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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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für die gezahlte Summe und für die überkommene Verpflichtung unentgelt¬
licher Mühwaltungen ansehen konnten. Für wirkliche Gemeindenutzungen
muß stets noch ein besonderes Einkaufgeld gezahlt werden.

Dabei ist das Bürgerrechtsgeld eine spärliche Finanzquelle und steht in
keinem Verhältniß weder zu dem Apparat, den seine Einziehung erfordert,
noch zu dem Odium, den letztere alljährlich bei den Betroffenen gegen die
Magistrate hervorruft.

Endlich trägt das Bürgerrechtsgeld für wenig bemittelte Personen inso¬
fern etwas Gehässiges an sich, als es oft einer Geldstrafe gleich erscheint, die
auf rüstiges Streben gesetzt ist. Hat der fleißige Arbeiter das Ziel seiner
langjährigen Sparsamkeit, ein eigenes kleines Haus, erreicht, ist es dem
Eisenbahnunterbeamten geglückt, sich von 200 auf 250 Thlr. Gehalt empor¬
zuarbeiten, so überrascht ihn nach Jahr und Tag die Stadtcasse, um einen
unverhältnißmäßigen Tribut zu fordern, und zwar zur größten Bestürzung
des neuen Bürgers, denn unsere preußische Bürgerrechtsgesetzgebung steht der
Kenntniß und dem Rechtsbewußtsein des Volkes fern.

In Erwägung aller dieser gegen die Forterhebung des Bürgerrechts¬
geldes sprechenden Gründe haben bereits einige preußische Communen frei¬
willig diese Abgabe fallen lassen. Sie haben aber unter den anderen Städten
bisher keine Nachahmer gefunden. Es dürfte daher geboten erscheinen, daß
im Wege der Gesetzgebung für die ganze Monarchie eine Abgabe beseitigt
werde, die weder mit der Freizügigkeit des norddeutschen Bundes, noch mit
den volkswirtschaftlichen Anschauungen der Jetztzeit im Einklang steht.




Eduard Devrient über Felix Mendelssohn.

Meine Erinnerungen an Felix Ment elssohn-Barth oldy und seine
Briefe an mich. Von Eduard Devrient. Leipzig, I. I. Weber. 1869.

Gern möchte unser Blatt unter den ersten sein, welche dies neue Buch
für den Weihnachtstisch empfehlen, denn längere Zeit ist uns kein Werk vor¬
gekommen, welches so lebendig und anmuthig. mit Pietät und doch mit selb¬
ständigem Urtheil in das Leben eines bedeutenden Künstlers einleitet. Es ist
keine ausgeführte Biographie, nicht Aufzählung der sämmtlichen musikalischen
Werke und nicht kritische Beurtheilung derselben; aber die Persönlichkeit des
Componisten tritt durch das Erzählte mit reinen und scharfen Umrissen in das


für die gezahlte Summe und für die überkommene Verpflichtung unentgelt¬
licher Mühwaltungen ansehen konnten. Für wirkliche Gemeindenutzungen
muß stets noch ein besonderes Einkaufgeld gezahlt werden.

Dabei ist das Bürgerrechtsgeld eine spärliche Finanzquelle und steht in
keinem Verhältniß weder zu dem Apparat, den seine Einziehung erfordert,
noch zu dem Odium, den letztere alljährlich bei den Betroffenen gegen die
Magistrate hervorruft.

Endlich trägt das Bürgerrechtsgeld für wenig bemittelte Personen inso¬
fern etwas Gehässiges an sich, als es oft einer Geldstrafe gleich erscheint, die
auf rüstiges Streben gesetzt ist. Hat der fleißige Arbeiter das Ziel seiner
langjährigen Sparsamkeit, ein eigenes kleines Haus, erreicht, ist es dem
Eisenbahnunterbeamten geglückt, sich von 200 auf 250 Thlr. Gehalt empor¬
zuarbeiten, so überrascht ihn nach Jahr und Tag die Stadtcasse, um einen
unverhältnißmäßigen Tribut zu fordern, und zwar zur größten Bestürzung
des neuen Bürgers, denn unsere preußische Bürgerrechtsgesetzgebung steht der
Kenntniß und dem Rechtsbewußtsein des Volkes fern.

