Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Jahren bekanntlich nach unerreichbaren Zielen strebt. Und welcher Art sind Einen wesentlichen Dienst hat indeß Herr v. Tisza jedenfalls der Unter¬ ") "Seitdem ich Ihnen vor 14 Tagen meinen Artikel über den Eötvös'schen Gesetzentwurf
zugesendet" -- schreibt uns der Verfasser des obigen Aufsatzes unter neuestem Datum -- "haben sich die Dinge wesentlich geändert. Herr v, T> besteht nicht länger auf die Unterstützung der confessionellen Schule durch den Staat; der Umstand insbesondere, daß gerade die clerical- feudalen Organe Wiens, "Volksfreund" und "Vaterland", sein Verlangen aufs Wärmste verthei¬ digten, mußte ihn stutzig machen und zugleich besorgen lassen, daß weder seine Glaubensgenossen, noch seine politische Partei ihn diesmal unterstützen werden. Allem Anschnn nach wird daher der ministerielle Entwurf schon in der nächsten Woche ohne wesentliche Opposition die Zustimmung D. Red. des Unterhauses erhalten." -- Jahren bekanntlich nach unerreichbaren Zielen strebt. Und welcher Art sind Einen wesentlichen Dienst hat indeß Herr v. Tisza jedenfalls der Unter¬ ") „Seitdem ich Ihnen vor 14 Tagen meinen Artikel über den Eötvös'schen Gesetzentwurf
zugesendet" — schreibt uns der Verfasser des obigen Aufsatzes unter neuestem Datum — „haben sich die Dinge wesentlich geändert. Herr v, T> besteht nicht länger auf die Unterstützung der confessionellen Schule durch den Staat; der Umstand insbesondere, daß gerade die clerical- feudalen Organe Wiens, „Volksfreund" und „Vaterland", sein Verlangen aufs Wärmste verthei¬ digten, mußte ihn stutzig machen und zugleich besorgen lassen, daß weder seine Glaubensgenossen, noch seine politische Partei ihn diesmal unterstützen werden. Allem Anschnn nach wird daher der ministerielle Entwurf schon in der nächsten Woche ohne wesentliche Opposition die Zustimmung D. Red. des Unterhauses erhalten." — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287572"/> <p xml:id="ID_778" prev="#ID_777"> Jahren bekanntlich nach unerreichbaren Zielen strebt. Und welcher Art sind<lb/> die Berechnungen, mit denen Herr v. Tisza dem Gesetzentwurf entgegentritt?<lb/> Von den 14,000 confessionellen Schulen, die Ungarn jetzt besitzt, beginnt er<lb/> seinen Calcül, werden nach Annahme des Gesetzentwurfs 4000 (sie) in Function<lb/> bleiben, und dieser an Ungeheuerlichkeit ihres Gleichen suchenden Voraus¬<lb/> setzung schließt Herr von Tisza die consequente Folgerung an, daß Baron<lb/> Eötvös jährlich 6 Millionen Gulden benöthigen werde, um nur die bisherige<lb/> Anzahl an Volksschulen zu erhalten, während er doch auch in mehreren<lb/> Tausenden Gemeinden, die bis jetzt ohne Schule sind, solche errichten müßte.<lb/> Nun, Baron Eötvös mag gegen das Compliment, das ihm zumuthet, er<lb/> werde in demselben Moment 10,000 bereits bestehende Schulen schließen, in<lb/> welchem er, auch wenn diese in Thätigkeit gelassen werden, 7000 neue zu<lb/> errichten hat, in dem Compliment Trost suchen, das der Herr Curator damit<lb/> zugleich den eignen Schulen macht, deren Schließung er voraussetzt, weil der<lb/> Cultusminister von ihnen Leistungen verlangt, welche selbst von den Lehrern,<lb/> die vor der Reichstagscommission ihr Votum abgegeben, als ein Minimum<lb/> erklärt werden. Baron Eötvös hat keinen Anspruch auf eine gerechtere<lb/> Behandlung von Seite des Herrn v. Tisza als die protestantischen Schulen<lb/> und mag es der Oppositionssucht des politischen Parteiführers zuschreiben,<lb/> wenn der Herr Curator sich so arg versündigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_779"> Einen wesentlichen Dienst hat indeß Herr v. Tisza jedenfalls der Unter¬<lb/> richtsfrage geleistet. Seine fortgesetzten Angriffe gegen den Gesetzentwurf<lb/> haben das Interesse der öffentlichen Meinung für die Frage erhöht und zu¬<lb/> gleich den Freunden des Entwurfs den erwünschten Anlaß geboten, sie nach<lb/> allen Seiten hin zu beleuchten. Die Discussion in den Organen der Presse<lb/> hat so jener im Reichstagssaale gehörig vorgearbeitet und läßt an einer gün¬<lb/> stigen Erledigung nicht länger zweifeln. Der Genius der Nation wird es<lb/> nicht zugeben, daß mittelalterliche Kircheninteressen den Sieg davon tragen<lb/> über eines der ersten Postulate der heutigen staatlichen Gesellschaft, den<lb/> freien, durch keinerlei confessionellen Einfluß getrübten Unterricht. Mag<lb/> darum die Kirche ihre Schulen forterhalten, so lange sie es kann; an den<lb/> ungarischen Staat tritt die Forderung heran, durch Gründung, Hebung und<lb/> Vermehrung von Gemeindeschulen jenem Postulate nachzukommen, und er<lb/> wird ihm nachkommen.