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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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allgemein im besten Geruch steht, zeigt man dem jugendlichen Enthusiasmus
das Schattenbild der künftigen Panslavia und schmückt es mit allen erdenk¬
lichen Tugenden. Wir wollen es den verschiedenen Zweigen der slavischen
Race nicht verdenken, daß sie alles Edle und Gute "slavisch" nennen; ein
gewisser Grad von Selbstgefühl-ist gesund. Sie bleiben dabei nicht stehen,
sondern schreiben gern jeden ungewaschenen Fleck an ihrer moralischen Haut
der Berührung mit dem Deutschthum zu. In Rußland pflegten die Demo¬
kraten noch kürzlich alle Rohheiten ihres Czarismus von deutschen und mon¬
golischen Einflüssen herzuleiten. Ein im I. 1864 in Königgrätz interntrter
polnischer Flüchtling, der über das Benehmen der Einwohner Grund zu
klagen hatte, behauptete von den Czechen, daß sie keine slavische Ader im
Leibe hätten, sondern meist germanisirtes Gesinde! seien. Bloße Retour¬
kutsche, wie die Studenten sagen, denn an der Weichsel und Newa weiß man
sehr gut, daß wir slavisch und sclavisch für nahezu gleichbedeutend halten.
Mögen sie sich mit Worten rächen. Was aber dem Unbefangensten mi߬
fallen muß. ist die Sucht dieser Race ihre offenbaren Fehler und Gebrechen
als nationale Vorzüge zu preisen und zu hätscheln. Nicht wenig bilden sich
die Slaven auf die melancholische Eintönigkeit ihrer Volksmelodien ein; diese
Weisen klingen oft reizend, aber bald sehnt man sich etwas Frischeres zu
hören, denn die Monotonie macht zuletzt den Eindruck einer aus dem Ge¬
fühle innerer Armuth entspringenden Traurigkeit. Eben so geht es Einem
mit ihren endlosen und häßlichen Verkleinerungswörtchen, wie überhaupt mit
der vielgerühmten slavischen Weichheit; ein etwas strammeres Wesen würde
dem Deutschen mehr zusagen. Die Weichheit ist häufig nur ein beschönigen
des Wort für Fügsamkeit und Schmiegsamkeit, für Unbeständigkeit und
Schwäche. Und was beweisen am Ende die klagenden Melodien und die
ewig liebkosenden Verkleinerungswörtchen? Die Russen singen in Moll, aber
sie hauen in Dur. Und Väterchen Nikolaus konnte die Knute schwingen,
daß man das Geschrei seiner Kinderchen bis auf den atlantischen Ocean
hörte. --

Wie schön wäre Prag, welch heiteres Licht könnte sich über ganz Böh¬
men ergießen, wenn die Czechomanen nicht darauf bestünden, ihr geistiges
Antlitz dem moskowitischen Osten zuzuwenden und der deutschen Bildung den
Rücken zu kehren! Aber der Belagerungszustand, der jetzt auf kurze Zeit über
Prag waltet, wird dem trüben Strom der czechischen Bewegung keine andere
Richtung geben.


. I. Gilden.


allgemein im besten Geruch steht, zeigt man dem jugendlichen Enthusiasmus
das Schattenbild der künftigen Panslavia und schmückt es mit allen erdenk¬
lichen Tugenden. Wir wollen es den verschiedenen Zweigen der slavischen
Race nicht verdenken, daß sie alles Edle und Gute „slavisch" nennen; ein
gewisser Grad von Selbstgefühl-ist gesund. Sie bleiben dabei nicht stehen,
sondern schreiben gern jeden ungewaschenen Fleck an ihrer moralischen Haut
der Berührung mit dem Deutschthum zu. In Rußland pflegten die Demo¬
kraten noch kürzlich alle Rohheiten ihres Czarismus von deutschen und mon¬
golischen Einflüssen herzuleiten. Ein im I. 1864 in Königgrätz interntrter
polnischer Flüchtling, der über das Benehmen der Einwohner Grund zu
klagen hatte, behauptete von den Czechen, daß sie keine slavische Ader im
Leibe hätten, sondern meist germanisirtes Gesinde! seien. Bloße Retour¬
kutsche, wie die Studenten sagen, denn an der Weichsel und Newa weiß man
sehr gut, daß wir slavisch und sclavisch für nahezu gleichbedeutend halten.
Mögen sie sich mit Worten rächen. Was aber dem Unbefangensten mi߬
fallen muß. ist die Sucht dieser Race ihre offenbaren Fehler und Gebrechen
als nationale Vorzüge zu preisen und zu hätscheln. Nicht wenig bilden sich
die Slaven auf die melancholische Eintönigkeit ihrer Volksmelodien ein; diese
Weisen klingen oft reizend, aber bald sehnt man sich etwas Frischeres zu
hören, denn die Monotonie macht zuletzt den Eindruck einer aus dem Ge¬
fühle innerer Armuth entspringenden Traurigkeit. Eben so geht es Einem
mit ihren endlosen und häßlichen Verkleinerungswörtchen, wie überhaupt mit
der vielgerühmten slavischen Weichheit; ein etwas strammeres Wesen würde
dem Deutschen mehr zusagen. Die Weichheit ist häufig nur ein beschönigen
des Wort für Fügsamkeit und Schmiegsamkeit, für Unbeständigkeit und
Schwäche. Und was beweisen am Ende die klagenden Melodien und die
ewig liebkosenden Verkleinerungswörtchen? Die Russen singen in Moll, aber
sie hauen in Dur. Und Väterchen Nikolaus konnte die Knute schwingen,
daß man das Geschrei seiner Kinderchen bis auf den atlantischen Ocean
hörte. —

