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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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ins Dock geschafft werden mußte. Abgesehen von diesen Privatanlagen
haben die Hafenbauten der hannöverschen Regierung, die erst vor wenigen
Jahren vollendet wurden und solid und, abgesehen von der zu starken
Krümmung des Vorhafens, gut gebaut sind, nicht weniger als fast
4 Millionen Thaler gekostet. In der That ist die ganze Anlage großartig ent¬
worfen; es ist soviel Terrain erworben und freigelassen, daß auch bet einer
Steigerung des Handelsverkehrs, der die schönen weiten Packhäuser nicht
mehr genügen könnten, die nöthigen Erweiterungen ohne Schwierigkeit aus¬
zuführen wären. Geestemünde war eben das Schooßkind der hannöverschen
Negierung als ein Concurrenzbau. Es ward vor 40 Jahren gleich darauf
angelegt, als Bürgermeister Smidt Bremerhaven gegründet hatte. Aber
selten hat sich die Gemeinschädlichkeit des Particularismus so auffällig ge¬
zeigt, als hier, wo Millionen an eine unnöthige und nicht recht lebensfähige
Schöpfung weggeworfen wurden, um einen Nachbar zu ruiniren. Allerdings
vergebens; denn der Seeverkehr wendet sich infolge der Handelsverhältnisse
doch ganz vorwiegend Bremerhaven zu, und auch von den Dampfern haben
blos die großen amerikanischen Raddampfer, welche ihrer Breite wegen die
bremerhavener Schleuse nicht passiren können, Geestemünde aufgesucht*).

Trotz aller angeführten Vorzüge halten wir eine Benutzung von Geeste¬
münde als Kriegshafen nicht sür möglich. Für lange Schiffe ist die Krüm¬
mung des Vorhafens zu stark, sür alle schweren Kriegsschiffe die Tiefe von
21 Fuß viel zu gering: genau wie Swinemünde, ist dieser Hafen höchstens
für gedeckte Corvetten praktikabel; unsere Panzerfregatten aber würden das
Schicksal der östreichischen Panzerfregatte "Don Juan d'Austria" theilen, die
bei besonders günstigen Fluthverhältnissen hier ins Dock eingelaufen war,
aber nicht wieder hinaus konnte, wegen des Schlicks in dem Hafenausgang
und zu geringer Wassertiefe. Ueberdies wird, wenn auch vorläufig Geeste¬
münde für die kleineren Schiffe der norddeutschen Kriegsflotte eine sehr
schätzbare Acquisition bildet, ein Kriegshafen an dieser Stelle unnöthig,
sobald der Jahdehafen eröffnet ist, der ja auch für'die größten Schiffe ge¬
nügt. Selbst zu einer befestigten Marinestation, die vielleicht in der Weser¬
mündung wünschenswert!) wäre sür Schiffe, die vor feindlicher Uebermacht in
die Weser einzulaufen gezwungen sind und den Jahdehafen nicht mehr er¬
reichen können, würde der Wassertiefe wegen nicht Geestemünde zu be-



') Inwieweit der Handel die geestemü^der Bassins benutzen wird, seitdem die hannöver-
sche Verwaltung aufgehört hat, muß die Folge zeigen, wenn der Handel weniger darnieder-
liegt als in den letzten beiden Jahren. Im Herbst vorige" Jahres lagen kaum ein Dutzend
Schiffe in den Hafenbassins; bei der Uebernahme durch Preußen waren nur fünf größere
Handelsschiffe im ganzen Hafen, und auch in den vier darauffolgenden Wochen belief sich die
Schiff^l,msbeweg"ng auf nur fünf Kauffahrer und zwei Dampfer der amerikanischen Linie.
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ins Dock geschafft werden mußte. Abgesehen von diesen Privatanlagen
haben die Hafenbauten der hannöverschen Regierung, die erst vor wenigen
Jahren vollendet wurden und solid und, abgesehen von der zu starken
Krümmung des Vorhafens, gut gebaut sind, nicht weniger als fast
4 Millionen Thaler gekostet. In der That ist die ganze Anlage großartig ent¬
worfen; es ist soviel Terrain erworben und freigelassen, daß auch bet einer
Steigerung des Handelsverkehrs, der die schönen weiten Packhäuser nicht
mehr genügen könnten, die nöthigen Erweiterungen ohne Schwierigkeit aus¬
zuführen wären. Geestemünde war eben das Schooßkind der hannöverschen
Negierung als ein Concurrenzbau. Es ward vor 40 Jahren gleich darauf
angelegt, als Bürgermeister Smidt Bremerhaven gegründet hatte. Aber
selten hat sich die Gemeinschädlichkeit des Particularismus so auffällig ge¬
zeigt, als hier, wo Millionen an eine unnöthige und nicht recht lebensfähige
Schöpfung weggeworfen wurden, um einen Nachbar zu ruiniren. Allerdings
vergebens; denn der Seeverkehr wendet sich infolge der Handelsverhältnisse
doch ganz vorwiegend Bremerhaven zu, und auch von den Dampfern haben
blos die großen amerikanischen Raddampfer, welche ihrer Breite wegen die
bremerhavener Schleuse nicht passiren können, Geestemünde aufgesucht*).