*)</p><lb/> <note xml:id="FID_49" place="foot"> ") „Seitdem ich Ihnen vor 14 Tagen meinen Artikel über den Eötvös'schen Gesetzentwurf<lb/> zugesendet" — schreibt uns der Verfasser des obigen Aufsatzes unter neuestem Datum —<lb/> „haben sich die Dinge wesentlich geändert. Herr v, T> besteht nicht länger auf die Unterstützung<lb/> der confessionellen Schule durch den Staat; der Umstand insbesondere, daß gerade die clerical-<lb/> feudalen Organe Wiens, „Volksfreund" und „Vaterland", sein Verlangen aufs Wärmste verthei¬<lb/> digten, mußte ihn stutzig machen und zugleich besorgen lassen, daß weder seine Glaubensgenossen,<lb/> noch seine politische Partei ihn diesmal unterstützen werden. Allem Anschnn nach wird daher der<lb/> ministerielle Entwurf schon in der nächsten Woche ohne wesentliche Opposition die Zustimmung<lb/><note type="byline"> D. Red.</note> des Unterhauses erhalten." — </note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0300]
Jahren bekanntlich nach unerreichbaren Zielen strebt. Und welcher Art sind
die Berechnungen, mit denen Herr v. Tisza dem Gesetzentwurf entgegentritt?
Von den 14,000 confessionellen Schulen, die Ungarn jetzt besitzt, beginnt er
seinen Calcül, werden nach Annahme des Gesetzentwurfs 4000 (sie) in Function
bleiben, und dieser an Ungeheuerlichkeit ihres Gleichen suchenden Voraus¬
setzung schließt Herr von Tisza die consequente Folgerung an, daß Baron
Eötvös jährlich 6 Millionen Gulden benöthigen werde, um nur die bisherige
Anzahl an Volksschulen zu erhalten, während er doch auch in mehreren
Tausenden Gemeinden, die bis jetzt ohne Schule sind, solche errichten müßte.
Nun, Baron Eötvös mag gegen das Compliment, das ihm zumuthet, er
werde in demselben Moment 10,000 bereits bestehende Schulen schließen, in
welchem er, auch wenn diese in Thätigkeit gelassen werden, 7000 neue zu
errichten hat, in dem Compliment Trost suchen, das der Herr Curator damit
zugleich den eignen Schulen macht, deren Schließung er voraussetzt, weil der
Cultusminister von ihnen Leistungen verlangt, welche selbst von den Lehrern,
die vor der Reichstagscommission ihr Votum abgegeben, als ein Minimum
erklärt werden. Baron Eötvös hat keinen Anspruch auf eine gerechtere
Behandlung von Seite des Herrn v. Tisza als die protestantischen Schulen
und mag es der Oppositionssucht des politischen Parteiführers zuschreiben,
wenn der Herr Curator sich so arg versündigt.
Einen wesentlichen Dienst hat indeß Herr v. Tisza jedenfalls der Unter¬
richtsfrage geleistet. Seine fortgesetzten Angriffe gegen den Gesetzentwurf
haben das Interesse der öffentlichen Meinung für die Frage erhöht und zu¬
gleich den Freunden des Entwurfs den erwünschten Anlaß geboten, sie nach
allen Seiten hin zu beleuchten. Die Discussion in den Organen der Presse
hat so jener im Reichstagssaale gehörig vorgearbeitet und läßt an einer gün¬
stigen Erledigung nicht länger zweifeln. Der Genius der Nation wird es
nicht zugeben, daß mittelalterliche Kircheninteressen den Sieg davon tragen
über eines der ersten Postulate der heutigen staatlichen Gesellschaft, den
freien, durch keinerlei confessionellen Einfluß getrübten Unterricht. Mag
darum die Kirche ihre Schulen forterhalten, so lange sie es kann; an den
ungarischen Staat tritt die Forderung heran, durch Gründung, Hebung und
Vermehrung von Gemeindeschulen jenem Postulate nachzukommen, und er
wird ihm nachkommen.*)
") „Seitdem ich Ihnen vor 14 Tagen meinen Artikel über den Eötvös'schen Gesetzentwurf
zugesendet" — schreibt uns der Verfasser des obigen Aufsatzes unter neuestem Datum —
„haben sich die Dinge wesentlich geändert. Herr v, T> besteht nicht länger auf die Unterstützung
der confessionellen Schule durch den Staat; der Umstand insbesondere, daß gerade die clerical-
feudalen Organe Wiens, „Volksfreund" und „Vaterland", sein Verlangen aufs Wärmste verthei¬
digten, mußte ihn stutzig machen und zugleich besorgen lassen, daß weder seine Glaubensgenossen,
noch seine politische Partei ihn diesmal unterstützen werden. Allem Anschnn nach wird daher der
ministerielle Entwurf schon in der nächsten Woche ohne wesentliche Opposition die Zustimmung
D. Red. des Unterhauses erhalten." —
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