Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.verschaffte und die wilde, üppig kräftige Blume der Volkspoesie verdrängend Einer der hervorragendsten Dichter dieser Art, die wir mit dem Namen Bedenken wir aber, daß der Dichterruhm mancher sogar in der Zeitgeschichte ") Bis jetzt sind 23 solcher Handschriften bekannt, welche Bibliotheken Frankreichs, Ita¬ liens, Englands und der Schweiz aufbewahren. 21*
verschaffte und die wilde, üppig kräftige Blume der Volkspoesie verdrängend Einer der hervorragendsten Dichter dieser Art, die wir mit dem Namen Bedenken wir aber, daß der Dichterruhm mancher sogar in der Zeitgeschichte ") Bis jetzt sind 23 solcher Handschriften bekannt, welche Bibliotheken Frankreichs, Ita¬ liens, Englands und der Schweiz aufbewahren. 21*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287453"/> <p xml:id="ID_453" prev="#ID_452"> verschaffte und die wilde, üppig kräftige Blume der Volkspoesie verdrängend<lb/> und aufrollend, die Treibhauspflanze der Hofpoesie an ihre Stelle setzte, —<lb/> noch nicht strenge die Flügel beschnitten. — Der letzte Vertreter oder Epigone<lb/> der naiven Poesie, welcher die Natürlichkeit, Leichtigkeit und übermüthige<lb/> Laune dieses älteren französischen Literaturtypus mit der Glätte, Formstrenge<lb/> und äußerlichen Correctheit des classischen Typus aufs glücklichste und an-<lb/> muthigste zu verbinden wußte, war Lafontaine, der poetische Erzähler<lb/> exeellönee.— Weiter zurücksteigend in die Gebiete der älteren Literatur<lb/> können wir Marot, Viktor und Rustebues als hauptsächliche Vertreter dieser<lb/> älteren naiven Kundgebung des französischen Esprit anführen. — Das eigent¬<lb/> liche französische Mtttelalter hat uns von den Namen solcher volksmäßigen<lb/> Lyriker, von deren Werken uns eine ziemlich große Anzahl in den zahlreichen<lb/> französischen Liederhandschriftenerhalten sind, nur sehr wenige aufbewahrt.<lb/> — Die meisten dieser Liedersammlungen sind für vornehme Personen ange¬<lb/> fertigt und haben sich, wenn sie auch gelegentlich unter zahlreichen Produkten<lb/> der Hofpoesie den Erzeugnissen der volksthümlichen Muse Raum verstatteten,<lb/> doch um die Namen der Verfasser dieser Stücke nicht dieselbe Mühe ge¬<lb/> geben, die sie sich nicht allein sür die Feststellung der Namen der Ritter<lb/> und Herren, sondern auch für die genaue Erforschung und prächtige Dar-<lb/> stellung ihrer Wappenbilder gaben. Wir können daher mit einiger Ge¬<lb/> wißheit annehmen, daß die wenigen Dichter aus dem Volke, deren Namen<lb/> dennoch in den Sammlungen auf uns gekommen sind, eines weitverbreiteten<lb/> Rufes genossen.</p><lb/> <p xml:id="ID_454"> Einer der hervorragendsten Dichter dieser Art, die wir mit dem Namen<lb/> ihrer Zeit Jongleurs nennen, ist Colin Musee, dem ungefähr 11—12<lb/> Stücke in verschiedenen Handschriften beigelegt werden. Neben den ungefähr<lb/> 70 Liedern, die uns von Thibaut IV. von Navarra aufbewahrt sind,<lb/> oder gar den mehr als 80 des Gasse Brule nimmt sich die dichterische<lb/> Equipage Colin's allerdings ziemlich bescheiden aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_455" next="#ID_456"> Bedenken wir aber, daß der Dichterruhm mancher sogar in der Zeitgeschichte<lb/> sehr berühmten Dichter z. B. des Johann de Braine, des Königs von<lb/> Jerusalem, des Karl von Anjou und Richards Löwenherz nur<lb/> auf drei, zwei, sogar nur einem Gedichte beruht! Und noch weniger dürfen wir<lb/> uns über die geringe Anzahl der von Colin aufbewahrten Stücke wundern,<lb/> wenn wir ein schon oben berührtes Argument dazu nehmen, daß nämlich die<lb/> Schreiber der meist prächtig ausgestatteten Liedersammlungen (wie sie uns<lb/> noch heute namentlich von der kaiserlichen Bibliothek zu Paris aufbewahrt<lb/> werden) offenbar nicht dieselbe Sorge getragen, in diesen Handschriften, die</p><lb/> <note xml:id="FID_32" place="foot"> ") Bis jetzt sind 23 solcher Handschriften bekannt, welche Bibliotheken Frankreichs, Ita¬<lb/> liens, Englands und der Schweiz aufbewahren.