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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Die inneren Unruhen in Verbindung mit den allgemeinen Ursachen,
welche die Schwächung und schließlich den Verfall des Hansabundes bewirkten,
untergruben auch die Kraft und die Haudelsblüthe Wismars. Während des
dreißigjährigen Krieges wurde es von den Kaiserlichen besetzt und im Jahre
1631 von den Schweden belagert und durch Capitulation eingenommen. Die
Stadt blieb seitdem, in den Händen der Schweden und wurde nebst den
Aemtern Poet und Neukloster im westphälischen Frieden an diese Macht abge¬
treten. Im Huldigungsreceß vom 14. Juni 1653 wurde ihr zugesichert, daß
sie bei ihren Privilegien und namentlich bei dem Rechte der statutarischen
Gesetzgebung gelassen werden solle, nur daß die Anwendung dieses Rechtes
dem Landesherrn nicht zum Nachtheile gereichen dürfe. Von den zerrüttenden
Einwirkungen des dreißigjährigen Krieges, welcher durch einen sechsjährigen
Zeitraum die Schifffahrt vollständig lahm gelegt hatte, konnte Wismar sich
um so weniger erholen, als es demnächst von den schwedischen Kriegen gegen
Dänemark viel zu leiden und wiederholte Belagerungen zu erdulden hatte.
Als später die schwedische Macht mehr und mehr in die zweite Linie trat,
lag derselben an dem Besitze von Wismar nicht mehr viel und es ging daher
ohne Schwierigkeit auf eine Verhandlung mit Mecklenburg-Schwerin ein,
welche die Verpfändung der Stadt nebst zugehörigen Aemtern an letzteres
zum Gegenstand hatte. Der Pfandeontract wurde am 26. Juni 1803 zu
Malmö in Schweden abgeschlossen. Bald darauf (Is. Aug.) erfolgte die
Auswechslung der Ratificationen, am 18. und 19. August die Uebergabe
und am 29. August 1803 hielt der Herzog Friedrich Franz I. seinen feierlichen
Einzug in die nach 1SS jähriger Trennung nunmehr wenigstens pfandweise
wieder mit Mecklenburg vereinigte Stadt, welche unter schwedischer Herrschaft
so sehr heruntergekommen war, daß sie im Jahre 1795 nur noch S000 Ein¬
wohner zählte und die Straßen mit Gras bewachsen waren.

Dem mittelst des malmöer Pfandvertrages abgeschlossenen Geschäft lag
der Gedanke zu Grunde, daß der Werth des Pfandes dem dafür gezählten
Pfandschilling in dem Sinne entspreche, daß letzterer sich durch die Einkünfte
verzinse. Der Herzog von Mecklenburg verzichtet daher in dem Vertrage,
unter Anerkennung der Uebereinstimmung des Werthes des Pfandes mit dem
gezählten Capital, ausdrücklich auf das Recht, wegen einer zwischen den
Interessen des Capitals und den Einkünften des Pfandes sich etwa ergebenden
mehr oder minder erheblichen Ungleichheit auf eine Entschädigung anzutragen.
Stadt und Herrschaft Wismar nebst den Aemtern Poet und Neukloster wer¬
den dem Herzog zu vollem, unbeschränktem genieß bräuchlichen Besitz auf
hundert Jahre mit dem Vorbehalt des Wiedereinlösungsrechts nach Ablauf
dieser Zeit von dem Könige von Schweden verpfändet. Macht der König
dann von diesem Rechte keinen Gebrauch, so soll die Vereinbarung so an-


Die inneren Unruhen in Verbindung mit den allgemeinen Ursachen,
welche die Schwächung und schließlich den Verfall des Hansabundes bewirkten,
untergruben auch die Kraft und die Haudelsblüthe Wismars. Während des
dreißigjährigen Krieges wurde es von den Kaiserlichen besetzt und im Jahre
1631 von den Schweden belagert und durch Capitulation eingenommen. Die
Stadt blieb seitdem, in den Händen der Schweden und wurde nebst den
Aemtern Poet und Neukloster im westphälischen Frieden an diese Macht abge¬
treten. Im Huldigungsreceß vom 14. Juni 1653 wurde ihr zugesichert, daß
sie bei ihren Privilegien und namentlich bei dem Rechte der statutarischen
Gesetzgebung gelassen werden solle, nur daß die Anwendung dieses Rechtes
dem Landesherrn nicht zum Nachtheile gereichen dürfe. Von den zerrüttenden
Einwirkungen des dreißigjährigen Krieges, welcher durch einen sechsjährigen
Zeitraum die Schifffahrt vollständig lahm gelegt hatte, konnte Wismar sich
um so weniger erholen, als es demnächst von den schwedischen Kriegen gegen
Dänemark viel zu leiden und wiederholte Belagerungen zu erdulden hatte.
Als später die schwedische Macht mehr und mehr in die zweite Linie trat,
lag derselben an dem Besitze von Wismar nicht mehr viel und es ging daher
ohne Schwierigkeit auf eine Verhandlung mit Mecklenburg-Schwerin ein,
welche die Verpfändung der Stadt nebst zugehörigen Aemtern an letzteres
zum Gegenstand hatte. Der Pfandeontract wurde am 26. Juni 1803 zu
Malmö in Schweden abgeschlossen. Bald darauf (Is. Aug.) erfolgte die
Auswechslung der Ratificationen, am 18. und 19. August die Uebergabe
und am 29. August 1803 hielt der Herzog Friedrich Franz I. seinen feierlichen
Einzug in die nach 1SS jähriger Trennung nunmehr wenigstens pfandweise
wieder mit Mecklenburg vereinigte Stadt, welche unter schwedischer Herrschaft
so sehr heruntergekommen war, daß sie im Jahre 1795 nur noch S000 Ein¬
wohner zählte und die Straßen mit Gras bewachsen waren.

Dem mittelst des malmöer Pfandvertrages abgeschlossenen Geschäft lag
der Gedanke zu Grunde, daß der Werth des Pfandes dem dafür gezählten
Pfandschilling in dem Sinne entspreche, daß letzterer sich durch die Einkünfte
verzinse. Der Herzog von Mecklenburg verzichtet daher in dem Vertrage,
unter Anerkennung der Uebereinstimmung des Werthes des Pfandes mit dem
gezählten Capital, ausdrücklich auf das Recht, wegen einer zwischen den
Interessen des Capitals und den Einkünften des Pfandes sich etwa ergebenden
mehr oder minder erheblichen Ungleichheit auf eine Entschädigung anzutragen.
Stadt und Herrschaft Wismar nebst den Aemtern Poet und Neukloster wer¬
den dem Herzog zu vollem, unbeschränktem genieß bräuchlichen Besitz auf
hundert Jahre mit dem Vorbehalt des Wiedereinlösungsrechts nach Ablauf
dieser Zeit von dem Könige von Schweden verpfändet. Macht der König
dann von diesem Rechte keinen Gebrauch, so soll die Vereinbarung so an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/30>, abgerufen am 05.02.2025.