Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Bezug genommen haben, ist rein staatsrechtlicher Natur, sie betrifft das in Während die "Denkschrift" ihre Argumentation auf die "Thatsache" ba- -) Wir erwähnen der Vollständigkeit halber und um uns von gegnerischer Seite keiner Unterschlagung zeihen zu lassen, daß es auch nicht an gelegentlichen Rechtfertigungsversuchen seitens der Regierungscommissare im Abgeordnetenhause gefehlt hat, die sich aber stets auf 37*
Bezug genommen haben, ist rein staatsrechtlicher Natur, sie betrifft das in Während die „Denkschrift" ihre Argumentation auf die „Thatsache" ba- -) Wir erwähnen der Vollständigkeit halber und um uns von gegnerischer Seite keiner Unterschlagung zeihen zu lassen, daß es auch nicht an gelegentlichen Rechtfertigungsversuchen seitens der Regierungscommissare im Abgeordnetenhause gefehlt hat, die sich aber stets auf 37*
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Bezug genommen haben, ist rein staatsrechtlicher Natur, sie betrifft das in
aller Staatspraxis unerhörte und vollkommen unerreicht dastehende Novum
— wir bedienen uns dieses Ausdrucks mit gutem Bedacht — daß seit 11
Jahren an einem Theil der Gefangenen eine gesetzlich nicht erkannte und
unmöglich zu erkennende, weil in dem Strafgesetzbuch gar nicht vorgesehene
Strafe — die der Einzelhaft — vollstreckt wird. Von der Verwaltung, welche
sich aus eigener Machtvollkommenheit zu dieser Umwandlung befugt hält
und die allen Resolutionen des Abgeordnetenhauses entgegen auf ihrem ver¬
meintlichen Rechtsstandpunkt einfach verharrte, ist nur einmal der Versuch
einer Rechtfertigung ihrer Auffassung in einer 1861 dem Landtag über¬
reichten Denkschrift des Ministeriums des Innern gemacht worden, die we¬
nigstens das Verdienst hatte, daß sie Veranlassung zu einer von einem
unserer scharfsinnigsten Juristen verfaßten Gegenschrift wurde (v. Holtzendorff.
„Gesetz oder Verwaltungsmaxime?"), deren vernichtende Schärfe den Streit¬
punkt ein für allemal entschieden hat.
Während die „Denkschrift" ihre Argumentation auf die „Thatsache" ba-
sirte, „daß die Einzelhaft aus dem sittlichen Ernst der bisherigen Strafanstalts¬
verwaltung mit Nothwendigkeit hervorgewachsen sei, daß sie recht eigent¬
lich ein geschichtliches Resultat der bisherigen preußischen Strafanstaltsver-
waltung darstelle" — eine Thatsache, über die, selbst wenn sie hier von Be¬
lang wäre, die Ansichten schwerlich übereinstimmend lauten würden — lieferte
v. Holtzendorff den einzig entscheidenden Nachweis, daß die Einzelhaft nicht
nur dem Buchstaben, sondern dem geschichtlich nachweisbaren, von den Ge¬
setzgebungsfactoren supponirten Sinn des Z 11 im Strafgesetzbuch wider¬
spreche. Er zeigte, wie die Regierungspraxis eine Strafe, unter welcher sich
die Regierung ebenso wie die Kammer bei Berathung des Strafgesetzbuches
ausdrücklich und anerkanntermaßen die gemeinsame Haft vorgestellt hatte,
zum directen Gegentheil im Wege einer bloßen Administrationsmaßregel
umgestaltet habe, und er erhob Protest gegen dies Verfahren nicht allein im
Interesse des Strafrechts, sondern des gesammten öffentlichen Rechts, weil
sich die Verwaltung dadurch ihrer moralischen Autorität beraube und auf den
Standpunkt einer Privatperson begebe, die Alles thun dürfe, was gesetzlich
nicht ausdrücklich verboten sei. Von den Mitgliedern des preußischen Abge¬
ordnetenhauses wurde dieser Protest gehört und wenigstens soweit aufgenom¬
men, daß sie die in demselben ausgesprochene Rechtsansicht ausdrücklich zu
der ihrigen machten und von da an, wie erwähnt, wiederholt die Vorlage
eines Gesetzentwurfs zur Regelung der Ausübung der Einzelhaft verlangten.")
-) Wir erwähnen der Vollständigkeit halber und um uns von gegnerischer Seite keiner
Unterschlagung zeihen zu lassen, daß es auch nicht an gelegentlichen Rechtfertigungsversuchen
seitens der Regierungscommissare im Abgeordnetenhause gefehlt hat, die sich aber stets auf
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