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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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wie diese großartige, in alle Lebensverhältnisse der Völker tief eingreifende
Erfindung der Neuzeit zu einer großen Zukunft berufen ist. Monopole
sind aber immer nur gerechtfertigt, wenn ein allgemeines Interesse durch sie
gefördert, einem allgemeinen Bedürfnisse genügt wird. Dieses Ziel wird
von den Eisenbahnen nur durch regelmäßigen und billigen Transport von
Menschen und Gütern erreicht. Daß der Betrieb dieser Bedingung im voll¬
sten Maße entspreche, ist eine der Verpflichtungen, welche den Gesellschaften
obliegen und deren sie sich nicht entziehen können, ohne ihre Ansprüche
auf das Monopol zu verlieren.

Fast allgemein sind in Deutschland in den letzten Jahren die Klagen
laut geworden über die Höhe der Transportkosten, über die nur scheinbare
Garantie, welche die Eisenbahnen dem Handelsstande für die rechtzeitige Ab¬
lieferung der Güter gewähren, welche ihnen anvertraut wurden. Ebenso
häufig waren die Klagen wegen der in den selbstgeschaffenen Reglements her¬
vortretenden völligen Umkehrung der privatrechtlichen Grundsätze über die
Haftung des Frachtführers für Verluste und Beschädigungen.

Die meisten deutschen Handelskammern haben in dieser Hinsicht die
gleichen Beschwerden erhoben. Es macht einen höchst peinlichen Eindruck,
wenn man in einer Zeit, wo das alte Frachtfuhrwesen in nebelgrauer Ferne
zu liegen scheint, in dem Berichte einer deutschen Handelskammer (der Stutt-
garter) das nachfolgende Bekenntniß liest:

..Zu wiederholten Klagen gaben auch im verflossenen Jahre die Trans¬
portverzögerungen im mitteldeutschen Eisenbahnverbande Anlaß. Es sind
Fälle zu unserer Kenntniß gebracht worden, welche es begreiflich machen,
wenn die Geschäftsleute häufig die Geschwindigkeit und die Garantie des
alten Frachtfuhrwesens zurückwünschen."

Die Klagen des Handelsstandes gegen die Eisenbahnverwaltungen treffen
vor Allem die Höhe der Transportkosten und die Differenzialfrachten. Die
Völker der Erde befinden sich in einer Epoche des rührigsten Wettkampfes,
der mehr und mehr auch auf die Eisenbahnverwaltungen Deutschlands sich
ausdehnen und sie veranlassen muß, alles zu beseitigen, was den siegreichen
Erfolg der Theilnahme unseres Volks an dem allgemeinen Turnier erschweren
oder gar hemmen könnte.

Zu solchen Hemmungen des Verkehrs gehören vor allem die über¬
großen Differenzialfrachten. Wie ein Staat seine Eisenbahnen dazu be¬
nutzen kann, um auf Kosten des übrigen Volksvermögens einzelne Orte
SU begünstigen, ebenso kann er auch mit derselben Waffe andere Gegenden
geflissentlich benachtheiligen. Ein System von Differenzialfrachren kann
einen von der Natur auserlesenen und durch jahrelange Entwickelung empor-
geblühten Handel geradezu 'zurückbringen, aus gewissen Gegenden vollständig


wie diese großartige, in alle Lebensverhältnisse der Völker tief eingreifende
Erfindung der Neuzeit zu einer großen Zukunft berufen ist. Monopole
sind aber immer nur gerechtfertigt, wenn ein allgemeines Interesse durch sie
gefördert, einem allgemeinen Bedürfnisse genügt wird. Dieses Ziel wird
von den Eisenbahnen nur durch regelmäßigen und billigen Transport von
Menschen und Gütern erreicht. Daß der Betrieb dieser Bedingung im voll¬
sten Maße entspreche, ist eine der Verpflichtungen, welche den Gesellschaften
obliegen und deren sie sich nicht entziehen können, ohne ihre Ansprüche
auf das Monopol zu verlieren.

Fast allgemein sind in Deutschland in den letzten Jahren die Klagen
laut geworden über die Höhe der Transportkosten, über die nur scheinbare
Garantie, welche die Eisenbahnen dem Handelsstande für die rechtzeitige Ab¬
lieferung der Güter gewähren, welche ihnen anvertraut wurden. Ebenso
häufig waren die Klagen wegen der in den selbstgeschaffenen Reglements her¬
vortretenden völligen Umkehrung der privatrechtlichen Grundsätze über die
Haftung des Frachtführers für Verluste und Beschädigungen.

Die meisten deutschen Handelskammern haben in dieser Hinsicht die
gleichen Beschwerden erhoben. Es macht einen höchst peinlichen Eindruck,
wenn man in einer Zeit, wo das alte Frachtfuhrwesen in nebelgrauer Ferne
zu liegen scheint, in dem Berichte einer deutschen Handelskammer (der Stutt-
garter) das nachfolgende Bekenntniß liest:

..Zu wiederholten Klagen gaben auch im verflossenen Jahre die Trans¬
portverzögerungen im mitteldeutschen Eisenbahnverbande Anlaß. Es sind
Fälle zu unserer Kenntniß gebracht worden, welche es begreiflich machen,
wenn die Geschäftsleute häufig die Geschwindigkeit und die Garantie des
alten Frachtfuhrwesens zurückwünschen."

Die Klagen des Handelsstandes gegen die Eisenbahnverwaltungen treffen
vor Allem die Höhe der Transportkosten und die Differenzialfrachten. Die
Völker der Erde befinden sich in einer Epoche des rührigsten Wettkampfes,
der mehr und mehr auch auf die Eisenbahnverwaltungen Deutschlands sich
ausdehnen und sie veranlassen muß, alles zu beseitigen, was den siegreichen
Erfolg der Theilnahme unseres Volks an dem allgemeinen Turnier erschweren
oder gar hemmen könnte.

Zu solchen Hemmungen des Verkehrs gehören vor allem die über¬
großen Differenzialfrachten. Wie ein Staat seine Eisenbahnen dazu be¬
nutzen kann, um auf Kosten des übrigen Volksvermögens einzelne Orte
SU begünstigen, ebenso kann er auch mit derselben Waffe andere Gegenden
geflissentlich benachtheiligen. Ein System von Differenzialfrachren kann
einen von der Natur auserlesenen und durch jahrelange Entwickelung empor-
geblühten Handel geradezu 'zurückbringen, aus gewissen Gegenden vollständig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/17>, abgerufen am 15.01.2025.