Trotz aller angeführten Vorzüge halten wir eine Benutzung von Geeste¬
münde als Kriegshafen nicht sür möglich. Für lange Schiffe ist die Krüm¬
mung des Vorhafens zu stark, sür alle schweren Kriegsschiffe die Tiefe von
21 Fuß viel zu gering: genau wie Swinemünde, ist dieser Hafen höchstens
für gedeckte Corvetten praktikabel; unsere Panzerfregatten aber würden das
Schicksal der östreichischen Panzerfregatte „Don Juan d'Austria" theilen, die
bei besonders günstigen Fluthverhältnissen hier ins Dock eingelaufen war,
aber nicht wieder hinaus konnte, wegen des Schlicks in dem Hafenausgang
und zu geringer Wassertiefe. Ueberdies wird, wenn auch vorläufig Geeste¬
münde für die kleineren Schiffe der norddeutschen Kriegsflotte eine sehr
schätzbare Acquisition bildet, ein Kriegshafen an dieser Stelle unnöthig,
sobald der Jahdehafen eröffnet ist, der ja auch für'die größten Schiffe ge¬
nügt. Selbst zu einer befestigten Marinestation, die vielleicht in der Weser¬
mündung wünschenswert!) wäre sür Schiffe, die vor feindlicher Uebermacht in
die Weser einzulaufen gezwungen sind und den Jahdehafen nicht mehr er¬
reichen können, würde der Wassertiefe wegen nicht Geestemünde zu be-



') Inwieweit der Handel die geestemü^der Bassins benutzen wird, seitdem die hannöver-
sche Verwaltung aufgehört hat, muß die Folge zeigen, wenn der Handel weniger darnieder-
liegt als in den letzten beiden Jahren. Im Herbst vorige» Jahres lagen kaum ein Dutzend
Schiffe in den Hafenbassins; bei der Uebernahme durch Preußen waren nur fünf größere
Handelsschiffe im ganzen Hafen, und auch in den vier darauffolgenden Wochen belief sich die
Schiff^l,msbeweg»ng auf nur fünf Kauffahrer und zwei Dampfer der amerikanischen Linie.
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[0239] ins Dock geschafft werden mußte. Abgesehen von diesen Privatanlagen haben die Hafenbauten der hannöverschen Regierung, die erst vor wenigen Jahren vollendet wurden und solid und, abgesehen von der zu starken Krümmung des Vorhafens, gut gebaut sind, nicht weniger als fast 4 Millionen Thaler gekostet. In der That ist die ganze Anlage großartig ent¬ worfen; es ist soviel Terrain erworben und freigelassen, daß auch bet einer Steigerung des Handelsverkehrs, der die schönen weiten Packhäuser nicht mehr genügen könnten, die nöthigen Erweiterungen ohne Schwierigkeit aus¬ zuführen wären. Geestemünde war eben das Schooßkind der hannöverschen Negierung als ein Concurrenzbau. Es ward vor 40 Jahren gleich darauf angelegt, als Bürgermeister Smidt Bremerhaven gegründet hatte. Aber selten hat sich die Gemeinschädlichkeit des Particularismus so auffällig ge¬ zeigt, als hier, wo Millionen an eine unnöthige und nicht recht lebensfähige Schöpfung weggeworfen wurden, um einen Nachbar zu ruiniren. Allerdings vergebens; denn der Seeverkehr wendet sich infolge der Handelsverhältnisse doch ganz vorwiegend Bremerhaven zu, und auch von den Dampfern haben blos die großen amerikanischen Raddampfer, welche ihrer Breite wegen die bremerhavener Schleuse nicht passiren können, Geestemünde aufgesucht*). Trotz aller angeführten Vorzüge halten wir eine Benutzung von Geeste¬ münde als Kriegshafen nicht sür möglich. Für lange Schiffe ist die Krüm¬ mung des Vorhafens zu stark, sür alle schweren Kriegsschiffe die Tiefe von 21 Fuß viel zu gering: genau wie Swinemünde, ist dieser Hafen höchstens für gedeckte Corvetten praktikabel; unsere Panzerfregatten aber würden das Schicksal der östreichischen Panzerfregatte „Don Juan d'Austria" theilen, die bei besonders günstigen Fluthverhältnissen hier ins Dock eingelaufen war, aber nicht wieder hinaus konnte, wegen des Schlicks in dem Hafenausgang und zu geringer Wassertiefe. Ueberdies wird, wenn auch vorläufig Geeste¬ münde für die kleineren Schiffe der norddeutschen Kriegsflotte eine sehr schätzbare Acquisition bildet, ein Kriegshafen an dieser Stelle unnöthig, sobald der Jahdehafen eröffnet ist, der ja auch für'die größten Schiffe ge¬ nügt. Selbst zu einer befestigten Marinestation, die vielleicht in der Weser¬ mündung wünschenswert!) wäre sür Schiffe, die vor feindlicher Uebermacht in die Weser einzulaufen gezwungen sind und den Jahdehafen nicht mehr er¬ reichen können, würde der Wassertiefe wegen nicht Geestemünde zu be- ') Inwieweit der Handel die geestemü^der Bassins benutzen wird, seitdem die hannöver- sche Verwaltung aufgehört hat, muß die Folge zeigen, wenn der Handel weniger darnieder- liegt als in den letzten beiden Jahren. Im Herbst vorige» Jahres lagen kaum ein Dutzend Schiffe in den Hafenbassins; bei der Uebernahme durch Preußen waren nur fünf größere Handelsschiffe im ganzen Hafen, und auch in den vier darauffolgenden Wochen belief sich die Schiff^l,msbeweg»ng auf nur fünf Kauffahrer und zwei Dampfer der amerikanischen Linie. 28"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/239>, abgerufen am 05.02.2025.