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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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eigenthümern eine loyale irländische Bevölkerung entstehen würde. Es ist
hier nicht der Ort, die Vortheile und Nachtheile der großen und kleinen
Cultur eingehend zu behandeln, die Frage läßt sich überhaupt nicht prinzipiell
nach der einen oder anderen Seite entscheiden und wir wollen nur im Vor¬
beigehen bemerken, daß L. de Lavergne, anerkannt die erste Autorität für
diesen Gegenstand, zugeben muß, daß in Frankreich, dem Lande der kleinen
Grundeigenthümer, der Acre Nur die Hälfte von dem erträgt, was er in England,
dem Lande der großen Güter, bringt (Noonomiö Rurals x. 78). Sicher ist, daß die
Theilung in kleine Parcellen nur da vortheilhaft sein kann, wo intensive Cul¬
tur möglich ist, wie in Belgien, der Pfalz, Oberitalien; nun aber ist kaum
ein Land so durch die Natur seines Bodens zu extensiver Wirthschaft bestimmt,
wie Irland, es hat große Strecken von Haide, Morast und Land, das sich
nur zu dürftigem Kornbau eignet, es ist daher vorzugsweise auf Viehzucht
angewiesen und die beiden einzigen Feldfrüchte, welche im kleinen Maßstab
gebaut werden können, sind Kartoffeln und Flachs. Da nun unter der Be¬
völkerung schon an sich die Neigung herrscht, das Land. d. h. das gepach¬
tete, bis zum äußersten zu theilen, so überwiegt schon jetzt ganz der Kar¬
toffelbau; von 3.500.000 Acres ist 1 Million, in England dagegen von
10 Mill. Acres Nur -/-- Mill. mit Kartoffeln bestellt. Fände nun der pro-
jectirte Zwangsverkauf statt, so würde dies Verhältniß sich sicher noch stei¬
gern, was schwerlich wünschenswert!) wäre. Aber selbst hiervon abgesehen,
würden die jetzigen irischen Pächter als Eigenthümer nicht loyale Unter¬
thanen sein, weil ihre Lage sich eher verschlimmern als verbessern würde. Sie
haben unzweifelhaft sich jetzt über manches zu beklagen, aber es ist doch eine
sehr bemerkenswerthe Thatsache, daß von 1100 Verhaftungen, die in Irland
seit der Suspension der Habeas-Corpus-Acte stattgefunden, kaum ein Fünf¬
zigste! auf ländliche Pächter fällt. Der Mill'sche Plan würde nun allerdings
zunächst den Landhunger des Jrländers sättigen, aber ihn darum nicht zu¬
frieden stellen. Mill zieht den keltischen Nationalcharakter nicht in Betracht,
der kleine Eigenthümer würde in erhöhtem Maße das fortsetzen, was er als
Pächter gethan, er würde auf das Grundstück, welches allein für seinen Unter¬
halt berechnet wäre, seine zahlreichen Söhne, Schwiegersöhne nehmen, welche
alle suchen würden, davon zu leben, sodaß sie es bei aller Dürftigkeit ihrer
Existenz rasch erschöpfen müßten. Der Besitzer würde unfähig sein, seinen Ca¬
non zu bezahlen, das Land würde hypothesirt und käme schließlich unter den
Hammer. Und was soll geschehen, wenn der Eigenthümer stirbt? Soll das
Gütchen unter die Kinder vertheilt werden, wie in Frankreich, oder soll der
älteste Sohn erben und die übrigen auswandern? Vielleicht sind beim Tode
des Vaters die Kinder minderjährig, aber die Wittwe darf das Land
nicht verpachten, denn das verbietet das Project> sie muß also ver-


eigenthümern eine loyale irländische Bevölkerung entstehen würde. Es ist
hier nicht der Ort, die Vortheile und Nachtheile der großen und kleinen
Cultur eingehend zu behandeln, die Frage läßt sich überhaupt nicht prinzipiell
nach der einen oder anderen Seite entscheiden und wir wollen nur im Vor¬
beigehen bemerken, daß L. de Lavergne, anerkannt die erste Autorität für
diesen Gegenstand, zugeben muß, daß in Frankreich, dem Lande der kleinen
Grundeigenthümer, der Acre Nur die Hälfte von dem erträgt, was er in England,
dem Lande der großen Güter, bringt (Noonomiö Rurals x. 78). Sicher ist, daß die
Theilung in kleine Parcellen nur da vortheilhaft sein kann, wo intensive Cul¬
tur möglich ist, wie in Belgien, der Pfalz, Oberitalien; nun aber ist kaum
ein Land so durch die Natur seines Bodens zu extensiver Wirthschaft bestimmt,
wie Irland, es hat große Strecken von Haide, Morast und Land, das sich
nur zu dürftigem Kornbau eignet, es ist daher vorzugsweise auf Viehzucht
angewiesen und die beiden einzigen Feldfrüchte, welche im kleinen Maßstab
gebaut werden können, sind Kartoffeln und Flachs. Da nun unter der Be¬
völkerung schon an sich die Neigung herrscht, das Land. d. h. das gepach¬
tete, bis zum äußersten zu theilen, so überwiegt schon jetzt ganz der Kar¬
toffelbau; von 3.500.000 Acres ist 1 Million, in England dagegen von
10 Mill. Acres Nur -/-- Mill. mit Kartoffeln bestellt. Fände nun der pro-
jectirte Zwangsverkauf statt, so würde dies Verhältniß sich sicher noch stei¬
