Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.ebenso schädlich seien, wie der nationalen Sache. Der Schluß dieser Rede, Hatten die liberalen Parteien keinen ihrer Hauptredner mehr ins Treffen Trüber Ahnungen voll kehrte ich Abends um 7 Uhr auf meinen Platz ebenso schädlich seien, wie der nationalen Sache. Der Schluß dieser Rede, Hatten die liberalen Parteien keinen ihrer Hauptredner mehr ins Treffen Trüber Ahnungen voll kehrte ich Abends um 7 Uhr auf meinen Platz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287782"/> <p xml:id="ID_1293" prev="#ID_1292"> ebenso schädlich seien, wie der nationalen Sache. Der Schluß dieser Rede,<lb/> welcher die Staatsgefährlichkeit der wieder erwachten confessionellen Gegen¬<lb/> sätze nachwies, hob die Debatte aus den Wantrup'schen Sümpfen aus eine<lb/> Höhe, wie sie noch nicht erreicht worden war. Ihr Erfolg mißt sich nicht<lb/> sowohl an dem lebhaften Beifall, mit dem sie aufgenommen wurde, als an<lb/> dem Ton, den der Minister in seiner Antwort anschlug: er begann mit der<lb/> Versicherung, die Auffassung des Vorredners zu theilen. Schulrath Bleak,<lb/> der sodann das Wort ergriff, machte keinen Eindruck-, Dr. Techow, der ihm<lb/> folgte, sprach außerordentlich sachlich und klar — es bedürfte nur noch eines<lb/> kräftigen, resumirenden Schlußworts, das die Summe der dem Minister<lb/> nachgewiesenen Fehlgriffe zog, und die >sache der Opposition war in den<lb/> Augen der Zuschauer gewonnen. Wenn Graf Bethusy-Huc dieses Wort<lb/> auch nicht sprach, so machte die Energie, mit welcher er Herrn Wantrup<lb/> den Weg wies, doch einen sehr günstigen Eindruck; Namens seiner Partei<lb/> erklärte der Redner, daß er nur ungern gegen die Regierung zu Felde ziehe,<lb/> sich aber verpflichtet fühle, den Cultusminister vor Ausschreitungen zu warnen<lb/> welche das Interesse der nationalen Sache schädigten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1294"> Hatten die liberalen Parteien keinen ihrer Hauptredner mehr ins Treffen<lb/> zu führen, so mußte jetzt geschlossen werden. Die Hauptsachen waren gesagt<lb/> — konnten sie nicht noch besser gesagt werden, so war es die höchste Zeit<lb/> zu schließen — Anträge auf Schluß lagen bereits vor. Aber das Unglaub¬<lb/> liche geschah: die vereinigten Fractionen der Linken stimmten ihrer Majorität<lb/> nach gegen den Schluß und obgleich die wenig versprechende Rednerliste<lb/> verlesen wurde, beschloß man die Debatte Abends fortzusetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1295" next="#ID_1296"> Trüber Ahnungen voll kehrte ich Abends um 7 Uhr auf meinen Platz<lb/> zurück — aber Alles, was ich gefürchtet hatte, wurde weit übertroffen. Herr<lb/> Grund recht, der den Reigen mit einem höchst langathmigen Vortrag er¬<lb/> öffnete, hatte das Unglück, den Augenblick, wo der Niedergang der Debatte<lb/> begann, mit der Mahnung, der Minister möge zurücktreten, aller Welt deut¬<lb/> lich zu bezeichnen; Herr Lesse gab statistische Daten über den traurigen Zu¬<lb/> stand des Volksschulwesens in Westpreußen, auf die kaum noch Jemand<lb/> hörte; Herr v. Sybel wiederholte, was bereits Vormittags und mit sehr viel<lb/> mehr Nachdruck über den schädlichen Einfluß des Confessionalismus gesagt worden<lb/> war. Als er schloß, sah ich zum Mtnistertisch hinüber: Herr v. Muster. der sonst<lb/> wenigstens zuweilen hinausgeschaut hatte, war so ausschließlich mit den vor ihm<lb/> liegenden Papieren beschäftigt, daß sich ersehen ließ, erhalte die Debatte längst<lb/> für geschlossen. Das Haus aber war anderer Ansicht und die Debatte in der That<lb/> nicht geschlossen: HerrLaßwitz betrat den Rednerplatz, um Allem, was von erhe¬<lb/> benden und wirksamen Resultaten des Vormittags übrig geblieben war. vollends<lb/> den Todesstoß zu geben. Er verstand es, sofort jenen tiefsten Ton der Leut¬<lb/> seligkeit anzuschlagen, der jedes feinere Gefühl, mag es mit liberalen oder<lb/> konservativen Saiten bespannt sein, an und für sich verletzt. Hätte Herr La߬<lb/> witz nicht durch die Energie seines Bekenntnisses für Unglauben. Freiheit, Fort¬<lb/> schritt, Zeitgeist u. s. w. alle Zweifel daran ausgeschlossen, daß er die „ent¬<lb/> schiedene" Demokratie Breslaus vertritt — wir hätten ihn für einen Agen¬<lb/> ten der Wantrup'schen Humoristenschule gehalten, dazu bestimmt Vor- und<lb/> Nachredner der liberalen Partei lahm zu legen. Von dem was folgt zu<lb/> reden, ist eigentlich überflüssig — die Sache, welcher es galt, war nicht mehr<lb/> zu retten, obgleich die Verhandlungen noch anderthalb Stunden dauer¬<lb/> ten und zunächst von Reichensperger fortgesetzt wurden. Virchow, dem<lb/> die schwierige Aufgabe zugefallen war. nach Herrn Laßwitz im Namen der<lb/> Opposition zu reden, begnügte sich leider nicht damit, zu constatiren, daß</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
ebenso schädlich seien, wie der nationalen Sache. Der Schluß dieser Rede,
welcher die Staatsgefährlichkeit der wieder erwachten confessionellen Gegen¬
sätze nachwies, hob die Debatte aus den Wantrup'schen Sümpfen aus eine
Höhe, wie sie noch nicht erreicht worden war. Ihr Erfolg mißt sich nicht
sowohl an dem lebhaften Beifall, mit dem sie aufgenommen wurde, als an
dem Ton, den der Minister in seiner Antwort anschlug: er begann mit der
Versicherung, die Auffassung des Vorredners zu theilen. Schulrath Bleak,
der sodann das Wort ergriff, machte keinen Eindruck-, Dr. Techow, der ihm
folgte, sprach außerordentlich sachlich und klar — es bedürfte nur noch eines
kräftigen, resumirenden Schlußworts, das die Summe der dem Minister
nachgewiesenen Fehlgriffe zog, und die >sache der Opposition war in den
Augen der Zuschauer gewonnen. Wenn Graf Bethusy-Huc dieses Wort
auch nicht sprach, so machte die Energie, mit welcher er Herrn Wantrup
den Weg wies, doch einen sehr günstigen Eindruck; Namens seiner Partei
erklärte der Redner, daß er nur ungern gegen die Regierung zu Felde ziehe,
sich aber verpflichtet fühle, den Cultusminister vor Ausschreitungen zu warnen
welche das Interesse der nationalen Sache schädigten.
Hatten die liberalen Parteien keinen ihrer Hauptredner mehr ins Treffen
zu führen, so mußte jetzt geschlossen werden. Die Hauptsachen waren gesagt
— konnten sie nicht noch besser gesagt werden, so war es die höchste Zeit
zu schließen — Anträge auf Schluß lagen bereits vor. Aber das Unglaub¬
liche geschah: die vereinigten Fractionen der Linken stimmten ihrer Majorität
nach gegen den Schluß und obgleich die wenig versprechende Rednerliste
verlesen wurde, beschloß man die Debatte Abends fortzusetzen.
Trüber Ahnungen voll kehrte ich Abends um 7 Uhr auf meinen Platz
zurück — aber Alles, was ich gefürchtet hatte, wurde weit übertroffen. Herr
Grund recht, der den Reigen mit einem höchst langathmigen Vortrag er¬
öffnete, hatte das Unglück, den Augenblick, wo der Niedergang der Debatte
begann, mit der Mahnung, der Minister möge zurücktreten, aller Welt deut¬
lich zu bezeichnen; Herr Lesse gab statistische Daten über den traurigen Zu¬
stand des Volksschulwesens in Westpreußen, auf die kaum noch Jemand
hörte; Herr v. Sybel wiederholte, was bereits Vormittags und mit sehr viel
mehr Nachdruck über den schädlichen Einfluß des Confessionalismus gesagt worden
war. Als er schloß, sah ich zum Mtnistertisch hinüber: Herr v. Muster. der sonst
wenigstens zuweilen hinausgeschaut hatte, war so ausschließlich mit den vor ihm
liegenden Papieren beschäftigt, daß sich ersehen ließ, erhalte die Debatte längst
für geschlossen. Das Haus aber war anderer Ansicht und die Debatte in der That
nicht geschlossen: HerrLaßwitz betrat den Rednerplatz, um Allem, was von erhe¬
benden und wirksamen Resultaten des Vormittags übrig geblieben war. vollends
den Todesstoß zu geben. Er verstand es, sofort jenen tiefsten Ton der Leut¬
seligkeit anzuschlagen, der jedes feinere Gefühl, mag es mit liberalen oder
konservativen Saiten bespannt sein, an und für sich verletzt. Hätte Herr La߬
witz nicht durch die Energie seines Bekenntnisses für Unglauben. Freiheit, Fort¬
schritt, Zeitgeist u. s. w. alle Zweifel daran ausgeschlossen, daß er die „ent¬
schiedene" Demokratie Breslaus vertritt — wir hätten ihn für einen Agen¬
ten der Wantrup'schen Humoristenschule gehalten, dazu bestimmt Vor- und
Nachredner der liberalen Partei lahm zu legen. Von dem was folgt zu
reden, ist eigentlich überflüssig — die Sache, welcher es galt, war nicht mehr
zu retten, obgleich die Verhandlungen noch anderthalb Stunden dauer¬
ten und zunächst von Reichensperger fortgesetzt wurden. Virchow, dem
die schwierige Aufgabe zugefallen war. nach Herrn Laßwitz im Namen der
Opposition zu reden, begnügte sich leider nicht damit, zu constatiren, daß
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |