Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.neue Deutschland eingenommen hatte, wird seit den letzten sechs Wochen von neue Deutschland eingenommen hatte, wird seit den letzten sechs Wochen von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0207" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287479"/> <p xml:id="ID_540" prev="#ID_539" next="#ID_541"> neue Deutschland eingenommen hatte, wird seit den letzten sechs Wochen von<lb/> Spanien gespielt. Die prickelnde Neugier der Pariser, welche sich nicht zufrieden<lb/> gibt, bevor ihre Frage „c^ma novi" durch irgend eine politische Tagesneuigkeit<lb/> beantwortet ist. beschäftigt sich mit Conjecturen über die künftige Besetzung<lb/> des spanischen Throns, die lären - und reclamebedürftige Presse nährt sich<lb/> mit Briefen von und an Prim und die Schönredner und Schaumschläger<lb/> im größeren Styl finden an der vermeintlichen Unterstützung der einen oder<lb/> andern spanischen Kandidatur die nöthige Beschäftigung. Der Gaulois hat<lb/> sich durch seine Beziehungen zu einzelnen Häuptern der provisorischen Negie¬<lb/> rung von Madrid für einige Zeit in Mode gebracht und sorgt dasür, daß<lb/> nur von Spanien und nur von Spanien die Rede ist; Herr von Girardin,<lb/> der vergeblich auf die spanische Republik pointirte. macht seiner Verstimmung<lb/> über die secundäre Stellung, in welche er augenblicklich gerückt worden ist.<lb/> durch absprechende Kritik von Zuständen Luft, die sich seiner Beurtheilung<lb/> ebenso entziehen, wie der der übrigen nicht spanischen Welt; der kaiserliche<lb/> Vetter ist wiederum um eine Hoffnung ärmer geworden und der Kaiser, end¬<lb/> lich in die Nähe seiner Hauptstadt zurückgekehrt, hüllt sich in das tiefe<lb/> Schweigen, welches regelmäßig der Kreuzung seiner Pläne zu folgen pflegt.<lb/> Die spanische Hofpartei der Kaiserin hat sich durch ihre anfängliche Partei¬<lb/> nahme für die Königin Jsabella eine arge Schlappe zugezogen und mußte<lb/> kleben, daß ihre Erklärungen über die Solidarität der dynastischen Interessen<lb/> diesseit und jenseit der Pyrenäen durch den Kaiser Lügen gestraft wurden.<lb/> Eine feste Position hat das Tuileriencabinet gegenüber der spanischen Revo¬<lb/> lution noch nicht nehmen können ; der Republik und der Jnthronisirung des<lb/> Herzogs von Montpensier ebenso abhold, wie der Verwirklichung der iberischen<lb/> Idee, sieht der Kaiser sich in die peinliche Lage versetzt, eine Entscheidung ab¬<lb/> warten zu müssen, die ihm unbequem sein wird, mag sie ausfallen wie sie<lb/> Molle. Jede der drei Eventualitäten, welche für die Lösung der spanischen<lb/> Frage wahrscheinlich sind, wird, sobald sie in den Vordergrund tritt, in<lb/> Frankreich als die schlimmste bezeichnet und doch hat man weder das Recht<lb/> Noch die Macht, dieselbe abzuwenden. — Der große Umfang der Verluste,<lb/> welche den Bonapartismus in den letzten Jahren getroffen, ist wieder ein¬<lb/> mal in peinlichster Weise blosgelegt. Der schmeichelhafte Empfang, der<lb/> der „Gräfin von Madrid" am französischen Hof geworden, läßt durchsehen,<lb/> nach welcher Seite die kaiserlichen Sympathien sich neigen; auf den Volks¬<lb/> willen in Spanien üben dieselben aber nicht die geringste Wirkung und nach<lb/> den neuesten Nachrichten sind die Actien des verhaßten Montpensier seit der<lb/> Weigerung Ferdinands von Koburg-Cohary sogar beträchtlich gestiegen. Jede<lb/> Woche, um welche die Entscheidung in Madrid hinausgeschoben wird, rückt<lb/> zugleich die Hoffnungen der preußenfeindlichen Kriegspartei um einen neuen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0207]
neue Deutschland eingenommen hatte, wird seit den letzten sechs Wochen von
Spanien gespielt. Die prickelnde Neugier der Pariser, welche sich nicht zufrieden
gibt, bevor ihre Frage „c^ma novi" durch irgend eine politische Tagesneuigkeit
beantwortet ist. beschäftigt sich mit Conjecturen über die künftige Besetzung
des spanischen Throns, die lären - und reclamebedürftige Presse nährt sich
mit Briefen von und an Prim und die Schönredner und Schaumschläger
im größeren Styl finden an der vermeintlichen Unterstützung der einen oder
andern spanischen Kandidatur die nöthige Beschäftigung. Der Gaulois hat
sich durch seine Beziehungen zu einzelnen Häuptern der provisorischen Negie¬
rung von Madrid für einige Zeit in Mode gebracht und sorgt dasür, daß
nur von Spanien und nur von Spanien die Rede ist; Herr von Girardin,
der vergeblich auf die spanische Republik pointirte. macht seiner Verstimmung
über die secundäre Stellung, in welche er augenblicklich gerückt worden ist.
durch absprechende Kritik von Zuständen Luft, die sich seiner Beurtheilung
ebenso entziehen, wie der der übrigen nicht spanischen Welt; der kaiserliche
Vetter ist wiederum um eine Hoffnung ärmer geworden und der Kaiser, end¬
lich in die Nähe seiner Hauptstadt zurückgekehrt, hüllt sich in das tiefe
Schweigen, welches regelmäßig der Kreuzung seiner Pläne zu folgen pflegt.
Die spanische Hofpartei der Kaiserin hat sich durch ihre anfängliche Partei¬
nahme für die Königin Jsabella eine arge Schlappe zugezogen und mußte
kleben, daß ihre Erklärungen über die Solidarität der dynastischen Interessen
diesseit und jenseit der Pyrenäen durch den Kaiser Lügen gestraft wurden.
Eine feste Position hat das Tuileriencabinet gegenüber der spanischen Revo¬
lution noch nicht nehmen können ; der Republik und der Jnthronisirung des
Herzogs von Montpensier ebenso abhold, wie der Verwirklichung der iberischen
Idee, sieht der Kaiser sich in die peinliche Lage versetzt, eine Entscheidung ab¬
warten zu müssen, die ihm unbequem sein wird, mag sie ausfallen wie sie
Molle. Jede der drei Eventualitäten, welche für die Lösung der spanischen
Frage wahrscheinlich sind, wird, sobald sie in den Vordergrund tritt, in
Frankreich als die schlimmste bezeichnet und doch hat man weder das Recht
Noch die Macht, dieselbe abzuwenden. — Der große Umfang der Verluste,
welche den Bonapartismus in den letzten Jahren getroffen, ist wieder ein¬
mal in peinlichster Weise blosgelegt. Der schmeichelhafte Empfang, der
der „Gräfin von Madrid" am französischen Hof geworden, läßt durchsehen,
nach welcher Seite die kaiserlichen Sympathien sich neigen; auf den Volks¬
willen in Spanien üben dieselben aber nicht die geringste Wirkung und nach
den neuesten Nachrichten sind die Actien des verhaßten Montpensier seit der
Weigerung Ferdinands von Koburg-Cohary sogar beträchtlich gestiegen. Jede
Woche, um welche die Entscheidung in Madrid hinausgeschoben wird, rückt
zugleich die Hoffnungen der preußenfeindlichen Kriegspartei um einen neuen
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