Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band."so hätte die slavische Liturgie aller Wahrscheinlichkeit nach von Böhmen und Wie man sieht, streift der Slavismus des Herrn Leger trotz der von "Die Gründung eines großen Deutschland, welches seinen Ehrgeiz nicht Und weiter: "Sie (die Slaven) wissen, was sie unter ihren jetzigen Beherrschern er¬ „so hätte die slavische Liturgie aller Wahrscheinlichkeit nach von Böhmen und Wie man sieht, streift der Slavismus des Herrn Leger trotz der von „Die Gründung eines großen Deutschland, welches seinen Ehrgeiz nicht Und weiter: „Sie (die Slaven) wissen, was sie unter ihren jetzigen Beherrschern er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287812"/> <p xml:id="ID_1365" prev="#ID_1364"> „so hätte die slavische Liturgie aller Wahrscheinlichkeit nach von Böhmen und<lb/> Mähren aus bei Süd- und Nordslaven gestrahlt und ihnen die Idee einer<lb/> moralischen Zusammengehörigkeit gebracht, welche ihnen den nöthigen Halt<lb/> gegeben hätte, den Einbrüchen der Deutschen, der Magyaren, der Griechen,<lb/> der Tartaren und der Osmanlis zu widerstehen. Rußland hätte seine Civi¬<lb/> lisation dem Occident und nicht der vergifteten Quelle von Byzanz entlehnt,<lb/> es wäre unmittelbar in die große europäische Familie eingetreten und hätte<lb/> weder die Unterjochung der Mongolen, noch den Despotismus des mosko-<lb/> vitischen Czars zu erleiden gehabt. Die Slaven des baltischen Meeres wären<lb/> den blutigen Bekehrungen der deutschen Missionäre, der schwerttragenden<lb/> Ritter, entronnen und der preußische Staat, der verhängnißvolle Keim<lb/> eines geeinten und kriegerischen Deutschlands, wärenicht^auf dem<lb/> Grabe ihres Geschlechts aufgeblüht. Böhmen und Polen, entzogen den<lb/> deutschen Anmaßungen, hätten die Religionskriege nicht entbrennen sehen,<lb/> welche ihren Ruin herbeigeführt haben. Die Südslaven hätten sich an den<lb/> Ufern des adriatischen Meeres der Sau und der Donau consolidirt, sie hätten<lb/> in harmonischer Einheit die doppelte Civilisation vereint, welche sie gleich¬<lb/> zeitig von Griechenland und Italien erhielten und hätten vielleicht schon im<lb/> Mittelalter dieses südslavische Kaiserreich begründet, welches sie heute nur<lb/> träumen können."</p><lb/> <p xml:id="ID_1366"> Wie man sieht, streift der Slavismus des Herrn Leger trotz der von<lb/> ihm beliebten Namensvertauschung stark an den uns wohlbekannten Pan-<lb/> slavismus an, der in einer neueren Broschüre desselben Verfassers (I^s Llavvs en<lb/> 1867) noch klarer zu Tage tritt:</p><lb/> <p xml:id="ID_1367"> „Die Gründung eines großen Deutschland, welches seinen Ehrgeiz nicht<lb/> verheimlicht und die Moldau und Donau als deutsche Flüsse in Anspruch<lb/> nimmt, flößt den Slaven eine berechtigte Furcht vor der Zukunft ein. Auf<lb/> der andern Seite erfüllt die Protectorrolle, welche Nußland zu Gunsten der<lb/> Christen im Orient übernommen hat, sie mit einem Zutrauen, welches man<lb/> häufig tadelt, ohne sich erst darüber klar geworden zu sein. Zum Beherrscher<lb/> wollen sie Nußland nicht: als Verbündeten glauben sie es aber nicht zurück¬<lb/> weisen zu dürfen, wenn russische Hilfe jemals nöthig würde."