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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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den englischen Eisenwerken aufnehmen können, ist es noch immer recht mißlich
mit ihrer Lage bestellt. Man lese nur die Einfuhrlisten der Ostseehäfen, um
sich zu überzeugen, wie sehr dort das englische resp, schottische Roh- und
Stabeisen dominirt. In Danzig, wo Großbritannien mit 62°/<> des Waaren¬
werthes beim Seeimport betheiligt ist, führte England ein 1867: 3,373,226
Centner Kohlen; 1866: 2,181.492 Ctr.; 1868: 2.654.420 Ctr.; an Eisen,
Stahl und Schienen wurden in dem Jahre 1867 eingeführt: 212.076 Ctr.
resp. 371.479 Ctr. 1866, und 320.567 Ctr. 1863. Der Geldwerth für
letztere betrug 1867 1,769,030 Thlr., 1866 2,584,378 und 1865 2,523,737
Thlr. Der Geldwerth der Kohlen war 843.306 Thlr. in 1867, 545.373
Thlr. in 1866 und 662,605 Thlr. in 1865. Die übrigen Häfen weisen ähn¬
liche Einfuhren von Großbritannien auf. Dieser Concurrenz gegenüber, die
sich der niedrigen Seefrachten bedient, können unsere Hüttenbesitzer nicht auf¬
kommen, da ihre Selbstkostenpreise höher sind, als jene der britischen Werke.
England verschifft sein Roh- und Schmiedeeisen, seine Eisenwaaren von
Glasgow, Liverpool und Newcastle zu der billigen Schifffracht von acht
Schillingen pro Tonne von 20 Centner nach Danzig und nach Stettin. An
der Ruhr sind zwar Steinkohlen, aber nur wenige Eisenerzlager vorhanden.
Diese liegen weit entfernt von den Hütten, sodaß schon das Rohmaterial
unseren Producenten viel höher zu stehen kommt, als den schottischen, die
Kohlen und Eisenerze zusammen haben und sich der Vortheile von Canälen
und billigen Eisenbahnfrachten erfreuen. Alle Anstrengungen der Eisen¬
industriellen helfen Nichts, so lange nicht wenigstens auf den nach den Nord-
uud Ostseehäfen führenden Eisenbahnen der Einpfennigtarif für Eisensen¬
dungen in ganzen Wagenladungen eingeführt ist, was schon mit Rücksicht
auf die dem Zollverein beigetretenen Gebiete von Schleswig-Holstein, den
beiden Mecklenburg und Lübeck' dringend geboten ist, wenn dort der Con¬
currenz Englands auf dem Eisenmarkt endlich gründlich entgegengetreten
werden soll.

Im Auftrage des Ausschusses des ersten Congresses norddeutscher Land¬
wirthe sind die gedachten Klagen der Landwirthschaft in einer Denkschrift
über die bestehende Krisis wegen des Mangels an Verkehrsmitteln nieder¬
gelegt. Diese Denkschrift schließt mit der Resolution:

"Die im Artikel 45 der Verfassung des norddeutschen Bundes in Aus¬
sicht genommene Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Eisenbahntarife ist für
die Landwirthschaft von höchster Bedeutung und zu wünschen, daß dieser
Artikel der'Reichsverfassung baldigst zur Ausführung komme."

Wir schließen uns dieser Resolution aus voller Ueberzeugung an und
hoffen, daß die Bundesgewalt, welche die Tariffrage für wichtig genug hielt,
um ihr in der Reichsverfassung eine Stelle einzuräumen, dieser Erkenntniß


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den englischen Eisenwerken aufnehmen können, ist es noch immer recht mißlich
mit ihrer Lage bestellt. Man lese nur die Einfuhrlisten der Ostseehäfen, um
sich zu überzeugen, wie sehr dort das englische resp, schottische Roh- und
Stabeisen dominirt. In Danzig, wo Großbritannien mit 62°/<> des Waaren¬
werthes beim Seeimport betheiligt ist, führte England ein 1867: 3,373,226
Centner Kohlen; 1866: 2,181.492 Ctr.; 1868: 2.654.420 Ctr.; an Eisen,
Stahl und Schienen wurden in dem Jahre 1867 eingeführt: 212.076 Ctr.
resp. 371.479 Ctr. 1866, und 320.567 Ctr. 1863. Der Geldwerth für
letztere betrug 1867 1,769,030 Thlr., 1866 2,584,378 und 1865 2,523,737
Thlr. Der Geldwerth der Kohlen war 843.306 Thlr. in 1867, 545.373
Thlr. in 1866 und 662,605 Thlr. in 1865. Die übrigen Häfen weisen ähn¬
liche Einfuhren von Großbritannien auf. Dieser Concurrenz gegenüber, die
sich der niedrigen Seefrachten bedient, können unsere Hüttenbesitzer nicht auf¬
kommen, da ihre Selbstkostenpreise höher sind, als jene der britischen Werke.
England verschifft sein Roh- und Schmiedeeisen, seine Eisenwaaren von
Glasgow, Liverpool und Newcastle zu der billigen Schifffracht von acht
Schillingen pro Tonne von 20 Centner nach Danzig und nach Stettin. An
der Ruhr sind zwar Steinkohlen, aber nur wenige Eisenerzlager vorhanden.
Diese liegen weit entfernt von den Hütten, sodaß schon das Rohmaterial
unseren Producenten viel höher zu stehen kommt, als den schottischen, die
Kohlen und Eisenerze zusammen haben und sich der Vortheile von Canälen
und billigen Eisenbahnfrachten erfreuen. Alle Anstrengungen der Eisen¬
industriellen helfen Nichts, so lange nicht wenigstens auf den nach den Nord-
uud Ostseehäfen führenden Eisenbahnen der Einpfennigtarif für Eisensen¬
dungen in ganzen Wagenladungen eingeführt ist, was schon mit Rücksicht
auf die dem Zollverein beigetretenen Gebiete von Schleswig-Holstein, den
beiden Mecklenburg und Lübeck' dringend geboten ist, wenn dort der Con¬
currenz Englands auf dem Eisenmarkt endlich gründlich entgegengetreten
werden soll.

