Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.(die einzigen. die dem Verfasser für diesen Zeitraum zugänglich waren) einen (die einzigen. die dem Verfasser für diesen Zeitraum zugänglich waren) einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0342" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287614"/> <p xml:id="ID_875" prev="#ID_874" next="#ID_876"> (die einzigen. die dem Verfasser für diesen Zeitraum zugänglich waren) einen<lb/> zuverlässigen Leitfaden, wenn der Werth desselben auch durch die Unmög¬<lb/> lichkeit des Vergleichs mit den Berichten anderer Gesandten geschmälert<lb/> wurde; der eigentliche Schauplatz der Entwickelung, der Boden, auf welchem<lb/> die eigentlichen Krisen sich vollzogen, ist in diesem Zeitabschnitte aber<lb/> Spanien selbst. Dieses ließ sich aus den zeitgenössischen Journalen und<lb/> Flugschriften ungleich besser studiren. als aus den Darstellungen interessirter<lb/> diplomatischerZuschauer. —Abweichend von einer großen Zahl früherer Be-<lb/> urtheiler. die. unter dem Einfluß der liberalen Ueberschwänglichkeit ihrer Zeit<lb/> stehend, die Hauptschuld an dem traurigen Ausgang des zweiten constitutio-<lb/> nellen Experiments in Spanien bei seinen Gegnern gesucht hatten, leitet<lb/> unser Verfasser den Bankerott der liberalen Sache aus dem Ungeschick ihrer<lb/> Vertreter, der Maßlosigkeit der Exaltados und der abergläubischen Voreinge¬<lb/> nommenheit der gesammten freisinnigen Partei für die unpraktische Ver¬<lb/> fassung von 1812 ab. Mit dieser Verfassung, die das Lteblingskind auch<lb/> ihrer deutschen, französischen und italienischen Zeitgenossen war, ließ sich —<lb/> wie Wellington schon früher gesagt hatte und wie Baumgarten nach unpar¬<lb/> teiischer Prüfung bestätigt — in der That nicht regieren. Ihre freisinnig-<lb/> doctrinären Vorschriften standen nicht nur im Gegensatz zu der Unbildung<lb/> und Verwilderung des Volks, für welche sie gegeben waren, sie paßten nicht<lb/> nur nicht für die Zustände, welche sie entwirren sollten — sie waren so be¬<lb/> schaffen, daß selbst eine gebildetere, von einsichtigen und wohlwollenden<lb/> Fürsten und Staatsmännern geleitete Nation mit ihr nicht zurecht gekommen<lb/> wäre. Die königliche Macht war auf ein Minimum beschränkt, welches keinem<lb/> Regenten, der ein Gefühl von der Würde und Verantwortlichkeit seines<lb/> Amtes hatte, genügen konnte, und einem in den Traditionen des spanischen Ab¬<lb/> solutismus erzogenen Bourbonen aber zeitlebens ein Gräuel sein und bleiben<lb/> mußte, weil er'durch dasselbe zum Werkzeug nicht seiner Minister, sondern der<lb/> zufälligen Majorität in den Cortes gemacht wurde. Die Räthe der Krone,<lb/> die parlamentarische Minister im eminenten Sinne des Worts sein sollten,<lb/> waren völlig außer Stande, den Einfluß auf ihre Parteigenossen, der die<lb/> Grundlage ihrer gesammten Stellung bilden sollte, irgend zu bethätigen; sie<lb/> waren nicht die Führer der Majorität, sondern rechtlich höchst beschränkte<lb/> Diener derselben. Nach einer gradezu unsinnigen Vorschrift der Constitu-<lb/> tion von 1812 (an welcher nichtsdestoweniger von allen Parteien, ja von<lb/> den Gliedern des Cabinets Argüelles selbst, unbedingt festgehalten wurde)<lb/> dürften die Minister an den Verhandlungen des Parlaments regelmäßig<lb/> keinen Antheil nehmen, nicht einmal den Sitzungen desselben beiwohnen.<lb/> Ihr Erscheinen war auf die Fälle beschränkt, in denen sie von den Cortes<lb/> zur Theilnahme an der Debatte eingeladen wurden. Für alle wichtigen<lb/> Verhandlungen konnten Einfluß und Beredtsamkeit der Regierungs¬<lb/> vertreter ohne Weiteres dadurch bloßgelegt werden, daß ein Radikaler<lb/> ihre Abwesenheit benutzte oder ihre Nichteinladung durchsetzte. „Die Minister<lb/> sollten aufs strengste an das Vertrauen der Versammlung gebunden sein und<lb/> doch im Besitz dieses Vertrauens Nichts vorstellen, als die Vollstrecker des<lb/> souveränen Willens der Versammlung, auf dessen Formulirung sie in keiner<lb/> Weise einwirken konnten. Die eigentliche Regierungsgewalt lag in den<lb/> Cortes, mußte in ihnen liegen, so lange diese Verfassung galt. Die Coates<lb/> gebärdeten sich demgemäß als ein Complex sämmtlicher Ministerien und über¬<lb/> dies der höchsten Gerichte, in dem legislative und administrative Formen, po¬<lb/> litische und richterliche Functtonen ein unglaubliches Chaos bildeten. Wie<lb/> ein Regierungscollegwm ließen sie sich auf alle Details der Verwaltung ein, wie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0342]
(die einzigen. die dem Verfasser für diesen Zeitraum zugänglich waren) einen
zuverlässigen Leitfaden, wenn der Werth desselben auch durch die Unmög¬
lichkeit des Vergleichs mit den Berichten anderer Gesandten geschmälert
wurde; der eigentliche Schauplatz der Entwickelung, der Boden, auf welchem
die eigentlichen Krisen sich vollzogen, ist in diesem Zeitabschnitte aber
Spanien selbst. Dieses ließ sich aus den zeitgenössischen Journalen und
Flugschriften ungleich besser studiren. als aus den Darstellungen interessirter
diplomatischerZuschauer. —Abweichend von einer großen Zahl früherer Be-
urtheiler. die. unter dem Einfluß der liberalen Ueberschwänglichkeit ihrer Zeit
stehend, die Hauptschuld an dem traurigen Ausgang des zweiten constitutio-
nellen Experiments in Spanien bei seinen Gegnern gesucht hatten, leitet
unser Verfasser den Bankerott der liberalen Sache aus dem Ungeschick ihrer
Vertreter, der Maßlosigkeit der Exaltados und der abergläubischen Voreinge¬
nommenheit der gesammten freisinnigen Partei für die unpraktische Ver¬
fassung von 1812 ab. Mit dieser Verfassung, die das Lteblingskind auch
ihrer deutschen, französischen und italienischen Zeitgenossen war, ließ sich —
wie Wellington schon früher gesagt hatte und wie Baumgarten nach unpar¬
teiischer Prüfung bestätigt — in der That nicht regieren. Ihre freisinnig-
doctrinären Vorschriften standen nicht nur im Gegensatz zu der Unbildung
und Verwilderung des Volks, für welche sie gegeben waren, sie paßten nicht
nur nicht für die Zustände, welche sie entwirren sollten — sie waren so be¬
schaffen, daß selbst eine gebildetere, von einsichtigen und wohlwollenden
Fürsten und Staatsmännern geleitete Nation mit ihr nicht zurecht gekommen
wäre. Die königliche Macht war auf ein Minimum beschränkt, welches keinem
Regenten, der ein Gefühl von der Würde und Verantwortlichkeit seines
Amtes hatte, genügen konnte, und einem in den Traditionen des spanischen Ab¬
solutismus erzogenen Bourbonen aber zeitlebens ein Gräuel sein und bleiben
mußte, weil er'durch dasselbe zum Werkzeug nicht seiner Minister, sondern der
zufälligen Majorität in den Cortes gemacht wurde. Die Räthe der Krone,
die parlamentarische Minister im eminenten Sinne des Worts sein sollten,
waren völlig außer Stande, den Einfluß auf ihre Parteigenossen, der die
Grundlage ihrer gesammten Stellung bilden sollte, irgend zu bethätigen; sie
waren nicht die Führer der Majorität, sondern rechtlich höchst beschränkte
Diener derselben. Nach einer gradezu unsinnigen Vorschrift der Constitu-
tion von 1812 (an welcher nichtsdestoweniger von allen Parteien, ja von
den Gliedern des Cabinets Argüelles selbst, unbedingt festgehalten wurde)
dürften die Minister an den Verhandlungen des Parlaments regelmäßig
keinen Antheil nehmen, nicht einmal den Sitzungen desselben beiwohnen.
Ihr Erscheinen war auf die Fälle beschränkt, in denen sie von den Cortes
zur Theilnahme an der Debatte eingeladen wurden. Für alle wichtigen
Verhandlungen konnten Einfluß und Beredtsamkeit der Regierungs¬
vertreter ohne Weiteres dadurch bloßgelegt werden, daß ein Radikaler
ihre Abwesenheit benutzte oder ihre Nichteinladung durchsetzte. „Die Minister
sollten aufs strengste an das Vertrauen der Versammlung gebunden sein und
doch im Besitz dieses Vertrauens Nichts vorstellen, als die Vollstrecker des
souveränen Willens der Versammlung, auf dessen Formulirung sie in keiner
Weise einwirken konnten. Die eigentliche Regierungsgewalt lag in den
Cortes, mußte in ihnen liegen, so lange diese Verfassung galt. Die Coates
gebärdeten sich demgemäß als ein Complex sämmtlicher Ministerien und über¬
dies der höchsten Gerichte, in dem legislative und administrative Formen, po¬
litische und richterliche Functtonen ein unglaubliches Chaos bildeten. Wie
ein Regierungscollegwm ließen sie sich auf alle Details der Verwaltung ein, wie
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