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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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kaufen und darf wiederum nicht den Meistbietenden vorziehen, sondern die
Regierung kommt und fixirt den Preis. Und ein derartiges System, das
nach allen Seiten aus unübersteigliche Schwierigkeiten stößt, sollte die Bevöl¬
kerung zufrieden und loyal machen? Im Gegentheil, aller Haß würde sich
gegen die Regierung wenden, die zudem der einzige große Grundherr von
Irland sein würde und damit zu beginnen hätte, ein ungeheures Anlehen
aufzunehmen, um die gegenwärtigen Eigenthümer auszulaufen! Wir glauben,
diese Erwägungen zeigen sattsam, wie ungeheuerlich das Project des eng¬
lischen Philosophen ist und wollen schließlich nur noch bemerken, daß es von
der krassesten Unwissenheit über deutsche Verhältnisse zeugt, wenn er behaup¬
tet, die Ausführung seiner Pläne würde für Irland dasselbe leisten, was die
Stein-Hardenberg'sche Agrargesetzgebung für Preußen gethan. Auch der ge¬
mäßigtere Vorschlag, überall zwangsweise lange Zeitpachten (tixii^ ot tenure)
einzuführen, würde den Zustand nicht verbessern, denn wie der irische Pächter
einmal ist, so würde er das nur benutzen, um in den ersten Jahren den Boden
auszusaugen und sich hernach bankerott erklären; es ist notorisch, daß die in
langer Gutpachtung stehenden Farms grade die schlechtest bewirthschafteten
sind. Nothwendig dagegen erscheint es, wirklich sorgfältigen Pächtern, welche
bis jetzt die Ausnahme bilden, eine Sicherheit zu geben, daß, wenn sie ihr
Capital zu Verbesserungen benutzen, entweder die Pacht lange genug dauern
soll, um ihnen hinreichenden Ertrag sür ihre Aufwendungen zu geben, oder
angemessenen Ersatz, falls der Grundherr sie plötzlich entläßt. Bis jetzt ist
aber in Ermangelung eines schriftlichen Contractes die xraesuwtio Mris gegen
eine solche Entschädigung. Wenn ein Pächter ein Haus für 500 Pfd. Sterl.
Laut, so kann der Eigenthümer ihn gleich hernach entlassen und das Haus
für sich nehmen. Offenbar wäre es billig, diese Präsumtion zu Gunsten des
Pächters für den Fall der Eviction umzukehren, denn dann würde der Grund¬
herr, um nicht in Nachtheil zu kommen, auf schriftliche Contracte drängen,
deren Mangel die Quelle der meisten Streitigkeiten ist. Ein fernerer Schritt
zur Beseitigung des Uebelstandes wäre, wenn der Pächter Ersatz für seine
Verbesserungen erhalten müßte, sobald er den Eigenthümer vorher in gericht¬
licher Form davon benachrichtigt und dieser nicht widersprochen hätte. Auf
diese Weise würde größere Stetigkeit in die Verhältnisse kommen und mehr
und mehr freiwillige, feste und längere Pachtungen (Isases) die Regel wer¬
den. Lord Mayo hat versprochen, eine Bill einzubringen, welche in diesem
Sinne Verbesserungen herbeiführen soll, gab aber wenig nähere Andeu¬
tungen über deren Tragweite und seine fernere Erklärung, daß über das Ver¬
hältniß von Grundherrn und Pächtern in Irland noch erst weitere Ermitt¬
lungen angestellt werden müßten, wurde von der Opposition mit ironischen
Cheers aufgenommen.


kaufen und darf wiederum nicht den Meistbietenden vorziehen, sondern die
Regierung kommt und fixirt den Preis. Und ein derartiges System, das
nach allen Seiten aus unübersteigliche Schwierigkeiten stößt, sollte die Bevöl¬
kerung zufrieden und loyal machen? Im Gegentheil, aller Haß würde sich
gegen die Regierung wenden, die zudem der einzige große Grundherr von
Irland sein würde und damit zu beginnen hätte, ein ungeheures Anlehen
aufzunehmen, um die gegenwärtigen Eigenthümer auszulaufen! Wir glauben,
diese Erwägungen zeigen sattsam, wie ungeheuerlich das Project des eng¬
lischen Philosophen ist und wollen schließlich nur noch bemerken, daß es von
der krassesten Unwissenheit über deutsche Verhältnisse zeugt, wenn er behaup¬
tet, die Ausführung seiner Pläne würde für Irland dasselbe leisten, was die
Stein-Hardenberg'sche Agrargesetzgebung für Preußen gethan. Auch der ge¬
mäßigtere Vorschlag, überall zwangsweise lange Zeitpachten (tixii^ ot tenure)
einzuführen, würde den Zustand nicht verbessern, denn wie der irische Pächter
einmal ist, so würde er das nur benutzen, um in den ersten Jahren den Boden
auszusaugen und sich hernach bankerott erklären; es ist notorisch, daß die in
langer Gutpachtung stehenden Farms grade die schlechtest bewirthschafteten
sind. Nothwendig dagegen erscheint es, wirklich sorgfältigen Pächtern, welche
bis jetzt die Ausnahme bilden, eine Sicherheit zu geben, daß, wenn sie ihr
Capital zu Verbesserungen benutzen, entweder die Pacht lange genug dauern
soll, um ihnen hinreichenden Ertrag sür ihre Aufwendungen zu geben, oder
angemessenen Ersatz, falls der Grundherr sie plötzlich entläßt. Bis jetzt ist
aber in Ermangelung eines schriftlichen Contractes die xraesuwtio Mris gegen
eine solche Entschädigung. Wenn ein Pächter ein Haus für 500 Pfd. Sterl.
Laut, so kann der Eigenthümer ihn gleich hernach entlassen und das Haus
für sich nehmen. Offenbar wäre es billig, diese Präsumtion zu Gunsten des
Pächters für den Fall der Eviction umzukehren, denn dann würde der Grund¬
herr, um nicht in Nachtheil zu kommen, auf schriftliche Contracte drängen,
deren Mangel die Quelle der meisten Streitigkeiten ist. Ein fernerer Schritt
zur Beseitigung des Uebelstandes wäre, wenn der Pächter Ersatz für seine
Verbesserungen erhalten müßte, sobald er den Eigenthümer vorher in gericht¬
licher Form davon benachrichtigt und dieser nicht widersprochen hätte. Auf
diese Weise würde größere Stetigkeit in die Verhältnisse kommen und mehr
und mehr freiwillige, feste und längere Pachtungen (Isases) die Regel wer¬
den. Lord Mayo hat versprochen, eine Bill einzubringen, welche in diesem
Sinne Verbesserungen herbeiführen soll, gab aber wenig nähere Andeu¬
tungen über deren Tragweite und seine fernere Erklärung, daß über das Ver¬
hältniß von Grundherrn und Pächtern in Irland noch erst weitere Ermitt¬
lungen angestellt werden müßten, wurde von der Opposition mit ironischen
Cheers aufgenommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/131>, abgerufen am 15.01.2025.