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 21*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
verschaffte und die wilde, üppig kräftige Blume der Volkspoesie verdrängend
und aufrollend, die Treibhauspflanze der Hofpoesie an ihre Stelle setzte, —
noch nicht strenge die Flügel beschnitten. — Der letzte Vertreter oder Epigone
der naiven Poesie, welcher die Natürlichkeit, Leichtigkeit und übermüthige
Laune dieses älteren französischen Literaturtypus mit der Glätte, Formstrenge
und äußerlichen Correctheit des classischen Typus aufs glücklichste und an-
muthigste zu verbinden wußte, war Lafontaine, der poetische Erzähler
exeellönee.— Weiter zurücksteigend in die Gebiete der älteren Literatur
können wir Marot, Viktor und Rustebues als hauptsächliche Vertreter dieser
älteren naiven Kundgebung des französischen Esprit anführen. — Das eigent¬
liche französische Mtttelalter hat uns von den Namen solcher volksmäßigen
Lyriker, von deren Werken uns eine ziemlich große Anzahl in den zahlreichen
französischen Liederhandschriftenerhalten sind, nur sehr wenige aufbewahrt.
— Die meisten dieser Liedersammlungen sind für vornehme Personen ange¬
fertigt und haben sich, wenn sie auch gelegentlich unter zahlreichen Produkten
der Hofpoesie den Erzeugnissen der volksthümlichen Muse Raum verstatteten,
doch um die Namen der Verfasser dieser Stücke nicht dieselbe Mühe ge¬
geben, die sie sich nicht allein sür die Feststellung der Namen der Ritter
und Herren, sondern auch für die genaue Erforschung und prächtige Dar-
stellung ihrer Wappenbilder gaben. Wir können daher mit einiger Ge¬
wißheit annehmen, daß die wenigen Dichter aus dem Volke, deren Namen
dennoch in den Sammlungen auf uns gekommen sind, eines weitverbreiteten
Rufes genossen.
Einer der hervorragendsten Dichter dieser Art, die wir mit dem Namen
ihrer Zeit Jongleurs nennen, ist Colin Musee, dem ungefähr 11—12
Stücke in verschiedenen Handschriften beigelegt werden. Neben den ungefähr
70 Liedern, die uns von Thibaut IV. von Navarra aufbewahrt sind,
oder gar den mehr als 80 des Gasse Brule nimmt sich die dichterische
Equipage Colin's allerdings ziemlich bescheiden aus.
Bedenken wir aber, daß der Dichterruhm mancher sogar in der Zeitgeschichte
sehr berühmten Dichter z. B. des Johann de Braine, des Königs von
Jerusalem, des Karl von Anjou und Richards Löwenherz nur
auf drei, zwei, sogar nur einem Gedichte beruht! Und noch weniger dürfen wir
uns über die geringe Anzahl der von Colin aufbewahrten Stücke wundern,
wenn wir ein schon oben berührtes Argument dazu nehmen, daß nämlich die
Schreiber der meist prächtig ausgestatteten Liedersammlungen (wie sie uns
noch heute namentlich von der kaiserlichen Bibliothek zu Paris aufbewahrt
werden) offenbar nicht dieselbe Sorge getragen, in diesen Handschriften, die
") Bis jetzt sind 23 solcher Handschriften bekannt, welche Bibliotheken Frankreichs, Ita¬
liens, Englands und der Schweiz aufbewahren.
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