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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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keit bietet, nach ihrer landschaftlichen Facon zu hantieren, wo es sich um
blos landschaftliche Interessen handelt.

Es ist sicher mehr wie ein Zufall gewesen, daß die bewährten und pa¬
triotischen Führer der nationalliberalen Partei in Hannover, v. Benningsen
und Miquel, Männer, an deren nationaler und constitutioneller Gesinnung jeder
Zweifel ausgeschlossen ist, nicht nur dem Regulativ, wie es von den hanno-
verschen Provincialständen beliebt worden, ihre Zustimmung ertheilt haben,
sondern zugleich zufrieden gewesen sind, die staatliche Sanction desselben auf
dem Berordnungswege zu erhalten; mindestens ist aus ihrer Mitte keine
Stimme laut geworden, welche nach Ueberweisung des Regulativs an den
Landtag der Monarchie verlangt hätte.

Daß die Mitwirkung der Kammern zum Zustandekommen dieses Regu¬
lativs nicht gesetzlich nothwendig war. ist darum, wie wir annehmen, auch
von Denen, die die preußische Sache in Hannover auf ihren Schultern tragen,
als ein glücklicher Umstand begrüßt worden. Mußten sie sich doch gleich¬
zeitig sagen, daß die den Hannoveranern gelassene Freiheit, auf einem unge¬
fährlichen Gebiet ihre "Eigenthümlichkeit" und "Besonderheit" zu bethätigen,
der preußischen Sache bei tausend anderen wichtigeren und wirklich politi¬
schen Fragen reichlich zu Gute kommen werde. Einheit der Gesetzgebung
und der Staatsinstitutionen werden überall da am besten und sichersten ge¬
währleistet sein, wo sie sich auf die Gebiete beschränken, welche wirklich staat¬
licher Natur sind; soll diese Einheit aber in allen Details des Communal-
lebens und der localen Administration durchgeführt werden, so verliert sie
ihre natürliche Kraft und wird dem Baume vergleichbar, der seine Trieb¬
kraft in Schößlingen ausgibt.

Die Frage nach den Vorzügen oder Nachtheilen des hannoverschen
Selbstverwaltungsregulativs kann für Diejenigen, welche auf dem von uns
bezeichneten Standpunkt stehen, eine blos secundäre Bedeutung haben.
Daß der ständische Verwaltungsausschuß aus Vertretern der drei Curien
zusammengesetzt ist, sehen auch wir für keinen Vorzug an -- eine Gefahr
können wir hinter dieser Bestimmung aber nicht wittern, da der Leuthe'sche
Antrag auf Wahl durch die Curien ausdrücklich verworfen worden ist und
überdieß die Natur der Gegenstände, welche der Competenz des Ausschusses
unterliegen, wenig geeignet ist, dem "Feudalismus" zum Ausschwung zu ver¬
helfen. Ein wichtigerer und bedenklicherer Punkt ist der der Gehaltsfestsetzung
für die Glieder des Landes-Directoriums; unter den gegebenen Verhältnissen
muß derselbe aber schlechterdings als nothwendiges Uebel angesehen werden.
Ehrenämter einrichten wollen, so lange es noch Diäten für die Landtags¬
mitglieder gibt, und zwar Ehrenämter, welche eine volle Arbeitskraft das
ganze Jahr über in Anspruch nehmen, scheint uns inconsequent. Mit Cor-


keit bietet, nach ihrer landschaftlichen Facon zu hantieren, wo es sich um
blos landschaftliche Interessen handelt.

Es ist sicher mehr wie ein Zufall gewesen, daß die bewährten und pa¬
triotischen Führer der nationalliberalen Partei in Hannover, v. Benningsen
und Miquel, Männer, an deren nationaler und constitutioneller Gesinnung jeder
Zweifel ausgeschlossen ist, nicht nur dem Regulativ, wie es von den hanno-
verschen Provincialständen beliebt worden, ihre Zustimmung ertheilt haben,
sondern zugleich zufrieden gewesen sind, die staatliche Sanction desselben auf
dem Berordnungswege zu erhalten; mindestens ist aus ihrer Mitte keine
Stimme laut geworden, welche nach Ueberweisung des Regulativs an den
Landtag der Monarchie verlangt hätte.

Daß die Mitwirkung der Kammern zum Zustandekommen dieses Regu¬
lativs nicht gesetzlich nothwendig war. ist darum, wie wir annehmen, auch
von Denen, die die preußische Sache in Hannover auf ihren Schultern tragen,
als ein glücklicher Umstand begrüßt worden. Mußten sie sich doch gleich¬
zeitig sagen, daß die den Hannoveranern gelassene Freiheit, auf einem unge¬
fährlichen Gebiet ihre „Eigenthümlichkeit" und „Besonderheit" zu bethätigen,
der preußischen Sache bei tausend anderen wichtigeren und wirklich politi¬
schen Fragen reichlich zu Gute kommen werde. Einheit der Gesetzgebung
und der Staatsinstitutionen werden überall da am besten und sichersten ge¬
währleistet sein, wo sie sich auf die Gebiete beschränken, welche wirklich staat¬
licher Natur sind; soll diese Einheit aber in allen Details des Communal-
lebens und der localen Administration durchgeführt werden, so verliert sie
ihre natürliche Kraft und wird dem Baume vergleichbar, der seine Trieb¬
kraft in Schößlingen ausgibt.

