Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Rylejew, Sergius Mur^wjew - Apostol, Michael Bestushew - Rjumin und Ich schreibe nicht die Biographie meiner Kameraden und Unglücksge¬ Rylejew, Sergius Mur^wjew - Apostol, Michael Bestushew - Rjumin und Ich schreibe nicht die Biographie meiner Kameraden und Unglücksge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287472"/> <p xml:id="ID_523" prev="#ID_522"> Rylejew, Sergius Mur^wjew - Apostol, Michael Bestushew - Rjumin und<lb/> Michael Kochowsky waren der Geistliche der Kasan'schen Kirche P. N.<lb/> Myslovsky. der Platzadjutant Nikolajew, der Feuerwerker Sokolow, der<lb/> Wächter Trosimow in der Festung; auf dem Richtplatze befanden sich außer<lb/> den genannten Personen noch der Platzmajor der Stadt A. A. Boldywew,<lb/> der Stabscapitän vom Garde-Generalstabe, V D. Wolchowsky und einige<lb/> Soldaten von der Festungsartillerie. — Die letzte Nacht brachten die zum<lb/> Tode Verurtheilten in der Kronwerkschen Courtine zu. Pestel bewahrte seine<lb/> ungewöhnliche Geisteskraft bis zu Ende, kein Zug seines eisernen Gesichts<lb/> zeigte die mindeste Unruhe. Auch die übrigen Verurtheilten starben mit<lb/> männlicher Fassung.</p><lb/> <p xml:id="ID_524" next="#ID_525"> Ich schreibe nicht die Biographie meiner Kameraden und Unglücksge¬<lb/> fährten; ich berühre nur die letzten Stunden ihres Lebens und erwähne da¬<lb/> bei der Hauptzüge ihrer Charaktere. Paul Pestel, früher Officier der Che¬<lb/> valier-Garde und Adjutant des Grafen Wittgenstein, dann Obrist des Wjät-<lb/> kaschen Infanterie-Regiments, war eines der Häupter der Verschwörung und<lb/> Verfasser der Konstitution gewesen, welche nach Umsturz des bestehenden Systems<lb/> eingerichtet werden sollte. Am 14. Dec. war er nicht in Petersburg, sondern<lb/> an der Spitze der Aufständischen im Süden gewesen. Nach dem einstimmigen<lb/> Urtheil Aller, die ihn gekannt, war er ein Mann von großem Geist, eisernem<lb/> Charakter und unerschütterlicher Ueberzeugungstreue. Die Begleitung des<lb/> lutherischen Pastors Reinhold zum Schaffst hatte er abgelehnt. — Unter den<lb/> Petersburger Verschwörern hatte der mehrerwähnte Conrad Rylejew die<lb/> Hauptrolle gespielt, eine edle, schwärmerisch-idealistische Poetennatur.<lb/> Nach seinem Austritte aus dem 1. Cadettencorps war er in die reitende<lb/> Artillerie getreten, dann Secretär der amerikanischen Compagnie geworden.<lb/> In seinen freien Stunden fungirte er als Sachwalter der Klagen armer<lb/> und bedruckter Menschen, die in den letzten Jahren seines Lebens sein Vor¬<lb/> zimmer beständig belagerten. — Ich habe schon gesagt, daß er sich aus<lb/> eigenem Antriebe dem Aufstande vom 14. December zum Opfer brachte. Er<lb/> sah das Nichtgelingen voraus, wollte aber doch einen offenen Widerstand,<lb/> eine öffentliche Forderung der Volksrechte hervorrufen, weil er überzeugt war<lb/> seine Bestrebungen würden Nachfolger finden, sobald nur „der Anfang gemacht<lb/> sei." Er war die Seele dieses unglücklichen Unternehmens, und nahm soweit<lb/> es ihm möglich war. alle Verantwortung für dasselbe auf sich; persönlich bat<lb/> er den Kaiser und die Commission, daß man ihn nicht schonen solle, aber das<lb/> Schicksal seiner minder schuldigen Cameraden lindern möchte. Der veröffent¬<lb/> lichte Bericht der Untersuchungs-Commission thut dieses Umstandes besondere<lb/> Erwähnung. Ich weiß nicht, wo Graf Bljudow, der Verfasser dieses Berichts,<lb/> die Nachricht hergenommen hat, daß RrMjew nicht selbst auf dem Senats-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0200]
Rylejew, Sergius Mur^wjew - Apostol, Michael Bestushew - Rjumin und
Michael Kochowsky waren der Geistliche der Kasan'schen Kirche P. N.
