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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Der sogenannte Baron Frank.

Der im Jahre 1791 in Offenbach verstorbene "Baron von Frank" und
seine 1817 in derselben Stadt spurlos verschwundene Tochter sind schon früher
von einzelnen Schriftstellern als Abenteurer, wohl auch als religiöse Fanatiker
bezeichnet worden; indessen hat der fürstliche Glanz, mit welchem beide Persön¬
lichkeiten sich längere Zeit hindurch zu umgeben wußten, in Verbindung mit
der Wohlthätigkeit, mit der sie als Gebieter einer polnischen Hofhaltung in der
Mainstadt auftraten, soviel Glanz um die mysteriösen Gestalten verbreitet, daß
die Erinnerung an dieselben, trotz ihrer zahlreichen unberichtigt hinterlassenen
Schulden, an Ort und Stelle eine günstige verblieb, ja die romantischen
Glorificationen des "heiligen Herrn" und der angeblichen "Romanowna",
wie sie noch in den letzten Jahren (in dem Roman August Beckers: "des
Radde Vermächtniß", in der "Gartenlaube", und in Schenk-Rincks Schrift:
"Die Polen in Offenbach", Frankfurt a. M. 1866) ans Licht traten, fanden
gläubige Leser.

Die völlige Erkenntniß des wahren Franks und seiner Genossen¬
schaft ist auch erst seit ein paar Jahren möglich geworden, nachdem der
fleißige Archivar des päpstlichen Hofes, Dr. Augustin Theiner, in einem Fas¬
cikel der vaticanischen Kanzlei eine Anzahl authentischer Aktenstücke gefunden, die
ein grelles Licht auf das Treiben Franks und seiner Anhänger werfen, und seit
ein achtungswerther polnischer Gelehrter, Dr. F. Hippolyt Skimborowicz in
Warschau, auf Grund zeitgenössischer Quellen eine Monographie über "Leben,
Ende und Lehre des Jakob Joseph Frank" (Warschau 1866, in polnischer
Sprache) herausgegeben hat, welche die meist von geistlicher Seite, nämlich
von dem römischen Nuntius in Warschau zu Franks Zeiten, herrührenden
Aktenstücke Theiners durch zuverlässige Mittheilungen von polnischer Seite
ergänzt. Ein Professor am jüdisch-theologischen Seminar zu Breslau, Dr.
H. Grätz, hat sich das Verdienst erworben, in einer für den neuesten
Jahresbericht der genannten Gelehrtenanstalt geschriebenen Abhandlung:
"Frank und die Frankisten, eine Seelengeschichte aus der letzten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts", die Resultate der Skimborowicz'schen und Theiner'-
schen Darstellungen kritisch zusammenzufassen.

Dr. Grätz bezeichnet an einer rückblickenden Stelle seines Werkes den
"Baron von Frank in Offenbach" nach seinen früheren Lebensstellungen
als identisch mit dem "Bochur Jankiew Lejbowicz aus Galizien" dem "sab-
batianischen Seetirer von Salonichi und Nikopolis", dem "Messias von Po-


Grenzboten II. 1868. . 24
Der sogenannte Baron Frank.

Der im Jahre 1791 in Offenbach verstorbene „Baron von Frank" und
seine 1817 in derselben Stadt spurlos verschwundene Tochter sind schon früher
von einzelnen Schriftstellern als Abenteurer, wohl auch als religiöse Fanatiker
bezeichnet worden; indessen hat der fürstliche Glanz, mit welchem beide Persön¬
lichkeiten sich längere Zeit hindurch zu umgeben wußten, in Verbindung mit
der Wohlthätigkeit, mit der sie als Gebieter einer polnischen Hofhaltung in der
Mainstadt auftraten, soviel Glanz um die mysteriösen Gestalten verbreitet, daß
die Erinnerung an dieselben, trotz ihrer zahlreichen unberichtigt hinterlassenen
Schulden, an Ort und Stelle eine günstige verblieb, ja die romantischen
Glorificationen des „heiligen Herrn" und der angeblichen „Romanowna",
wie sie noch in den letzten Jahren (in dem Roman August Beckers: „des
Radde Vermächtniß", in der „Gartenlaube", und in Schenk-Rincks Schrift:
„Die Polen in Offenbach", Frankfurt a. M. 1866) ans Licht traten, fanden
gläubige Leser.

Die völlige Erkenntniß des wahren Franks und seiner Genossen¬
schaft ist auch erst seit ein paar Jahren möglich geworden, nachdem der
fleißige Archivar des päpstlichen Hofes, Dr. Augustin Theiner, in einem Fas¬
cikel der vaticanischen Kanzlei eine Anzahl authentischer Aktenstücke gefunden, die
ein grelles Licht auf das Treiben Franks und seiner Anhänger werfen, und seit
ein achtungswerther polnischer Gelehrter, Dr. F. Hippolyt Skimborowicz in
Warschau, auf Grund zeitgenössischer Quellen eine Monographie über „Leben,
Ende und Lehre des Jakob Joseph Frank" (Warschau 1866, in polnischer
Sprache) herausgegeben hat, welche die meist von geistlicher Seite, nämlich
von dem römischen Nuntius in Warschau zu Franks Zeiten, herrührenden
Aktenstücke Theiners durch zuverlässige Mittheilungen von polnischer Seite
ergänzt. Ein Professor am jüdisch-theologischen Seminar zu Breslau, Dr.
H. Grätz, hat sich das Verdienst erworben, in einer für den neuesten
Jahresbericht der genannten Gelehrtenanstalt geschriebenen Abhandlung:
„Frank und die Frankisten, eine Seelengeschichte aus der letzten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts", die Resultate der Skimborowicz'schen und Theiner'-
schen Darstellungen kritisch zusammenzufassen.

Dr. Grätz bezeichnet an einer rückblickenden Stelle seines Werkes den
„Baron von Frank in Offenbach" nach seinen früheren Lebensstellungen
als identisch mit dem „Bochur Jankiew Lejbowicz aus Galizien" dem „sab-
batianischen Seetirer von Salonichi und Nikopolis", dem „Messias von Po-


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[0189] Der sogenannte Baron Frank. Der im Jahre 1791 in Offenbach verstorbene „Baron von Frank" und seine 1817 in derselben Stadt spurlos verschwundene Tochter sind schon früher von einzelnen Schriftstellern als Abenteurer, wohl auch als religiöse Fanatiker bezeichnet worden; indessen hat der fürstliche Glanz, mit welchem beide Persön¬ lichkeiten sich längere Zeit hindurch zu umgeben wußten, in Verbindung mit der Wohlthätigkeit, mit der sie als Gebieter einer polnischen Hofhaltung in der Mainstadt auftraten, soviel Glanz um die mysteriösen Gestalten verbreitet, daß die Erinnerung an dieselben, trotz ihrer zahlreichen unberichtigt hinterlassenen Schulden, an Ort und Stelle eine günstige verblieb, ja die romantischen Glorificationen des „heiligen Herrn" und der angeblichen „Romanowna", wie sie noch in den letzten Jahren (in dem Roman August Beckers: „des Radde Vermächtniß", in der „Gartenlaube", und in Schenk-Rincks Schrift: „Die Polen in Offenbach", Frankfurt a. M. 1866) ans Licht traten, fanden gläubige Leser. Die völlige Erkenntniß des wahren Franks und seiner Genossen¬ schaft ist auch erst seit ein paar Jahren möglich geworden, nachdem der fleißige Archivar des päpstlichen Hofes, Dr. Augustin Theiner, in einem Fas¬ cikel der vaticanischen Kanzlei eine Anzahl authentischer Aktenstücke gefunden, die ein grelles Licht auf das Treiben Franks und seiner Anhänger werfen, und seit ein achtungswerther polnischer Gelehrter, Dr. F. Hippolyt Skimborowicz in Warschau, auf Grund zeitgenössischer Quellen eine Monographie über „Leben, Ende und Lehre des Jakob Joseph Frank" (Warschau 1866, in polnischer Sprache) herausgegeben hat, welche die meist von geistlicher Seite, nämlich von dem römischen Nuntius in Warschau zu Franks Zeiten, herrührenden Aktenstücke Theiners durch zuverlässige Mittheilungen von polnischer Seite ergänzt. Ein Professor am jüdisch-theologischen Seminar zu Breslau, Dr. H. Grätz, hat sich das Verdienst erworben, in einer für den neuesten Jahresbericht der genannten Gelehrtenanstalt geschriebenen Abhandlung: „Frank und die Frankisten, eine Seelengeschichte aus der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts", die Resultate der Skimborowicz'schen und Theiner'- schen Darstellungen kritisch zusammenzufassen. Dr. Grätz bezeichnet an einer rückblickenden Stelle seines Werkes den „Baron von Frank in Offenbach" nach seinen früheren Lebensstellungen als identisch mit dem „Bochur Jankiew Lejbowicz aus Galizien" dem „sab- batianischen Seetirer von Salonichi und Nikopolis", dem „Messias von Po- Grenzboten II. 1868. . 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/189>, abgerufen am 15.01.2025.