Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Nur ist zu fürchten, daß ihnen auch der Disciplinar- oder Staatsgerichts¬ Mit den letzten Bemerkungen bin ich eigentlich schon aus meiner Rolle Nur ist zu fürchten, daß ihnen auch der Disciplinar- oder Staatsgerichts¬ Mit den letzten Bemerkungen bin ich eigentlich schon aus meiner Rolle <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287667"/> <p xml:id="ID_986" prev="#ID_985"> Nur ist zu fürchten, daß ihnen auch der Disciplinar- oder Staatsgerichts¬<lb/> hof, wie ihn unsere Dissertation wünscht, sobald er etablirt ist. nicht ent-<lb/> gehen würde. Sehr wahr wird bemerkt, daß die Mitglieder dieses Ge¬<lb/> richtshofs juristisch gebildete Staatsmänner sein müssen, welche „durch Selb¬<lb/> ständigkeit. Unabhängigkeit. Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet<lb/> sind, welche außerhalb des Getriebes und der Leidenschaften der Parteien<lb/> mit dem Gefühl der Pflicht und Bedeutung ihrer Aufgabe einen tiefen Patrio¬<lb/> tismus und das Bewußtsein ihrer großen moralischen Verantwortlichkeit ver¬<lb/> binden", welche „zugleich einen richtigen politischen Blick, eine tiefe Erkennt¬<lb/> niß des Wesens, der Bedürfnisse und Geschäfte des Staats besitzen." Aber<lb/> der Verfasser läßt uns zu unserem Bedauern bei der nahe liegenden Frage<lb/> völlig im Stich, wie er sich ungefähr die Ermittelung dieser Besten des Volks,<lb/> die Art ihrer Berufung und Ernennung, insbesondere auch die formalen<lb/> Garantien ihrer vollen Unabhängigkeit von Regierung, wie Volksvertretung<lb/> denkt. Ist dies ins Klare gestellt, dann würde sich freilich der obige Zweifel<lb/> wiederholen, ob es nicht rathsamer wäre, diesen Männern sofort das Mi¬<lb/> nisteramt selbst anzuvertrauen und Garantien ausfindig zu machen, die nur<lb/> solchen Männern das verantwortliche Amt zugänglich machen. Hier ist noch<lb/> ein weiter Spielraum wissenschaftlichen Forschens, von dem wir nicht zweifeln,<lb/> daß der Verfasser in Fortsetzung seiner scharfsinnigen Studien ihn ausfüllen<lb/> wird. Vielleicht führen ihn diese noch zur Verwerthung eines weiteren<lb/> Gesichtspunktes, dessen Berücksichtigung wir ihm mit Vorsicht anheimgeben<lb/> möchten. Die Praxis des constitutionellen Staatsrechts hat bekanntlich<lb/> auf dem Gebiet der disciplinären Verantwortlichkeit der Staatsdiener zu<lb/> einer vorzüglichen Einrichtung geführt, die gerade bei den wichtigsten con¬<lb/> stitutionellen Amtsstellungen ein gutes Theil des Disciplinarrechts mit dessen<lb/> älteren schwerfälligen Formen obsolet gemacht hat. Wir meinen die Zur-<lb/> dispositionstellung im Interesse des Dienstes. Es ist dies offenbar eine<lb/> schöne Fortentwickelung der constitutionellen Disciplin über die Beamten,<lb/> und es erscheint um so auffälliger, daß dieser interessante Gesichtspunkt von<lb/> der constitutionellen Theorie bei der Lehre von der Ministerverantwortlich¬<lb/> keit nicht fruchtbringender ausgebeutet worden ist, als die Minister doch be¬<lb/> reits von Seiten des Fürsten dieser Zurdispositionstellung unterliegen. Wäre<lb/> zur Herstellung constitutionellen Gleichgewichts und vollster Realisirung con-<lb/> stitutioneller Verantwortlichkeit für die Volksvertretung nicht ein gleiches<lb/> Recht zu erstreben und der Anspruch darauf dogmatisch zu begründen?</p><lb/> <p xml:id="ID_987" next="#ID_988"> Mit den letzten Bemerkungen bin ich eigentlich schon aus meiner Rolle<lb/> des Referenten herausgefallen und es wird mir in der That schwer, den<lb/> trockenen Ton dieser Dogmatik länger festzuhalten. Für meinen ketzerischen<lb/> Laienstandpunkt ist all' das mit all' seinem respectablen Aufwand von Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