Die Frage nach den Vorzügen oder Nachtheilen des hannoverschen
Selbstverwaltungsregulativs kann für Diejenigen, welche auf dem von uns
bezeichneten Standpunkt stehen, eine blos secundäre Bedeutung haben.
Daß der ständische Verwaltungsausschuß aus Vertretern der drei Curien
zusammengesetzt ist, sehen auch wir für keinen Vorzug an — eine Gefahr
können wir hinter dieser Bestimmung aber nicht wittern, da der Leuthe'sche
Antrag auf Wahl durch die Curien ausdrücklich verworfen worden ist und
überdieß die Natur der Gegenstände, welche der Competenz des Ausschusses
unterliegen, wenig geeignet ist, dem „Feudalismus" zum Ausschwung zu ver¬
helfen. Ein wichtigerer und bedenklicherer Punkt ist der der Gehaltsfestsetzung
für die Glieder des Landes-Directoriums; unter den gegebenen Verhältnissen
muß derselbe aber schlechterdings als nothwendiges Uebel angesehen werden.
Ehrenämter einrichten wollen, so lange es noch Diäten für die Landtags¬
mitglieder gibt, und zwar Ehrenämter, welche eine volle Arbeitskraft das
ganze Jahr über in Anspruch nehmen, scheint uns inconsequent. Mit Cor-


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[0310] keit bietet, nach ihrer landschaftlichen Facon zu hantieren, wo es sich um blos landschaftliche Interessen handelt. Es ist sicher mehr wie ein Zufall gewesen, daß die bewährten und pa¬ triotischen Führer der nationalliberalen Partei in Hannover, v. Benningsen und Miquel, Männer, an deren nationaler und constitutioneller Gesinnung jeder Zweifel ausgeschlossen ist, nicht nur dem Regulativ, wie es von den hanno- verschen Provincialständen beliebt worden, ihre Zustimmung ertheilt haben, sondern zugleich zufrieden gewesen sind, die staatliche Sanction desselben auf dem Berordnungswege zu erhalten; mindestens ist aus ihrer Mitte keine Stimme laut geworden, welche nach Ueberweisung des Regulativs an den Landtag der Monarchie verlangt hätte. Daß die Mitwirkung der Kammern zum Zustandekommen dieses Regu¬ lativs nicht gesetzlich nothwendig war. ist darum, wie wir annehmen, auch von Denen, die die preußische Sache in Hannover auf ihren Schultern tragen, als ein glücklicher Umstand begrüßt worden. Mußten sie sich doch gleich¬ zeitig sagen, daß die den Hannoveranern gelassene Freiheit, auf einem unge¬ fährlichen Gebiet ihre „Eigenthümlichkeit" und „Besonderheit" zu bethätigen, der preußischen Sache bei tausend anderen wichtigeren und wirklich politi¬ schen Fragen reichlich zu Gute kommen werde. Einheit der Gesetzgebung und der Staatsinstitutionen werden überall da am besten und sichersten ge¬ währleistet sein, wo sie sich auf die Gebiete beschränken, welche wirklich staat¬ licher Natur sind; soll diese Einheit aber in allen Details des Communal- lebens und der localen Administration durchgeführt werden, so verliert sie ihre natürliche Kraft und wird dem Baume vergleichbar, der seine Trieb¬ kraft in Schößlingen ausgibt. Die Frage nach den Vorzügen oder Nachtheilen des hannoverschen Selbstverwaltungsregulativs kann für Diejenigen, welche auf dem von uns bezeichneten Standpunkt stehen, eine blos secundäre Bedeutung haben. Daß der ständische Verwaltungsausschuß aus Vertretern der drei Curien zusammengesetzt ist, sehen auch wir für keinen Vorzug an — eine Gefahr können wir hinter dieser Bestimmung aber nicht wittern, da der Leuthe'sche Antrag auf Wahl durch die Curien ausdrücklich verworfen worden ist und überdieß die Natur der Gegenstände, welche der Competenz des Ausschusses unterliegen, wenig geeignet ist, dem „Feudalismus" zum Ausschwung zu ver¬ helfen. Ein wichtigerer und bedenklicherer Punkt ist der der Gehaltsfestsetzung für die Glieder des Landes-Directoriums; unter den gegebenen Verhältnissen muß derselbe aber schlechterdings als nothwendiges Uebel angesehen werden. Ehrenämter einrichten wollen, so lange es noch Diäten für die Landtags¬ mitglieder gibt, und zwar Ehrenämter, welche eine volle Arbeitskraft das ganze Jahr über in Anspruch nehmen, scheint uns inconsequent. Mit Cor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/310>, abgerufen am 06.02.2025.