</p><lb/> <p xml:id="ID_1368"> Und weiter:</p><lb/> <p xml:id="ID_1369" next="#ID_1370"> „Sie (die Slaven) wissen, was sie unter ihren jetzigen Beherrschern er¬<lb/> litten haben, und glauben, daß die russische Herrschaft (welche für sie nur<lb/> das letzte Auskunftsmittel ist) vielleicht weniger hart sein würde, als die der<lb/> Deutschen, der Türken oder der Magyaren. Führt ihnen nicht das Beispiel<lb/> Polens an. Sie würden Euch antworten, daß der Haß zwischen Polen und<lb/> Rußland nicht von gestern datirt, daß, wenn die Russen heute in Warschau<lb/> sind, die Polen einst in Moskau waren: sie beklagen einen brudermörderischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0540]
„so hätte die slavische Liturgie aller Wahrscheinlichkeit nach von Böhmen und
Mähren aus bei Süd- und Nordslaven gestrahlt und ihnen die Idee einer
moralischen Zusammengehörigkeit gebracht, welche ihnen den nöthigen Halt
gegeben hätte, den Einbrüchen der Deutschen, der Magyaren, der Griechen,
der Tartaren und der Osmanlis zu widerstehen. Rußland hätte seine Civi¬
lisation dem Occident und nicht der vergifteten Quelle von Byzanz entlehnt,
es wäre unmittelbar in die große europäische Familie eingetreten und hätte
weder die Unterjochung der Mongolen, noch den Despotismus des mosko-
vitischen Czars zu erleiden gehabt. Die Slaven des baltischen Meeres wären
den blutigen Bekehrungen der deutschen Missionäre, der schwerttragenden
Ritter, entronnen und der preußische Staat, der verhängnißvolle Keim
eines geeinten und kriegerischen Deutschlands, wärenicht^auf dem
Grabe ihres Geschlechts aufgeblüht. Böhmen und Polen, entzogen den
deutschen Anmaßungen, hätten die Religionskriege nicht entbrennen sehen,
welche ihren Ruin herbeigeführt haben. Die Südslaven hätten sich an den
Ufern des adriatischen Meeres der Sau und der Donau consolidirt, sie hätten
in harmonischer Einheit die doppelte Civilisation vereint, welche sie gleich¬
zeitig von Griechenland und Italien erhielten und hätten vielleicht schon im
Mittelalter dieses südslavische Kaiserreich begründet, welches sie heute nur
träumen können."
Wie man sieht, streift der Slavismus des Herrn Leger trotz der von
ihm beliebten Namensvertauschung stark an den uns wohlbekannten Pan-
slavismus an, der in einer neueren Broschüre desselben Verfassers (I^s Llavvs en
1867) noch klarer zu Tage tritt:
„Die Gründung eines großen Deutschland, welches seinen Ehrgeiz nicht
verheimlicht und die Moldau und Donau als deutsche Flüsse in Anspruch
nimmt, flößt den Slaven eine berechtigte Furcht vor der Zukunft ein. Auf
der andern Seite erfüllt die Protectorrolle, welche Nußland zu Gunsten der
Christen im Orient übernommen hat, sie mit einem Zutrauen, welches man
häufig tadelt, ohne sich erst darüber klar geworden zu sein. Zum Beherrscher
wollen sie Nußland nicht: als Verbündeten glauben sie es aber nicht zurück¬
weisen zu dürfen, wenn russische Hilfe jemals nöthig würde."
Und weiter:
„Sie (die Slaven) wissen, was sie unter ihren jetzigen Beherrschern er¬
litten haben, und glauben, daß die russische Herrschaft (welche für sie nur
das letzte Auskunftsmittel ist) vielleicht weniger hart sein würde, als die der
Deutschen, der Türken oder der Magyaren. Führt ihnen nicht das Beispiel
Polens an. Sie würden Euch antworten, daß der Haß zwischen Polen und
Rußland nicht von gestern datirt, daß, wenn die Russen heute in Warschau
sind, die Polen einst in Moskau waren: sie beklagen einen brudermörderischer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |