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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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hat erst die allgemeine Wehrpflicht des jungen Geschlechts eine Reihe von
Jahrgängen dem preußischen Heerwesen einverleibt, so wird, daran ist kein
Zweifel, die Monarchie in dem Landvolk dieser Nordmarken ihre festesten
Wurzeln schlagen und der Segen des großen nationalen Gemeinwesens un¬
berechenbare Gebiete des Volksthums auch hier befruchten.

Für den Augenblick muß einem solches Vertrauen freilich über manche
verwirrende Erscheinung des Tages forthelfen. Bekanntlich führte die königliche
Reise zu einer hohen Auszeichnung des Oberpräsidenten v. Scheel-Plessen.
Aengstliche Leute sind dadurch derartig decontenancirt worden, daß ernsthaft
die Möglichkeit besprochen wurde, ob der wirkliche Geheimerath Baron v. Scheel-
Plessen nicht vielleicht der Nachfolger des Grafen Eulenburg als Minister
des Innern werden könne. Etwas ephemerer Art ist das Oberpräsidium ohne¬
hin seit dem 1. October d. I. geworden, seit die vereinigte Regierung in
Schleswig unter Elwanger's Präsidium installirt ist und der Oberpräsident
in Kiel seinen Sitz behalten hat. Die Bedenken, welche von nationalliberaler
Seite im Abgeordnetenhause gegen die gesetzliche Basis der Schleswiger Regierung
geltend gemacht worden sind, vermag ich nicht zu theilen. Die vereinigte Re¬
gierung hat selbstverständlich eine andere interne Organisation, aber materiell
keinen andern Wirkungskreis, keine anderen Befugnisse, als sie die getrennten
beiden Regierungen bereits besaßen, und ich meine, das Ministerium hat jene
Organisation vollkommen borg, Käs im Verordnungswege geregelt, nachdem der
vorjährige Beschluß des Abgeordnetenhauses die Vereinigung beider Re¬
gierungen budgetmäßig forderte, ohne die leiseste Andeutung dafür, daß die
Vereinigung nicht als mechanische Verschmelzung zweier gleichartiger Behörden,
sondern als Combination ganz neuer Verwaltungsideen zu denken sei. Aber
neben dieser einen Regierung ein davon vollkommen getrenntes Ober-
Präsidium, mit drei vortragenden Räthen und Bureau-Personal ausgestattet,
das scheint mir in der That eine Art von Nebenregierung zu sein, ebenso
neu gegenüber dem bisherigen wie allem übrigen Verwaltungsrechte des Staats.
Alles, was Graf Eulenburg als natürliche Erklärung und Rechtfertigung dieser
Eigenthümlichkeit anzuführen versucht hat, gehört in die Classe der wohl¬
feilsten Brombeeren. Ein derartiges Oberpräsidium für eine Provincial-
verwaltung von kaum einer Million Einwohner neben nur einem Regierungs-
collegium ist ein Unicum, das nirgend anderwärts zu finden, das durch
keine sachlichen Bedürfnisse bedingt ist und das unfehlbar mit Herrn v. Scheel-
Plessen eingehen wird. Wäre, was noch im vorigen Jahre eine Zeit lang
möglich schien, v. Zedlitz Oberpräsident geworden, er präsidirte heute sicherlich
der vereinigten Regierung in Schleswig, und Niemand dächte daran, daß es
anders sein könnte.

Bald nach dieser, so zu sagen, vorläufig definitiven Gestaltung der


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hat erst die allgemeine Wehrpflicht des jungen Geschlechts eine Reihe von
Jahrgängen dem preußischen Heerwesen einverleibt, so wird, daran ist kein
Zweifel, die Monarchie in dem Landvolk dieser Nordmarken ihre festesten
Wurzeln schlagen und der Segen des großen nationalen Gemeinwesens un¬
berechenbare Gebiete des Volksthums auch hier befruchten.

Für den Augenblick muß einem solches Vertrauen freilich über manche
verwirrende Erscheinung des Tages forthelfen. Bekanntlich führte die königliche
Reise zu einer hohen Auszeichnung des Oberpräsidenten v. Scheel-Plessen.
Aengstliche Leute sind dadurch derartig decontenancirt worden, daß ernsthaft
die Möglichkeit besprochen wurde, ob der wirkliche Geheimerath Baron v. Scheel-
Plessen nicht vielleicht der Nachfolger des Grafen Eulenburg als Minister
des Innern werden könne. Etwas ephemerer Art ist das Oberpräsidium ohne¬
hin seit dem 1. October d. I. geworden, seit die vereinigte Regierung in
Schleswig unter Elwanger's Präsidium installirt ist und der Oberpräsident
in Kiel seinen Sitz behalten hat. Die Bedenken, welche von nationalliberaler
Seite im Abgeordnetenhause gegen die gesetzliche Basis der Schleswiger Regierung
geltend gemacht worden sind, vermag ich nicht zu theilen. Die vereinigte Re¬
gierung hat selbstverständlich eine andere interne Organisation, aber materiell
keinen andern Wirkungskreis, keine anderen Befugnisse, als sie die getrennten
beiden Regierungen bereits besaßen, und ich meine, das Ministerium hat jene
Organisation vollkommen borg, Käs im Verordnungswege geregelt, nachdem der
vorjährige Beschluß des Abgeordnetenhauses die Vereinigung beider Re¬
gierungen budgetmäßig forderte, ohne die leiseste Andeutung dafür, daß die
Vereinigung nicht als mechanische Verschmelzung zweier gleichartiger Behörden,
sondern als Combination ganz neuer Verwaltungsideen zu denken sei. Aber
neben dieser einen Regierung ein davon vollkommen getrenntes Ober-
Präsidium, mit drei vortragenden Räthen und Bureau-Personal ausgestattet,
das scheint mir in der That eine Art von Nebenregierung zu sein, ebenso
neu gegenüber dem bisherigen wie allem übrigen Verwaltungsrechte des Staats.
Alles, was Graf Eulenburg als natürliche Erklärung und Rechtfertigung dieser
Eigenthümlichkeit anzuführen versucht hat, gehört in die Classe der wohl¬
feilsten Brombeeren. Ein derartiges Oberpräsidium für eine Provincial-
verwaltung von kaum einer Million Einwohner neben nur einem Regierungs-
collegium ist ein Unicum, das nirgend anderwärts zu finden, das durch
keine sachlichen Bedürfnisse bedingt ist und das unfehlbar mit Herrn v. Scheel-
Plessen eingehen wird. Wäre, was noch im vorigen Jahre eine Zeit lang
möglich schien, v. Zedlitz Oberpräsident geworden, er präsidirte heute sicherlich
der vereinigten Regierung in Schleswig, und Niemand dächte daran, daß es
anders sein könnte.

Bald nach dieser, so zu sagen, vorläufig definitiven Gestaltung der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/499>, abgerufen am 05.02.2025.