, wo er sich verhei-
rathete. In Salonichi wurde er später mit den Sabbatianern bekannt,
den Anhängern des Smyrnäer Pfeudomessias Sabbatai Zewi, der sich im
Jahre 1666 als Erlöser offenbart und nach seinem Tode seinen Schwager
Jakob Quevido sowie dessen Sohn Berechja zu Nachfolgern in der Leitung
seiner Secte erhalten hatte, die, als sie äußerlich die mohamedanische Re¬
ligion annahm, von den Juden den Namen "Donmäh", d. h. Abtrünnige,
erhielt. Diese Sectirer hielten das kabbalistische Grundbuch, den Sohar,
in höchstem Ansehen und nahmen eine eigeye Art von Trinität an: die höchste
Ursache oder den "heiligen Uralten", dann den Gott Israels oder den "heiligen
König" -- den sie mit ihrem Messias identificirten -- und die weibliche
Ergänzung zu letzterem, die "Schechina" oder "Matronita." -- Es erscheint,
unnöthig, die verworrene Lehre der "Donmäh" im einzelnen zu analysiren;
für unsern Zweck ist nur zu bemerken, daß sich eine ähnliche Secte
sporadisch in Polen gebildet hatte. Da diesen sogenannten podolischen Sabba¬
tianern ein anerkanntes Haupt fehlte, und unter den polnischen Juden infolge
der Lehren eines aus Hamburg unter sie verschlagenen Oberrabbiners Eibe¬
schütz eine Spaltung ausgebrochen war, so hielt Frank die Umstände für
günstig, sich zum Führer der Sabbatianer in Podolien aufzuwerfen. Er gab
sich als den durch Metempsychose wiedergeborenen Messias Berachja aus und
gewann die polnischen Sectirer für sich, sodaß sie ihn als die fleischgewordene
Gottheit anerkannten. Auch die notabelste podolische Sectirerfamilie Schor-
Wolowskt trat auf seine Seite, und seine Herrschaft schien aufs beste be¬
gründet.

Eine Überraschung solcher sabbatianisch-fränkischer Sectirer bei einer
orgiastischen Feier in einem podolischen Städtchen führte deren Ent-


tollen", dem „Denuncianten von Lemberg", dem „entlarvten Betrüger von
Warschau", dem „Sträfling von Czenstochau", dem „Mystagogen von Brünn"
— und gibt hiermit die Summe der charakteristischen Titel aus den einzelnen
Hauptstücken des vielbewegten Lebens seines sonderbaren Helden. Wir wollen
die verschiedenen Kapitel nach dieser Anleitung kurz skizziren

Der Name Frank oder, wie er in den Berichten des päpstlichen Nuntius
Serra lautet, Freut, ist nicht der urei'gene seines Trägers gewesen, sondern
ihm erst infolge seines Aufenthaltes in der Türkei zu Theil geworden. Sein
eigentlicher Name war Jankiew Lejbowicz oder Lebowicz, das heißt: Jakob,
Sohn des Leib. Sein Geburtsland war das südliche Galizien - es werden
die Orte Korolowka und Buczaez genannt —; als sein Geburtsjahr wird
von den einen 1712, von andern 1723, auch 1728 angegeben- Er selbst
wußte später seine Geburt mit dem Nimbus des Wunders zu umhüllen.

Noch in seinem Knabenalter kam Lejbowicz nach Czernowitz in der
Bukowina, von da nach Bukarest und Nikopolis, wo er sich verhei-
rathete. In Salonichi wurde er später mit den Sabbatianern bekannt,
den Anhängern des Smyrnäer Pfeudomessias Sabbatai Zewi, der sich im
Jahre 1666 als Erlöser offenbart und nach seinem Tode seinen Schwager
Jakob Quevido sowie dessen Sohn Berechja zu Nachfolgern in der Leitung
seiner Secte erhalten hatte, die, als sie äußerlich die mohamedanische Re¬
ligion annahm, von den Juden den Namen „Donmäh", d. h. Abtrünnige,
erhielt. Diese Sectirer hielten das kabbalistische Grundbuch, den Sohar,
in höchstem Ansehen und nahmen eine eigeye Art von Trinität an: die höchste
Ursache oder den „heiligen Uralten", dann den Gott Israels oder den „heiligen
König" — den sie mit ihrem Messias identificirten — und die weibliche
Ergänzung zu letzterem, die „Schechina" oder „Matronita." — Es erscheint,
unnöthig, die verworrene Lehre der „Donmäh" im einzelnen zu analysiren;
für unsern Zweck ist nur zu bemerken, daß sich eine ähnliche Secte
sporadisch in Polen gebildet hatte. Da diesen sogenannten podolischen Sabba¬
tianern ein anerkanntes Haupt fehlte, und unter den polnischen Juden infolge
der Lehren eines aus Hamburg unter sie verschlagenen Oberrabbiners Eibe¬
schütz eine Spaltung ausgebrochen war, so hielt Frank die Umstände für
günstig, sich zum Führer der Sabbatianer in Podolien aufzuwerfen. Er gab
sich als den durch Metempsychose wiedergeborenen Messias Berachja aus und
gewann die polnischen Sectirer für sich, sodaß sie ihn als die fleischgewordene
Gottheit anerkannten. Auch die notabelste podolische Sectirerfamilie Schor-
Wolowskt trat auf seine Seite, und seine Herrschaft schien aufs beste be¬
gründet.

Eine Überraschung solcher sabbatianisch-fränkischer Sectirer bei einer
orgiastischen Feier in einem podolischen Städtchen führte deren Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/190>, abgerufen am 15.01.2025.