Nur ist zu fürchten, daß ihnen auch der Disciplinar- oder Staatsgerichts¬
hof, wie ihn unsere Dissertation wünscht, sobald er etablirt ist. nicht ent-
gehen würde. Sehr wahr wird bemerkt, daß die Mitglieder dieses Ge¬
richtshofs juristisch gebildete Staatsmänner sein müssen, welche „durch Selb¬
ständigkeit. Unabhängigkeit. Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet
sind, welche außerhalb des Getriebes und der Leidenschaften der Parteien
mit dem Gefühl der Pflicht und Bedeutung ihrer Aufgabe einen tiefen Patrio¬
tismus und das Bewußtsein ihrer großen moralischen Verantwortlichkeit ver¬
binden", welche „zugleich einen richtigen politischen Blick, eine tiefe Erkennt¬
niß des Wesens, der Bedürfnisse und Geschäfte des Staats besitzen." Aber
der Verfasser läßt uns zu unserem Bedauern bei der nahe liegenden Frage
völlig im Stich, wie er sich ungefähr die Ermittelung dieser Besten des Volks,
die Art ihrer Berufung und Ernennung, insbesondere auch die formalen
Garantien ihrer vollen Unabhängigkeit von Regierung, wie Volksvertretung
denkt. Ist dies ins Klare gestellt, dann würde sich freilich der obige Zweifel
wiederholen, ob es nicht rathsamer wäre, diesen Männern sofort das Mi¬
nisteramt selbst anzuvertrauen und Garantien ausfindig zu machen, die nur
solchen Männern das verantwortliche Amt zugänglich machen. Hier ist noch
ein weiter Spielraum wissenschaftlichen Forschens, von dem wir nicht zweifeln,
daß der Verfasser in Fortsetzung seiner scharfsinnigen Studien ihn ausfüllen
wird. Vielleicht führen ihn diese noch zur Verwerthung eines weiteren
Gesichtspunktes, dessen Berücksichtigung wir ihm mit Vorsicht anheimgeben
möchten. Die Praxis des constitutionellen Staatsrechts hat bekanntlich
auf dem Gebiet der disciplinären Verantwortlichkeit der Staatsdiener zu
einer vorzüglichen Einrichtung geführt, die gerade bei den wichtigsten con¬
stitutionellen Amtsstellungen ein gutes Theil des Disciplinarrechts mit dessen
älteren schwerfälligen Formen obsolet gemacht hat. Wir meinen die Zur-
dispositionstellung im Interesse des Dienstes. Es ist dies offenbar eine
schöne Fortentwickelung der constitutionellen Disciplin über die Beamten,
und es erscheint um so auffälliger, daß dieser interessante Gesichtspunkt von
der constitutionellen Theorie bei der Lehre von der Ministerverantwortlich¬
keit nicht fruchtbringender ausgebeutet worden ist, als die Minister doch be¬
reits von Seiten des Fürsten dieser Zurdispositionstellung unterliegen. Wäre
zur Herstellung constitutionellen Gleichgewichts und vollster Realisirung con-
stitutioneller Verantwortlichkeit für die Volksvertretung nicht ein gleiches
Recht zu erstreben und der Anspruch darauf dogmatisch zu begründen?
Mit den letzten Bemerkungen bin ich eigentlich schon aus meiner Rolle
des Referenten herausgefallen und es wird mir in der That schwer, den
trockenen Ton dieser Dogmatik länger festzuhalten. Für meinen ketzerischen
Laienstandpunkt ist all' das mit all' seinem respectablen Aufwand von Ge-
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