Wie schön wäre Prag, welch heiteres Licht könnte sich über ganz Böh¬
men ergießen, wenn die Czechomanen nicht darauf bestünden, ihr geistiges
Antlitz dem moskowitischen Osten zuzuwenden und der deutschen Bildung den
Rücken zu kehren! Aber der Belagerungszustand, der jetzt auf kurze Zeit über
Prag waltet, wird dem trüben Strom der czechischen Bewegung keine andere
Richtung geben.


. I. Gilden.


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[0290] allgemein im besten Geruch steht, zeigt man dem jugendlichen Enthusiasmus das Schattenbild der künftigen Panslavia und schmückt es mit allen erdenk¬ lichen Tugenden. Wir wollen es den verschiedenen Zweigen der slavischen Race nicht verdenken, daß sie alles Edle und Gute „slavisch" nennen; ein gewisser Grad von Selbstgefühl-ist gesund. Sie bleiben dabei nicht stehen, sondern schreiben gern jeden ungewaschenen Fleck an ihrer moralischen Haut der Berührung mit dem Deutschthum zu. In Rußland pflegten die Demo¬ kraten noch kürzlich alle Rohheiten ihres Czarismus von deutschen und mon¬ golischen Einflüssen herzuleiten. Ein im I. 1864 in Königgrätz interntrter polnischer Flüchtling, der über das Benehmen der Einwohner Grund zu klagen hatte, behauptete von den Czechen, daß sie keine slavische Ader im Leibe hätten, sondern meist germanisirtes Gesinde! seien. Bloße Retour¬ kutsche, wie die Studenten sagen, denn an der Weichsel und Newa weiß man sehr gut, daß wir slavisch und sclavisch für nahezu gleichbedeutend halten. Mögen sie sich mit Worten rächen. Was aber dem Unbefangensten mi߬ fallen muß. ist die Sucht dieser Race ihre offenbaren Fehler und Gebrechen als nationale Vorzüge zu preisen und zu hätscheln. Nicht wenig bilden sich die Slaven auf die melancholische Eintönigkeit ihrer Volksmelodien ein; diese Weisen klingen oft reizend, aber bald sehnt man sich etwas Frischeres zu hören, denn die Monotonie macht zuletzt den Eindruck einer aus dem Ge¬ fühle innerer Armuth entspringenden Traurigkeit. Eben so geht es Einem mit ihren endlosen und häßlichen Verkleinerungswörtchen, wie überhaupt mit der vielgerühmten slavischen Weichheit; ein etwas strammeres Wesen würde dem Deutschen mehr zusagen. Die Weichheit ist häufig nur ein beschönigen des Wort für Fügsamkeit und Schmiegsamkeit, für Unbeständigkeit und Schwäche. Und was beweisen am Ende die klagenden Melodien und die ewig liebkosenden Verkleinerungswörtchen? Die Russen singen in Moll, aber sie hauen in Dur. Und Väterchen Nikolaus konnte die Knute schwingen, daß man das Geschrei seiner Kinderchen bis auf den atlantischen Ocean hörte. — Wie schön wäre Prag, welch heiteres Licht könnte sich über ganz Böh¬ men ergießen, wenn die Czechomanen nicht darauf bestünden, ihr geistiges Antlitz dem moskowitischen Osten zuzuwenden und der deutschen Bildung den Rücken zu kehren! Aber der Belagerungszustand, der jetzt auf kurze Zeit über Prag waltet, wird dem trüben Strom der czechischen Bewegung keine andere Richtung geben. . I. Gilden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/290>, abgerufen am 05.02.2025.