Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Corollar der Regierung auch das Recht vindiciren. die Schule zu schließen, Wiederholt wird von Tisza und seinen Anhängern hervorgehoben, daß Corollar der Regierung auch das Recht vindiciren. die Schule zu schließen, Wiederholt wird von Tisza und seinen Anhängern hervorgehoben, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287570"/> <p xml:id="ID_774" prev="#ID_773"> Corollar der Regierung auch das Recht vindiciren. die Schule zu schließen,<lb/> wenn sie ihrem Zweck nicht entspricht; oder soll der Comitatsschulinspector<lb/> nur immer mahnen, ohne je dem Uebelstande effectiv zu steuern? Die Bürg¬<lb/> schaft hingegen dafür, daß mit der Schließung nur im äußersten Fall vor¬<lb/> gegangen werden soll, liegt wohl darin, daß ja im Schulrath der Lehrkörper,<lb/> die Geistlichkeit und die Comitatsrepräsentcmz ihre Vertreter haben, daß<lb/> schließlich der Minister jedesmal im Unterhause zur Verantwortung gezogen<lb/> werden kann. Auf der anderen Seite wird der Herr Curator v. Tisza aus<lb/> vielfacher eigner Erfahrung wissen, daß auch der protestantischen Schule eine<lb/> energische Hand Noth thut. Vor zehn Jahren schon haben die evangelischen<lb/> und reformirten Kirchendistricte einen eignen Lehrplan ausgearbeitet, der mit<lb/> denen in der Schweiz und in Deutschland wetteifern kann; aber bis auf den<lb/> heutigen Tag sehen wir ihn kaum in dem sechsten Theil der Schulen einge¬<lb/> führt. Wie viele Schulen kennen wir ferner, in denen der Schullehrer<lb/> 200 Schüler unter sich hat und dabei noch als Dorfnotar beschäftigt ist;<lb/> wie viele, in denen nur vier Monate Unterricht ertheilt, in denen außer<lb/> Lesen und Schreiben Nichts gelehrt wird. Ja, im debrecziner Resormirten-<lb/> District. der nicht weniger als 700,000 Seelen zählt, bestehen zwei vier-<lb/> classige Gymnasien, deren gesammter Lehrkörper aus je einem Professor<lb/> besteht! Und solchen Zuständen gegenüber will man das Oberaussichtsrecht<lb/> der Negierung lahmlegen? Sollte übrigens zur vollkommenen Wahrung der<lb/> Autonomie verlangt werden, daß die der Schließung der Schule vorausgehen¬<lb/> den Warnungen unter Berücksichtigung der protestantischen Kirchenbehörde aus¬<lb/> zugehen haben, so dürfte der Cultusminister kaum etwas dagegen einwenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_775" next="#ID_776"> Wiederholt wird von Tisza und seinen Anhängern hervorgehoben, daß<lb/> die Lage des Protestantismus dem Katholicismus gegenüber und der Ein¬<lb/> fluß des katholischen Clerus noch immer solche seien, die der protestantischen<lb/> Kirche Vorsicht und Wachsamkeit nach allen Richtungen hin zur strengen<lb/> Pflicht machten; noch sei der Katholicismus im Besitze vieler Vorrechte, denen<lb/> gegenüber der Protestantismus .seine Defensivstellung nicht aufgeben darf und<lb/> welche zu behaupten die Jugend in der Schule die nöthige Anregung erhält;<lb/> insbesondere sei die katholische Kirche durch reiche Fundationen begünstigt<lb/> und werde daher leichter auch ohne Unterstützung Seitens ihrer Gläubigen<lb/> und des Staats und ohne jedes Schulgeld ihre confessionellen Schulen ge¬<lb/> bührend investiren können, um ihnen die Schmach der Schließung zu ersparen<lb/> und ebenso die Concurrenz mit den Gemeindeschulen zu ermöglichen, als dies<lb/> die protestantische Kirche vermag. Liegt es nun fern von uns, die Dring¬<lb/> lichkeit eines interconfessionellen Gesetzes, das die papierne Gleichberechtigung<lb/> der Confessionen zur vollen Wahrheit machte, wegzuleugnen, so ist es doch<lb/> für Jedermann klar, daß autonom, wie die protestantische Schule durch den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
Corollar der Regierung auch das Recht vindiciren. die Schule zu schließen,
wenn sie ihrem Zweck nicht entspricht; oder soll der Comitatsschulinspector
nur immer mahnen, ohne je dem Uebelstande effectiv zu steuern? Die Bürg¬
schaft hingegen dafür, daß mit der Schließung nur im äußersten Fall vor¬
gegangen werden soll, liegt wohl darin, daß ja im Schulrath der Lehrkörper,
die Geistlichkeit und die Comitatsrepräsentcmz ihre Vertreter haben, daß
schließlich der Minister jedesmal im Unterhause zur Verantwortung gezogen
werden kann. Auf der anderen Seite wird der Herr Curator v. Tisza aus
vielfacher eigner Erfahrung wissen, daß auch der protestantischen Schule eine
energische Hand Noth thut. Vor zehn Jahren schon haben die evangelischen
und reformirten Kirchendistricte einen eignen Lehrplan ausgearbeitet, der mit
denen in der Schweiz und in Deutschland wetteifern kann; aber bis auf den
heutigen Tag sehen wir ihn kaum in dem sechsten Theil der Schulen einge¬
führt. Wie viele Schulen kennen wir ferner, in denen der Schullehrer
200 Schüler unter sich hat und dabei noch als Dorfnotar beschäftigt ist;
wie viele, in denen nur vier Monate Unterricht ertheilt, in denen außer
Lesen und Schreiben Nichts gelehrt wird. Ja, im debrecziner Resormirten-
District. der nicht weniger als 700,000 Seelen zählt, bestehen zwei vier-
classige Gymnasien, deren gesammter Lehrkörper aus je einem Professor
besteht! Und solchen Zuständen gegenüber will man das Oberaussichtsrecht
der Negierung lahmlegen? Sollte übrigens zur vollkommenen Wahrung der
Autonomie verlangt werden, daß die der Schließung der Schule vorausgehen¬
den Warnungen unter Berücksichtigung der protestantischen Kirchenbehörde aus¬
zugehen haben, so dürfte der Cultusminister kaum etwas dagegen einwenden.
Wiederholt wird von Tisza und seinen Anhängern hervorgehoben, daß
die Lage des Protestantismus dem Katholicismus gegenüber und der Ein¬
fluß des katholischen Clerus noch immer solche seien, die der protestantischen
Kirche Vorsicht und Wachsamkeit nach allen Richtungen hin zur strengen
Pflicht machten; noch sei der Katholicismus im Besitze vieler Vorrechte, denen
gegenüber der Protestantismus .seine Defensivstellung nicht aufgeben darf und
welche zu behaupten die Jugend in der Schule die nöthige Anregung erhält;
insbesondere sei die katholische Kirche durch reiche Fundationen begünstigt
und werde daher leichter auch ohne Unterstützung Seitens ihrer Gläubigen
und des Staats und ohne jedes Schulgeld ihre confessionellen Schulen ge¬
bührend investiren können, um ihnen die Schmach der Schließung zu ersparen
und ebenso die Concurrenz mit den Gemeindeschulen zu ermöglichen, als dies
die protestantische Kirche vermag. Liegt es nun fern von uns, die Dring¬
lichkeit eines interconfessionellen Gesetzes, das die papierne Gleichberechtigung
der Confessionen zur vollen Wahrheit machte, wegzuleugnen, so ist es doch
für Jedermann klar, daß autonom, wie die protestantische Schule durch den
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