Im Auftrage des Ausschusses des ersten Congresses norddeutscher Land¬
wirthe sind die gedachten Klagen der Landwirthschaft in einer Denkschrift
über die bestehende Krisis wegen des Mangels an Verkehrsmitteln nieder¬
gelegt. Diese Denkschrift schließt mit der Resolution:

„Die im Artikel 45 der Verfassung des norddeutschen Bundes in Aus¬
sicht genommene Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Eisenbahntarife ist für
die Landwirthschaft von höchster Bedeutung und zu wünschen, daß dieser
Artikel der'Reichsverfassung baldigst zur Ausführung komme."

Wir schließen uns dieser Resolution aus voller Ueberzeugung an und
hoffen, daß die Bundesgewalt, welche die Tariffrage für wichtig genug hielt,
um ihr in der Reichsverfassung eine Stelle einzuräumen, dieser Erkenntniß


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[0533] den englischen Eisenwerken aufnehmen können, ist es noch immer recht mißlich mit ihrer Lage bestellt. Man lese nur die Einfuhrlisten der Ostseehäfen, um sich zu überzeugen, wie sehr dort das englische resp, schottische Roh- und Stabeisen dominirt. In Danzig, wo Großbritannien mit 62°/<> des Waaren¬ werthes beim Seeimport betheiligt ist, führte England ein 1867: 3,373,226 Centner Kohlen; 1866: 2,181.492 Ctr.; 1868: 2.654.420 Ctr.; an Eisen, Stahl und Schienen wurden in dem Jahre 1867 eingeführt: 212.076 Ctr. resp. 371.479 Ctr. 1866, und 320.567 Ctr. 1863. Der Geldwerth für letztere betrug 1867 1,769,030 Thlr., 1866 2,584,378 und 1865 2,523,737 Thlr. Der Geldwerth der Kohlen war 843.306 Thlr. in 1867, 545.373 Thlr. in 1866 und 662,605 Thlr. in 1865. Die übrigen Häfen weisen ähn¬ liche Einfuhren von Großbritannien auf. Dieser Concurrenz gegenüber, die sich der niedrigen Seefrachten bedient, können unsere Hüttenbesitzer nicht auf¬ kommen, da ihre Selbstkostenpreise höher sind, als jene der britischen Werke. England verschifft sein Roh- und Schmiedeeisen, seine Eisenwaaren von Glasgow, Liverpool und Newcastle zu der billigen Schifffracht von acht Schillingen pro Tonne von 20 Centner nach Danzig und nach Stettin. An der Ruhr sind zwar Steinkohlen, aber nur wenige Eisenerzlager vorhanden. Diese liegen weit entfernt von den Hütten, sodaß schon das Rohmaterial unseren Producenten viel höher zu stehen kommt, als den schottischen, die Kohlen und Eisenerze zusammen haben und sich der Vortheile von Canälen und billigen Eisenbahnfrachten erfreuen. Alle Anstrengungen der Eisen¬ industriellen helfen Nichts, so lange nicht wenigstens auf den nach den Nord- uud Ostseehäfen führenden Eisenbahnen der Einpfennigtarif für Eisensen¬ dungen in ganzen Wagenladungen eingeführt ist, was schon mit Rücksicht auf die dem Zollverein beigetretenen Gebiete von Schleswig-Holstein, den beiden Mecklenburg und Lübeck' dringend geboten ist, wenn dort der Con¬ currenz Englands auf dem Eisenmarkt endlich gründlich entgegengetreten werden soll. Im Auftrage des Ausschusses des ersten Congresses norddeutscher Land¬ wirthe sind die gedachten Klagen der Landwirthschaft in einer Denkschrift über die bestehende Krisis wegen des Mangels an Verkehrsmitteln nieder¬ gelegt. Diese Denkschrift schließt mit der Resolution: „Die im Artikel 45 der Verfassung des norddeutschen Bundes in Aus¬ sicht genommene Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Eisenbahntarife ist für die Landwirthschaft von höchster Bedeutung und zu wünschen, daß dieser Artikel der'Reichsverfassung baldigst zur Ausführung komme." Wir schließen uns dieser Resolution aus voller Ueberzeugung an und hoffen, daß die Bundesgewalt, welche die Tariffrage für wichtig genug hielt, um ihr in der Reichsverfassung eine Stelle einzuräumen, dieser Erkenntniß 63"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/533>, abgerufen am 06.02.2025.