Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hinten angefallen und mit der Faust niedergeschlagen. Labski spazierte ins
Gefängniß, wird aber von Vielen als- Märtyrer angesehen. "Smolarz war
Spion, abscheulicher" hörte ich von einem czechischen Patrioten; "wär' ihm
recht geschehen, zu werden aufgehenkt. Warum kommt er hin, wenn Mee¬
ting is verboten?" Bei dem halb aus Amazonen bestehenden Meeting bei
Hochstadt entging der Secretär Froreich dem Tode mit genauer Noth. Daß
er durch Steinwürfe halb todt geschlagen wurde, ist bekannt. Nennen Sie
das nicht Scandal? -- "Ja, aber wozu Beamte schicken?" entgegnete der
Instrumentenmacher. "Je mehr sie verbieten Meetings, desto mehr werden
sein." --

Wir bekehren Czapka und Genossen nicht, denn er findet es auch furcht¬
bar despotisch von der Regierung, daß sie Leben und Eigenthum in Prag
durch schnöde Gewalt zu schützen sucht. Wenn es sich um ein Meeting (oder
wie sie hier sagen Meting) handelt, verstehen die Czechen keinen Spaß.
Die Volksversammlung unter freiem Himmel ist ihnen zur Leidenschaft ge¬
worden, und das hat seinen guten Grund. Vom Landtage und vom Reichs¬
tage in Wien wollen sie nichts wissen; sie mögen dort nicht mehr mitspielen,
weil sie nicht jedesmal gewinnen. Aus dem Umstände, daß in Böhmen
3,000,000 Czechen und nur 2,000,000 Deutsche Hausen, folgt nach czechisch-
demokratischer Logik der Schluß, daß, wenn eine Erörterung oder Berathung nicht
eine Mehrheit von 3 czechischen Stimmen gegen 2 deutsche ergibt, die Ge¬
schäftsordnung, das Wahlgesetz, die ganze Verfassung falscher Schein und
gröbliches Unrecht ist. Ueberhaupt bilden ja die Slaven die überwiegende
Kopfzahl in Oestreich, und daß drei slovakische Topfbinder auf der politischen
Wage schwerer wiegen, als zwei deutsche Fabrikanten, Gutsbesitzer oder Ge¬
lehrte, ist so klar wie das Einmaleins. Aber beim Massenmeeting unter freiem
Himmel sind die Czechen ihrer Majorität gewiß, daher hat man, so sagen sie,
perfider Weise die Benutzung des Versammlungsrechts an unerhörte Be¬
dingungen geknüpft. Drei Tage vor der Versammlung soll der Zweck der¬
selben nebst den darin zu stellenden Anträgen der Behörde angezeigt werden:
Volksversammlungen unter freiem Himmel sollen sogar einer vorherigen amt¬
lichen Genehmigung bedürfen. Es versteht sich, daß die Czechen, da sie keine
Schlafmützen sind wie die Deutschen, über solche Netze und Fallgruben mit
genialer Leichtigkeit hinwegspringen. Zuweilen wird kein Zweck angezeigt
und nach keiner Erlaubniß gefragt. Ein andermal heißt es: Unser Zweck ist,
uns mit vaterländischen Dingen zu beschäftigen, Näheres ist noch nicht an¬
zugeben, denn die Redner werden aus dem Stegreif sprechen. An einem
Freitag zeigte der Narodni Pokrok ein Massenmeeting auf den kommenden
Sonntag an, mit dem Beisatz, daß über die zu beantragenden Beschlüsse
"schon" fleißig berathen werde. Sind dann die Tausende versammelt, so


hinten angefallen und mit der Faust niedergeschlagen. Labski spazierte ins
Gefängniß, wird aber von Vielen als- Märtyrer angesehen. „Smolarz war
Spion, abscheulicher" hörte ich von einem czechischen Patrioten; „wär' ihm
recht geschehen, zu werden aufgehenkt. Warum kommt er hin, wenn Mee¬
ting is verboten?" Bei dem halb aus Amazonen bestehenden Meeting bei
Hochstadt entging der Secretär Froreich dem Tode mit genauer Noth. Daß
er durch Steinwürfe halb todt geschlagen wurde, ist bekannt. Nennen Sie
das nicht Scandal? — „Ja, aber wozu Beamte schicken?" entgegnete der
Instrumentenmacher. „Je mehr sie verbieten Meetings, desto mehr werden
sein." —