Myslovsky. der Platzadjutant Nikolajew, der Feuerwerker Sokolow, der
Wächter Trosimow in der Festung; auf dem Richtplatze befanden sich außer
den genannten Personen noch der Platzmajor der Stadt A. A. Boldywew,
der Stabscapitän vom Garde-Generalstabe, V D. Wolchowsky und einige
Soldaten von der Festungsartillerie. — Die letzte Nacht brachten die zum
Tode Verurtheilten in der Kronwerkschen Courtine zu. Pestel bewahrte seine
ungewöhnliche Geisteskraft bis zu Ende, kein Zug seines eisernen Gesichts
zeigte die mindeste Unruhe. Auch die übrigen Verurtheilten starben mit
männlicher Fassung.
Ich schreibe nicht die Biographie meiner Kameraden und Unglücksge¬
fährten; ich berühre nur die letzten Stunden ihres Lebens und erwähne da¬
bei der Hauptzüge ihrer Charaktere. Paul Pestel, früher Officier der Che¬
valier-Garde und Adjutant des Grafen Wittgenstein, dann Obrist des Wjät-
kaschen Infanterie-Regiments, war eines der Häupter der Verschwörung und
Verfasser der Konstitution gewesen, welche nach Umsturz des bestehenden Systems
eingerichtet werden sollte. Am 14. Dec. war er nicht in Petersburg, sondern
an der Spitze der Aufständischen im Süden gewesen. Nach dem einstimmigen
Urtheil Aller, die ihn gekannt, war er ein Mann von großem Geist, eisernem
Charakter und unerschütterlicher Ueberzeugungstreue. Die Begleitung des
lutherischen Pastors Reinhold zum Schaffst hatte er abgelehnt. — Unter den
Petersburger Verschwörern hatte der mehrerwähnte Conrad Rylejew die
Hauptrolle gespielt, eine edle, schwärmerisch-idealistische Poetennatur.
Nach seinem Austritte aus dem 1. Cadettencorps war er in die reitende
Artillerie getreten, dann Secretär der amerikanischen Compagnie geworden.
In seinen freien Stunden fungirte er als Sachwalter der Klagen armer
und bedruckter Menschen, die in den letzten Jahren seines Lebens sein Vor¬
zimmer beständig belagerten. — Ich habe schon gesagt, daß er sich aus
eigenem Antriebe dem Aufstande vom 14. December zum Opfer brachte. Er
sah das Nichtgelingen voraus, wollte aber doch einen offenen Widerstand,
eine öffentliche Forderung der Volksrechte hervorrufen, weil er überzeugt war
seine Bestrebungen würden Nachfolger finden, sobald nur „der Anfang gemacht
sei." Er war die Seele dieses unglücklichen Unternehmens, und nahm soweit
es ihm möglich war. alle Verantwortung für dasselbe auf sich; persönlich bat
er den Kaiser und die Commission, daß man ihn nicht schonen solle, aber das
Schicksal seiner minder schuldigen Cameraden lindern möchte. Der veröffent¬
lichte Bericht der Untersuchungs-Commission thut dieses Umstandes besondere
Erwähnung. Ich weiß nicht, wo Graf Bljudow, der Verfasser dieses Berichts,
die Nachricht hergenommen hat, daß RrMjew nicht selbst auf dem Senats-
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