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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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stadt nicht blos von Schleswig-Holstein, sondern der ganzen cimbrischen Halb-
insel. Die Stadt Kiel kann sich in dieser Beziehung mit Hamburg auch nicht
im Entferntesten messen, ihre künftige Größe als deutscher Kriegshafen steht
auf völlig anderem Felde. Kiel liegt nun ganz abseiten der großen cim¬
brischen Verkehrsbahn, während mit deren Vollendung die Bedeutung und
das Gewicht Hamburgs dagegen noch gesteigert erscheint. Das stille thätige
Walten deutscher Gesittung, deutschen Fleißes längs unserer Halbinsel würde
von Hamburg aus durch ein großes Centrum deutscher Wissenschaft mächtig
unterstützt werden. Die Universität Kiel wird der kopenhagener niemals
ebenbürtig, geschweige denn überlegen sein.

Nicht ohne Betrübniß -- denn auch wir sind der Christian" Albertina
zum Danke verpflichtet -- erwähnen wir zum Schlüsse des Siechthums. wel¬
ches im Laufe der letzten Jahre die Universität gezeigt hat. Seitdem das in
Kiel abzuhaltende Biennium für Anstellung in den Herzogthümern kein ver¬
pflichtendes Erfordernis; mehr ist, seitdem die Schleswig-holsteinischen Juristen
und Aerzte in der ganzen Monarchie den Ort ihrer Examina frei wählen
dürfen, ist eine Abnahme der in Kiel Studirenden hervorgetreten. Nach¬
stehende Zusammenstellung läßt darüber keinen Zweifel:

Gesammtzahl der Studirenden. Juristen. Mediciner.
Winter 1866/67 .... 242 82 72
Sommer 1867 . . ... 223 89 77
Winter 1867/68 .... 204 42 69
Sommer 1868 .... 181 30 62

Die Zahlen" der Theologen und Philosophen sind in dem bezeichneten
Zeitraum constant geblieben, erstere schwanken zwischen 58 und SS, letztere
zwischen 30 und 34.

Wie dem Schwinden der Studentenzahl zu steuern, ist schwer erfindlich;
ein unübersteigliches Hinderniß liegt vornehmlich in der großen Theuerung
der Lebensbedürfnisse. Kiel ist notorisch eine der theuersten Städte Deutsch¬
lands, und dies veranlaßt selbstverständlich die Studirenden, sich nach anderen
Universitätsorten zu wenden, wo sie einerseits weniger Geld brauchen, anderer¬
seits auch wohl für diesen geringeren Aufwand mehrere und reichere Bildungs¬
mittel zu Gebote stehen als in Kiel. Für die Theologen und Philosophen
liegen die Verhältnisse dadurch etwas anders, daß bei ihren Facultäten sich
Stipendien finden, mittelst welcher einer gewissen Anzahl armer Studenten
die Existenz gesichert wird; die hierdurch gegebene Ernährungsgrenze wird
natürlich nicht überschritten. Ebenfalls ist durch die herrschende Theuerung
die Berufung neuer, resp, das Festhalten bereits vorhandener Lehrkräfte sehr
erschwert.

Wenn hier nun nicht zu helfen ist. so möge man das Unvermeidliche bald


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stadt nicht blos von Schleswig-Holstein, sondern der ganzen cimbrischen Halb-
insel. Die Stadt Kiel kann sich in dieser Beziehung mit Hamburg auch nicht
im Entferntesten messen, ihre künftige Größe als deutscher Kriegshafen steht
auf völlig anderem Felde. Kiel liegt nun ganz abseiten der großen cim¬
brischen Verkehrsbahn, während mit deren Vollendung die Bedeutung und
das Gewicht Hamburgs dagegen noch gesteigert erscheint. Das stille thätige
Walten deutscher Gesittung, deutschen Fleißes längs unserer Halbinsel würde
von Hamburg aus durch ein großes Centrum deutscher Wissenschaft mächtig
unterstützt werden. Die Universität Kiel wird der kopenhagener niemals
ebenbürtig, geschweige denn überlegen sein.

Nicht ohne Betrübniß — denn auch wir sind der Christian« Albertina
zum Danke verpflichtet — erwähnen wir zum Schlüsse des Siechthums. wel¬
ches im Laufe der letzten Jahre die Universität gezeigt hat. Seitdem das in
Kiel abzuhaltende Biennium für Anstellung in den Herzogthümern kein ver¬
pflichtendes Erfordernis; mehr ist, seitdem die Schleswig-holsteinischen Juristen
und Aerzte in der ganzen Monarchie den Ort ihrer Examina frei wählen
dürfen, ist eine Abnahme der in Kiel Studirenden hervorgetreten. Nach¬
stehende Zusammenstellung läßt darüber keinen Zweifel:

Gesammtzahl der Studirenden. Juristen. Mediciner.
Winter 1866/67 .... 242 82 72
Sommer 1867 . . ... 223 89 77
Winter 1867/68 .... 204 42 69
Sommer 1868 .... 181 30 62

Die Zahlen" der Theologen und Philosophen sind in dem bezeichneten
Zeitraum constant geblieben, erstere schwanken zwischen 58 und SS, letztere
zwischen 30 und 34.