gern, was schwerlich wünschenswert!) wäre. Aber selbst hiervon abgesehen,
würden die jetzigen irischen Pächter als Eigenthümer nicht loyale Unter¬
thanen sein, weil ihre Lage sich eher verschlimmern als verbessern würde. Sie
haben unzweifelhaft sich jetzt über manches zu beklagen, aber es ist doch eine
sehr bemerkenswerthe Thatsache, daß von 1100 Verhaftungen, die in Irland
seit der Suspension der Habeas-Corpus-Acte stattgefunden, kaum ein Fünf¬
zigste! auf ländliche Pächter fällt. Der Mill'sche Plan würde nun allerdings
zunächst den Landhunger des Jrländers sättigen, aber ihn darum nicht zu¬
frieden stellen. Mill zieht den keltischen Nationalcharakter nicht in Betracht,
der kleine Eigenthümer würde in erhöhtem Maße das fortsetzen, was er als
Pächter gethan, er würde auf das Grundstück, welches allein für seinen Unter¬
halt berechnet wäre, seine zahlreichen Söhne, Schwiegersöhne nehmen, welche
alle suchen würden, davon zu leben, sodaß sie es bei aller Dürftigkeit ihrer
Existenz rasch erschöpfen müßten. Der Besitzer würde unfähig sein, seinen Ca¬
non zu bezahlen, das Land würde hypothesirt und käme schließlich unter den
Hammer. Und was soll geschehen, wenn der Eigenthümer stirbt? Soll das
Gütchen unter die Kinder vertheilt werden, wie in Frankreich, oder soll der
älteste Sohn erben und die übrigen auswandern? Vielleicht sind beim Tode
des Vaters die Kinder minderjährig, aber die Wittwe darf das Land
nicht verpachten, denn das verbietet das Project> sie muß also ver-


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[0130] eigenthümern eine loyale irländische Bevölkerung entstehen würde. Es ist hier nicht der Ort, die Vortheile und Nachtheile der großen und kleinen Cultur eingehend zu behandeln, die Frage läßt sich überhaupt nicht prinzipiell nach der einen oder anderen Seite entscheiden und wir wollen nur im Vor¬ beigehen bemerken, daß L. de Lavergne, anerkannt die erste Autorität für diesen Gegenstand, zugeben muß, daß in Frankreich, dem Lande der kleinen Grundeigenthümer, der Acre Nur die Hälfte von dem erträgt, was er in England, dem Lande der großen Güter, bringt (Noonomiö Rurals x. 78). Sicher ist, daß die Theilung in kleine Parcellen nur da vortheilhaft sein kann, wo intensive Cul¬ tur möglich ist, wie in Belgien, der Pfalz, Oberitalien; nun aber ist kaum ein Land so durch die Natur seines Bodens zu extensiver Wirthschaft bestimmt, wie Irland, es hat große Strecken von Haide, Morast und Land, das sich nur zu dürftigem Kornbau eignet, es ist daher vorzugsweise auf Viehzucht angewiesen und die beiden einzigen Feldfrüchte, welche im kleinen Maßstab gebaut werden können, sind Kartoffeln und Flachs. Da nun unter der Be¬ völkerung schon an sich die Neigung herrscht, das Land. d. h. das gepach¬ tete, bis zum äußersten zu theilen, so überwiegt schon jetzt ganz der Kar¬ toffelbau; von 3.500.000 Acres ist 1 Million, in England dagegen von 10 Mill. Acres Nur -/-- Mill. mit Kartoffeln bestellt. Fände nun der pro- jectirte Zwangsverkauf statt, so würde dies Verhältniß sich sicher noch stei¬ gern, was schwerlich wünschenswert!) wäre. Aber selbst hiervon abgesehen, würden die jetzigen irischen Pächter als Eigenthümer nicht loyale Unter¬ thanen sein, weil ihre Lage sich eher verschlimmern als verbessern würde. Sie haben unzweifelhaft sich jetzt über manches zu beklagen, aber es ist doch eine sehr bemerkenswerthe Thatsache, daß von 1100 Verhaftungen, die in Irland seit der Suspension der Habeas-Corpus-Acte stattgefunden, kaum ein Fünf¬ zigste! auf ländliche Pächter fällt. Der Mill'sche Plan würde nun allerdings zunächst den Landhunger des Jrländers sättigen, aber ihn darum nicht zu¬ frieden stellen. Mill zieht den keltischen Nationalcharakter nicht in Betracht, der kleine Eigenthümer würde in erhöhtem Maße das fortsetzen, was er als Pächter gethan, er würde auf das Grundstück, welches allein für seinen Unter¬ halt berechnet wäre, seine zahlreichen Söhne, Schwiegersöhne nehmen, welche alle suchen würden, davon zu leben, sodaß sie es bei aller Dürftigkeit ihrer Existenz rasch erschöpfen müßten. Der Besitzer würde unfähig sein, seinen Ca¬ non zu bezahlen, das Land würde hypothesirt und käme schließlich unter den Hammer. Und was soll geschehen, wenn der Eigenthümer stirbt? Soll das Gütchen unter die Kinder vertheilt werden, wie in Frankreich, oder soll der älteste Sohn erben und die übrigen auswandern? Vielleicht sind beim Tode des Vaters die Kinder minderjährig, aber die Wittwe darf das Land nicht verpachten, denn das verbietet das Project> sie muß also ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/130>, abgerufen am 15.01.2025.