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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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daß die Unions auch nicht vor dem Morde zurückschreckten. Widerspenstige
wurden zuerst durch Wegnahme ihrer Werkzeuge heimgesucht, half das nicht,
so beschädigte man ihre Häuser, legte Pulverminen, die von selbst exvlodiren
mußten, und blieb auch dies ohne Erfolg, so ward beschlossen, sie um jeden
Preis arbeitsunfähig zu machen. Der Secretär eines Vereines von Säge¬
schleifern, Broadhead, gestand d^le intellectuelle Urheberschaft von einer Reihe
von Morden und schweren Verwundungen ein. Die Ausführung des Geschäfts
ward förmlich licitirt: in einem Falle fordert der Gedungene erst 20 Pfd.
Sterl. und acceptirt Is Pfd. Sterl., wenn er 3 Pfd. Sterl. auf Abschlag
erhält, dafür verspricht er: "Linley so zuzurichten, daß er nie wieder arbeiten
könne." Er verfolgt nun sein Opfer sechs Wochen lang und als er findet,
daß er das Verbrechen mit einem Revolver nicht begehen könne ohne entdeckt
zu werden, schießt er Linley mit einer Windbüchse an, sodaß derselbe bald
darauf stirbt. Broadhead nahm das Blutgeld aus der Vereinscasse und
duchte es als geheime Dienstausgabe, fand auch beim Verhör nicht, daß er
Unrecht gethan, da doch alles zum Heile der Union geschehen sei. Er beklagte,
daß er kein gesetzliches Mittel gehabt, Linley zu bestrafen, er habe nicht be¬
absichtigt, denselben todten zu lassen, sondern nur zur Arbeit unfähig zu
machen, denn "er schadete unserem Verein der Sägeschleifer!" Was dem
Jesuiten sein Orden ist diesem Mann seine Union: um ihre Vorschriften auf¬
recht zu erhalten ist jedes Mittel recht.

Es ist behauptet worden, daß Sheffield eine Ausnahme bilde und solche
Gräuel anderswo nicht vorgekommen, und bis zu einem gewissen Grade ist das
wahr. Die dort betriebenen Gewerbe sind meist sehr gefährlicher Art und wer¬
den deshalb hoch bezahlt, die Gefahr erzeugt bei den Arbeitern Gleichgültig¬
keit gegen das Leben und der hohe Lohn andererseits fördert die Rohheit
durch Trunk und Ausschweifung. Um so mehr macht sich dann der Geist des
Monopols geltend, welcher den Vortheil des hohen Lohns allein für die kleine
Zahl der Unionisten sichern will. Verbannten die Unionisten doch die neuer¬
fundene Schutzmaske gegen das Eindringen des Stahlstaubes in die Lungen,
weil die dadurch herbeigeführte größere Gefahrlosigkeit der Arbeit einen
größeren Zufluß von Concurrenten veranlaßt hatte. -- Aber auch wenn man
zugibt, daß diese Umstände besonders gravirend in Sheffield gewirkt haben,
so sind doch auch an andern Orten, wie Glasgow, Manchester. Dublin und
dem sogenannten dlaell counti-^ genug Beispiele der gröbsten Einschüchterung
bewiesen. Es ist dies auch ganz begreiflich, denn unnatürliche Grundsätze wie
die obengenannten können nur durch unnatürliche Mittel aufrechterhalten
werden. -- Ebenso klar ist aber auch, daß der Staat einer solchen Arbeiter-
vehme gegenüber nicht gleichgültig bleiben kann, daß er vielmehr verpflichtet
ist. nicht blos jene Gewaltsamkeiten zu unterdrücken. sondern auch die Aus-


daß die Unions auch nicht vor dem Morde zurückschreckten. Widerspenstige
wurden zuerst durch Wegnahme ihrer Werkzeuge heimgesucht, half das nicht,
so beschädigte man ihre Häuser, legte Pulverminen, die von selbst exvlodiren
mußten, und blieb auch dies ohne Erfolg, so ward beschlossen, sie um jeden
Preis arbeitsunfähig zu machen. Der Secretär eines Vereines von Säge¬
schleifern, Broadhead, gestand d^le intellectuelle Urheberschaft von einer Reihe
von Morden und schweren Verwundungen ein. Die Ausführung des Geschäfts
ward förmlich licitirt: in einem Falle fordert der Gedungene erst 20 Pfd.
Sterl. und acceptirt Is Pfd. Sterl., wenn er 3 Pfd. Sterl. auf Abschlag
erhält, dafür verspricht er: „Linley so zuzurichten, daß er nie wieder arbeiten
könne." Er verfolgt nun sein Opfer sechs Wochen lang und als er findet,
daß er das Verbrechen mit einem Revolver nicht begehen könne ohne entdeckt
zu werden, schießt er Linley mit einer Windbüchse an, sodaß derselbe bald
darauf stirbt. Broadhead nahm das Blutgeld aus der Vereinscasse und
duchte es als geheime Dienstausgabe, fand auch beim Verhör nicht, daß er
Unrecht gethan, da doch alles zum Heile der Union geschehen sei. Er beklagte,
daß er kein gesetzliches Mittel gehabt, Linley zu bestrafen, er habe nicht be¬
absichtigt, denselben todten zu lassen, sondern nur zur Arbeit unfähig zu
machen, denn „er schadete unserem Verein der Sägeschleifer!" Was dem
Jesuiten sein Orden ist diesem Mann seine Union: um ihre Vorschriften auf¬
recht zu erhalten ist jedes Mittel recht.

Es ist behauptet worden, daß Sheffield eine Ausnahme bilde und solche
Gräuel anderswo nicht vorgekommen, und bis zu einem gewissen Grade ist das
wahr. Die dort betriebenen Gewerbe sind meist sehr gefährlicher Art und wer¬
den deshalb hoch bezahlt, die Gefahr erzeugt bei den Arbeitern Gleichgültig¬
keit gegen das Leben und der hohe Lohn andererseits fördert die Rohheit
durch Trunk und Ausschweifung. Um so mehr macht sich dann der Geist des
Monopols geltend, welcher den Vortheil des hohen Lohns allein für die kleine
Zahl der Unionisten sichern will. Verbannten die Unionisten doch die neuer¬
fundene Schutzmaske gegen das Eindringen des Stahlstaubes in die Lungen,
weil die dadurch herbeigeführte größere Gefahrlosigkeit der Arbeit einen
größeren Zufluß von Concurrenten veranlaßt hatte. — Aber auch wenn man
zugibt, daß diese Umstände besonders gravirend in Sheffield gewirkt haben,
so sind doch auch an andern Orten, wie Glasgow, Manchester. Dublin und
dem sogenannten dlaell counti-^ genug Beispiele der gröbsten Einschüchterung
bewiesen. Es ist dies auch ganz begreiflich, denn unnatürliche Grundsätze wie
die obengenannten können nur durch unnatürliche Mittel aufrechterhalten
werden. — Ebenso klar ist aber auch, daß der Staat einer solchen Arbeiter-
vehme gegenüber nicht gleichgültig bleiben kann, daß er vielmehr verpflichtet
ist. nicht blos jene Gewaltsamkeiten zu unterdrücken. sondern auch die Aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/60>, abgerufen am 05.02.2025.