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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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tiges Unterkommen für Reisende, an einigen Orten gar keines zu finden
war. Die erste Abtheilung marschirte unter Aufsicht des Platzmajors Obrist-
lieutenant Leparsky, eines Neffen unseres Commandanten, die zweite wurde
von dem greisen Commandanten selbst geführt; jede Abtheilung war von
einer hinlänglichen Anzahl Geleitssoldaten und von Kosaken escortirt. Zum
Transport der Sachen waren Fuhrwerke gemiethet worden, deren Benutzung
zum Fahren nur denjenigen meiner Kameraden gestattet war. die entweder
eine schwache Gesundheit hatten oder von Wunden bedeckt waren; unter
Letzteren befanden sich Fonwisin, Fürst Trubetzkoy, Schweikowsky, Lunin,
Fürst Wolkonsky, Jakubowitsch. Mittkow, Dawydow und Abramow. --
Jede Abtheilung hatte einen erwählten Aeltesten: bei der ersten fungirte
N. N. Suthoff, bei der zweiten meine Person; wir mußten, ebenfalls unter
Geleite, einen Tag früher als die Uebrigen mit Küche und Proviant aus¬
rücken, um die Mittags- und Abendmahlzeiten vorbereiten zu lassen. Nach
je zwei Marschtagen hatten wir einen Rasttag. Unsere Reise war volle 100
Meilen (700 Werst) lang und dauerte 48 Tage. Die Frauen begleiteten
uns einige Tagemarsche weit, dann fuhren sie, da sie keine Quartiere finden
konnten, bis Werchne-Udinsk voraus; von diesem Punkt an kamen wieder
große Dörfer vor, die uns beherbergen konnten.

Die erste Abtheilung rückte am 4. August aus, anderen Tages folgte die
zweite. Die Bewohner von Tschita begleiteten uns mit ungeheuchelter Rüh¬
rung eine Strecke Weges, denn unser Aufenthalt hatte ihnen große Vor¬
theile verschafft: sie hatten reichlichere Einnahmen gehabt, dadurch sich besser
angebaut und durch die neuen Häuser des Commandanten und der Damen
Trubetzkoy, Wolkonsky und Annenkow eine wirkliche Verschönerung ihres
Orts erfahren. Die Damen Murawjew. Naryschkin und Dawydow lebten
in gemietheten Häusern, die sie hatten ausbauen lassen. -- Bis zur Stadt
Werchne-Udinsk führte eine Poststraße; an jeder Station waren ein kleines Post¬
haus und einige Hütten zu finden, auf der ganzen Strecke dagegen, die von
Burjäten eingenommen ist, existirte kein einziges Dorf. Unsere Nachtlager
und die Punkte, an denen wir die Rasttage verbrachten, waren mit Jurten
der Burjäten versehen: kegelförmigen Filzzelten, in welchen je vier Mann
Platz hatten. Mehrere solcher Zelte, in einer Linie aufgestellt, boten das
Ansehen eines kleinen Lagers dar, zumal sie rings von Wachtposten und
Pickels umgeben waren. Gekocht wurde im Freien, bet Regenwetter der
Kessel mit einem aus Latten und Baumästen gefertigten Notstand bedeckt. --
Die stärkende Herbstluft, die am Tage warm genug war, Nachts aber bis zu
acht Grad Kälte stieg, und die Bewegung in einer bergreichen Gegend erfrischtem
die Gesundheit unserer Schaar. Einige Tage lang führte unser Weg durch
Berg und Thal, von allen Seiten starrten uns Berge entgegen, kaum daß


tiges Unterkommen für Reisende, an einigen Orten gar keines zu finden
war. Die erste Abtheilung marschirte unter Aufsicht des Platzmajors Obrist-
lieutenant Leparsky, eines Neffen unseres Commandanten, die zweite wurde
von dem greisen Commandanten selbst geführt; jede Abtheilung war von
einer hinlänglichen Anzahl Geleitssoldaten und von Kosaken escortirt. Zum
Transport der Sachen waren Fuhrwerke gemiethet worden, deren Benutzung
zum Fahren nur denjenigen meiner Kameraden gestattet war. die entweder
eine schwache Gesundheit hatten oder von Wunden bedeckt waren; unter
Letzteren befanden sich Fonwisin, Fürst Trubetzkoy, Schweikowsky, Lunin,
Fürst Wolkonsky, Jakubowitsch. Mittkow, Dawydow und Abramow. —
Jede Abtheilung hatte einen erwählten Aeltesten: bei der ersten fungirte
N. N. Suthoff, bei der zweiten meine Person; wir mußten, ebenfalls unter
Geleite, einen Tag früher als die Uebrigen mit Küche und Proviant aus¬
rücken, um die Mittags- und Abendmahlzeiten vorbereiten zu lassen. Nach
je zwei Marschtagen hatten wir einen Rasttag. Unsere Reise war volle 100
Meilen (700 Werst) lang und dauerte 48 Tage. Die Frauen begleiteten
uns einige Tagemarsche weit, dann fuhren sie, da sie keine Quartiere finden
konnten, bis Werchne-Udinsk voraus; von diesem Punkt an kamen wieder
große Dörfer vor, die uns beherbergen konnten.

Die erste Abtheilung rückte am 4. August aus, anderen Tages folgte die
zweite. Die Bewohner von Tschita begleiteten uns mit ungeheuchelter Rüh¬
rung eine Strecke Weges, denn unser Aufenthalt hatte ihnen große Vor¬
theile verschafft: sie hatten reichlichere Einnahmen gehabt, dadurch sich besser
angebaut und durch die neuen Häuser des Commandanten und der Damen
Trubetzkoy, Wolkonsky und Annenkow eine wirkliche Verschönerung ihres
Orts erfahren. Die Damen Murawjew. Naryschkin und Dawydow lebten
in gemietheten Häusern, die sie hatten ausbauen lassen. — Bis zur Stadt
Werchne-Udinsk führte eine Poststraße; an jeder Station waren ein kleines Post¬
haus und einige Hütten zu finden, auf der ganzen Strecke dagegen, die von
Burjäten eingenommen ist, existirte kein einziges Dorf. Unsere Nachtlager
und die Punkte, an denen wir die Rasttage verbrachten, waren mit Jurten
der Burjäten versehen: kegelförmigen Filzzelten, in welchen je vier Mann
Platz hatten. Mehrere solcher Zelte, in einer Linie aufgestellt, boten das
Ansehen eines kleinen Lagers dar, zumal sie rings von Wachtposten und
Pickels umgeben waren. Gekocht wurde im Freien, bet Regenwetter der
Kessel mit einem aus Latten und Baumästen gefertigten Notstand bedeckt. —
Die stärkende Herbstluft, die am Tage warm genug war, Nachts aber bis zu
acht Grad Kälte stieg, und die Bewegung in einer bergreichen Gegend erfrischtem
die Gesundheit unserer Schaar. Einige Tage lang führte unser Weg durch
Berg und Thal, von allen Seiten starrten uns Berge entgegen, kaum daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/368>, abgerufen am 05.02.2025.