In Erwägung aller dieser gegen die Forterhebung des Bürgerrechts¬
geldes sprechenden Gründe haben bereits einige preußische Communen frei¬
willig diese Abgabe fallen lassen. Sie haben aber unter den anderen Städten
bisher keine Nachahmer gefunden. Es dürfte daher geboten erscheinen, daß
im Wege der Gesetzgebung für die ganze Monarchie eine Abgabe beseitigt
werde, die weder mit der Freizügigkeit des norddeutschen Bundes, noch mit
den volkswirtschaftlichen Anschauungen der Jetztzeit im Einklang steht.




Eduard Devrient über Felix Mendelssohn.

Meine Erinnerungen an Felix Ment elssohn-Barth oldy und seine
Briefe an mich. Von Eduard Devrient. Leipzig, I. I. Weber. 1869.

Gern möchte unser Blatt unter den ersten sein, welche dies neue Buch
für den Weihnachtstisch empfehlen, denn längere Zeit ist uns kein Werk vor¬
gekommen, welches so lebendig und anmuthig. mit Pietät und doch mit selb¬
ständigem Urtheil in das Leben eines bedeutenden Künstlers einleitet. Es ist
keine ausgeführte Biographie, nicht Aufzählung der sämmtlichen musikalischen
Werke und nicht kritische Beurtheilung derselben; aber die Persönlichkeit des
Componisten tritt durch das Erzählte mit reinen und scharfen Umrissen in das


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[0410] für die gezahlte Summe und für die überkommene Verpflichtung unentgelt¬ licher Mühwaltungen ansehen konnten. Für wirkliche Gemeindenutzungen muß stets noch ein besonderes Einkaufgeld gezahlt werden. Dabei ist das Bürgerrechtsgeld eine spärliche Finanzquelle und steht in keinem Verhältniß weder zu dem Apparat, den seine Einziehung erfordert, noch zu dem Odium, den letztere alljährlich bei den Betroffenen gegen die Magistrate hervorruft. Endlich trägt das Bürgerrechtsgeld für wenig bemittelte Personen inso¬ fern etwas Gehässiges an sich, als es oft einer Geldstrafe gleich erscheint, die auf rüstiges Streben gesetzt ist. Hat der fleißige Arbeiter das Ziel seiner langjährigen Sparsamkeit, ein eigenes kleines Haus, erreicht, ist es dem Eisenbahnunterbeamten geglückt, sich von 200 auf 250 Thlr. Gehalt empor¬ zuarbeiten, so überrascht ihn nach Jahr und Tag die Stadtcasse, um einen unverhältnißmäßigen Tribut zu fordern, und zwar zur größten Bestürzung des neuen Bürgers, denn unsere preußische Bürgerrechtsgesetzgebung steht der Kenntniß und dem Rechtsbewußtsein des Volkes fern. In Erwägung aller dieser gegen die Forterhebung des Bürgerrechts¬ geldes sprechenden Gründe haben bereits einige preußische Communen frei¬ willig diese Abgabe fallen lassen. Sie haben aber unter den anderen Städten bisher keine Nachahmer gefunden. Es dürfte daher geboten erscheinen, daß im Wege der Gesetzgebung für die ganze Monarchie eine Abgabe beseitigt werde, die weder mit der Freizügigkeit des norddeutschen Bundes, noch mit den volkswirtschaftlichen Anschauungen der Jetztzeit im Einklang steht. Eduard Devrient über Felix Mendelssohn. Meine Erinnerungen an Felix Ment elssohn-Barth oldy und seine Briefe an mich. Von Eduard Devrient. Leipzig, I. I. Weber. 1869. Gern möchte unser Blatt unter den ersten sein, welche dies neue Buch für den Weihnachtstisch empfehlen, denn längere Zeit ist uns kein Werk vor¬ gekommen, welches so lebendig und anmuthig. mit Pietät und doch mit selb¬ ständigem Urtheil in das Leben eines bedeutenden Künstlers einleitet. Es ist keine ausgeführte Biographie, nicht Aufzählung der sämmtlichen musikalischen Werke und nicht kritische Beurtheilung derselben; aber die Persönlichkeit des Componisten tritt durch das Erzählte mit reinen und scharfen Umrissen in das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/410>, abgerufen am 05.02.2025.