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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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hält. Ihre bisherigen Beiträge zu allgemeinen Landeslasten hat sie, soweit
sie nicht auf Vereinbarung beruhen, nach ihrer Auffassung nur freiwillig,
ohne rechtliche Verpflichtung geleistet. Bis zum Jahre 1863 bestanden auch
ausschließliche Rechte der Bürger auf Benutzung des Hafens und auf Han¬
delsbetrieb in der Stadt. Die Ertheilung von Concessionen zum Gewerbe¬
betrieb und von Zunftrollen liegt in den Händen des Magistrats. Bis zum
Erlasse des Bundesfreizügigkeitsgesetzes erfreute sich die Stadt auch des durch
ihre statutarische Gesetzgebung festgestellten Rechtes, keine Juden aufzunehmen.
Von alter Zeit her besitzt sie das Münzrecht, welches sie noch jetzt durch
Ausprägung von Dreilingen und Pfennigen geltend macht.

Mit der politischen Sonderstellung der Stadt war bis zum Jahre 1863
auch eine Abgeschlossenheit in Bezug auf Handel und Verkehr verbunden,
welche der Stadt zum großen Nachtheil gereichte. Auf dem Seewege für
Ein- und Ausfuhr mit einem landesherrlichen Zoll ("Licent") und für den
gesammten Handel außerdem mit einer städtischen Accise belastet, mußten die
Waaren bei ihrer Versendung von Wismar in die Landstädte hier noch den
vollen Betrag der Handelssteuer entrichten.

Dieser drückenden Absperrung von dem übrigen Lande machte erst die
neue mecklenburgische Steuer- und Zollgesetzgebung, welche am 1. Oct. 1863
ins Leben trat, ein Ende. Wismar hatte durch einen Vertrag mit der Re¬
gierung vom 19. März 1863 sich der neuen Gesetzgebung angeschlossen. Die
Hauptbestimmungen dieses Vertrages waren folgende:

Wismar unterwirft sich dem zwischen Landesherrn und Ständen verein¬
barten neuen Zollsystem. Die rücksichtlich des Eingangszolls im Wege der
Landesverfassung zu Stande kommenden Gesetze (das Zollgesetz, der Zolltarif
u. s. w.) erhalten sür Wismar volle Gültigkeit. Sie ist daher den Be¬
stimmungen dieser Gesetze gleich den anderen Landestheilen unterworfen und
gibt rücksichilich derselben ihre bisherige Sonderstellung auf. Die Stadt
Wismar darf sich auf ihre Kosten durch einen Deputirten des Magistrats,
der aber nur berathende Stimme hat, mit der Stadt Rostock abwechselnd an
der Revision und Visitation der Centralzollbehörde betheiligen und erhält
von allen Zusammenkünften der Visttationscommission vorgängige Anzeige.
"Wird hierdurch der Stadt schon Gelegenheit gegeben, von den Aenderungen
in der Zollgesetzgebung Kenntniß zu nehmen, welche in der Visitationscom-
Mission zur Vorbereitung verfassungsmäßiger Verhandlung werden berathen
werden, so sollen derselben doch auch noch, so lange sie in den ständischen
Verband nicht aufgenommen sein wird, die bezüglichen an den Landtag zu
bringenden Vorlagen rechtzeitig mitgetheilt werden, um ihre etwaigen Wünsche
zur Erwägung und eventuellen Vertretung derselben dem Staatsministerium
vortragen zu können." Die Verwaltung des Eingangszolles wird auch für


hält. Ihre bisherigen Beiträge zu allgemeinen Landeslasten hat sie, soweit
sie nicht auf Vereinbarung beruhen, nach ihrer Auffassung nur freiwillig,
ohne rechtliche Verpflichtung geleistet. Bis zum Jahre 1863 bestanden auch
ausschließliche Rechte der Bürger auf Benutzung des Hafens und auf Han¬
delsbetrieb in der Stadt. Die Ertheilung von Concessionen zum Gewerbe¬
betrieb und von Zunftrollen liegt in den Händen des Magistrats. Bis zum
Erlasse des Bundesfreizügigkeitsgesetzes erfreute sich die Stadt auch des durch
ihre statutarische Gesetzgebung festgestellten Rechtes, keine Juden aufzunehmen.
Von alter Zeit her besitzt sie das Münzrecht, welches sie noch jetzt durch
Ausprägung von Dreilingen und Pfennigen geltend macht.

Mit der politischen Sonderstellung der Stadt war bis zum Jahre 1863
auch eine Abgeschlossenheit in Bezug auf Handel und Verkehr verbunden,
welche der Stadt zum großen Nachtheil gereichte. Auf dem Seewege für
Ein- und Ausfuhr mit einem landesherrlichen Zoll („Licent") und für den
gesammten Handel außerdem mit einer städtischen Accise belastet, mußten die
Waaren bei ihrer Versendung von Wismar in die Landstädte hier noch den
vollen Betrag der Handelssteuer entrichten.

Dieser drückenden Absperrung von dem übrigen Lande machte erst die
neue mecklenburgische Steuer- und Zollgesetzgebung, welche am 1. Oct. 1863
ins Leben trat, ein Ende. Wismar hatte durch einen Vertrag mit der Re¬
gierung vom 19. März 1863 sich der neuen Gesetzgebung angeschlossen. Die
Hauptbestimmungen dieses Vertrages waren folgende:

Wismar unterwirft sich dem zwischen Landesherrn und Ständen verein¬
barten neuen Zollsystem. Die rücksichtlich des Eingangszolls im Wege der
Landesverfassung zu Stande kommenden Gesetze (das Zollgesetz, der Zolltarif
u. s. w.) erhalten sür Wismar volle Gültigkeit. Sie ist daher den Be¬
stimmungen dieser Gesetze gleich den anderen Landestheilen unterworfen und
gibt rücksichilich derselben ihre bisherige Sonderstellung auf. Die Stadt
Wismar darf sich auf ihre Kosten durch einen Deputirten des Magistrats,
der aber nur berathende Stimme hat, mit der Stadt Rostock abwechselnd an
der Revision und Visitation der Centralzollbehörde betheiligen und erhält
von allen Zusammenkünften der Visttationscommission vorgängige Anzeige.
„Wird hierdurch der Stadt schon Gelegenheit gegeben, von den Aenderungen
in der Zollgesetzgebung Kenntniß zu nehmen, welche in der Visitationscom-
Mission zur Vorbereitung verfassungsmäßiger Verhandlung werden berathen
werden, so sollen derselben doch auch noch, so lange sie in den ständischen
Verband nicht aufgenommen sein wird, die bezüglichen an den Landtag zu
bringenden Vorlagen rechtzeitig mitgetheilt werden, um ihre etwaigen Wünsche
zur Erwägung und eventuellen Vertretung derselben dem Staatsministerium
vortragen zu können." Die Verwaltung des Eingangszolles wird auch für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/36>, abgerufen am 05.02.2025.