Wie dem Schwinden der Studentenzahl zu steuern, ist schwer erfindlich;
ein unübersteigliches Hinderniß liegt vornehmlich in der großen Theuerung
der Lebensbedürfnisse. Kiel ist notorisch eine der theuersten Städte Deutsch¬
lands, und dies veranlaßt selbstverständlich die Studirenden, sich nach anderen
Universitätsorten zu wenden, wo sie einerseits weniger Geld brauchen, anderer¬
seits auch wohl für diesen geringeren Aufwand mehrere und reichere Bildungs¬
mittel zu Gebote stehen als in Kiel. Für die Theologen und Philosophen
liegen die Verhältnisse dadurch etwas anders, daß bei ihren Facultäten sich
Stipendien finden, mittelst welcher einer gewissen Anzahl armer Studenten
die Existenz gesichert wird; die hierdurch gegebene Ernährungsgrenze wird
natürlich nicht überschritten. Ebenfalls ist durch die herrschende Theuerung
die Berufung neuer, resp, das Festhalten bereits vorhandener Lehrkräfte sehr
erschwert.

Wenn hier nun nicht zu helfen ist. so möge man das Unvermeidliche bald


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[0079] stadt nicht blos von Schleswig-Holstein, sondern der ganzen cimbrischen Halb- insel. Die Stadt Kiel kann sich in dieser Beziehung mit Hamburg auch nicht im Entferntesten messen, ihre künftige Größe als deutscher Kriegshafen steht auf völlig anderem Felde. Kiel liegt nun ganz abseiten der großen cim¬ brischen Verkehrsbahn, während mit deren Vollendung die Bedeutung und das Gewicht Hamburgs dagegen noch gesteigert erscheint. Das stille thätige Walten deutscher Gesittung, deutschen Fleißes längs unserer Halbinsel würde von Hamburg aus durch ein großes Centrum deutscher Wissenschaft mächtig unterstützt werden. Die Universität Kiel wird der kopenhagener niemals ebenbürtig, geschweige denn überlegen sein. Nicht ohne Betrübniß — denn auch wir sind der Christian« Albertina zum Danke verpflichtet — erwähnen wir zum Schlüsse des Siechthums. wel¬ ches im Laufe der letzten Jahre die Universität gezeigt hat. Seitdem das in Kiel abzuhaltende Biennium für Anstellung in den Herzogthümern kein ver¬ pflichtendes Erfordernis; mehr ist, seitdem die Schleswig-holsteinischen Juristen und Aerzte in der ganzen Monarchie den Ort ihrer Examina frei wählen dürfen, ist eine Abnahme der in Kiel Studirenden hervorgetreten. Nach¬ stehende Zusammenstellung läßt darüber keinen Zweifel: Gesammtzahl der Studirenden. Juristen. Mediciner. Winter 1866/67 .... 242 82 72 Sommer 1867 . . ... 223 89 77 Winter 1867/68 .... 204 42 69 Sommer 1868 .... 181 30 62 Die Zahlen" der Theologen und Philosophen sind in dem bezeichneten Zeitraum constant geblieben, erstere schwanken zwischen 58 und SS, letztere zwischen 30 und 34. Wie dem Schwinden der Studentenzahl zu steuern, ist schwer erfindlich; ein unübersteigliches Hinderniß liegt vornehmlich in der großen Theuerung der Lebensbedürfnisse. Kiel ist notorisch eine der theuersten Städte Deutsch¬ lands, und dies veranlaßt selbstverständlich die Studirenden, sich nach anderen Universitätsorten zu wenden, wo sie einerseits weniger Geld brauchen, anderer¬ seits auch wohl für diesen geringeren Aufwand mehrere und reichere Bildungs¬ mittel zu Gebote stehen als in Kiel. Für die Theologen und Philosophen liegen die Verhältnisse dadurch etwas anders, daß bei ihren Facultäten sich Stipendien finden, mittelst welcher einer gewissen Anzahl armer Studenten die Existenz gesichert wird; die hierdurch gegebene Ernährungsgrenze wird natürlich nicht überschritten. Ebenfalls ist durch die herrschende Theuerung die Berufung neuer, resp, das Festhalten bereits vorhandener Lehrkräfte sehr erschwert. Wenn hier nun nicht zu helfen ist. so möge man das Unvermeidliche bald 9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/79>, abgerufen am 05.02.2025.