Wir bekehren Czapka und Genossen nicht, denn er findet es auch furcht¬
bar despotisch von der Regierung, daß sie Leben und Eigenthum in Prag
durch schnöde Gewalt zu schützen sucht. Wenn es sich um ein Meeting (oder
wie sie hier sagen Meting) handelt, verstehen die Czechen keinen Spaß.
Die Volksversammlung unter freiem Himmel ist ihnen zur Leidenschaft ge¬
worden, und das hat seinen guten Grund. Vom Landtage und vom Reichs¬
tage in Wien wollen sie nichts wissen; sie mögen dort nicht mehr mitspielen,
weil sie nicht jedesmal gewinnen. Aus dem Umstände, daß in Böhmen
3,000,000 Czechen und nur 2,000,000 Deutsche Hausen, folgt nach czechisch-
demokratischer Logik der Schluß, daß, wenn eine Erörterung oder Berathung nicht
eine Mehrheit von 3 czechischen Stimmen gegen 2 deutsche ergibt, die Ge¬
schäftsordnung, das Wahlgesetz, die ganze Verfassung falscher Schein und
gröbliches Unrecht ist. Ueberhaupt bilden ja die Slaven die überwiegende
Kopfzahl in Oestreich, und daß drei slovakische Topfbinder auf der politischen
Wage schwerer wiegen, als zwei deutsche Fabrikanten, Gutsbesitzer oder Ge¬
lehrte, ist so klar wie das Einmaleins. Aber beim Massenmeeting unter freiem
Himmel sind die Czechen ihrer Majorität gewiß, daher hat man, so sagen sie,
perfider Weise die Benutzung des Versammlungsrechts an unerhörte Be¬
dingungen geknüpft. Drei Tage vor der Versammlung soll der Zweck der¬
selben nebst den darin zu stellenden Anträgen der Behörde angezeigt werden:
Volksversammlungen unter freiem Himmel sollen sogar einer vorherigen amt¬
lichen Genehmigung bedürfen. Es versteht sich, daß die Czechen, da sie keine
Schlafmützen sind wie die Deutschen, über solche Netze und Fallgruben mit
genialer Leichtigkeit hinwegspringen. Zuweilen wird kein Zweck angezeigt
und nach keiner Erlaubniß gefragt. Ein andermal heißt es: Unser Zweck ist,
uns mit vaterländischen Dingen zu beschäftigen, Näheres ist noch nicht an¬
zugeben, denn die Redner werden aus dem Stegreif sprechen. An einem
Freitag zeigte der Narodni Pokrok ein Massenmeeting auf den kommenden
Sonntag an, mit dem Beisatz, daß über die zu beantragenden Beschlüsse
„schon" fleißig berathen werde. Sind dann die Tausende versammelt, so


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287416"/>
            <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> hinten angefallen und mit der Faust niedergeschlagen. Labski spazierte ins<lb/>
Gefängniß, wird aber von Vielen als- Märtyrer angesehen. &#x201E;Smolarz war<lb/>
Spion, abscheulicher" hörte ich von einem czechischen Patrioten; &#x201E;wär' ihm<lb/>
recht geschehen, zu werden aufgehenkt. Warum kommt er hin, wenn Mee¬<lb/>
ting is verboten?" Bei dem halb aus Amazonen bestehenden Meeting bei<lb/>
Hochstadt entging der Secretär Froreich dem Tode mit genauer Noth. Daß<lb/>
er durch Steinwürfe halb todt geschlagen wurde, ist bekannt. Nennen Sie<lb/>
das nicht Scandal? &#x2014; &#x201E;Ja, aber wozu Beamte schicken?" entgegnete der<lb/>
Instrumentenmacher. &#x201E;Je mehr sie verbieten Meetings, desto mehr werden<lb/>
sein." &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_346" next="#ID_347"> Wir bekehren Czapka und Genossen nicht, denn er findet es auch furcht¬<lb/>
bar despotisch von der Regierung, daß sie Leben und Eigenthum in Prag<lb/>
durch schnöde Gewalt zu schützen sucht. Wenn es sich um ein Meeting (oder<lb/>
wie sie hier sagen Meting) handelt, verstehen die Czechen keinen Spaß.<lb/>
Die Volksversammlung unter freiem Himmel ist ihnen zur Leidenschaft ge¬<lb/>
worden, und das hat seinen guten Grund. Vom Landtage und vom Reichs¬<lb/>
tage in Wien wollen sie nichts wissen; sie mögen dort nicht mehr mitspielen,<lb/>
weil sie nicht jedesmal gewinnen. Aus dem Umstände, daß in Böhmen<lb/>
3,000,000 Czechen und nur 2,000,000 Deutsche Hausen, folgt nach czechisch-<lb/>
demokratischer Logik der Schluß, daß, wenn eine Erörterung oder Berathung nicht<lb/>
eine Mehrheit von 3 czechischen Stimmen gegen 2 deutsche ergibt, die Ge¬<lb/>
schäftsordnung, das Wahlgesetz, die ganze Verfassung falscher Schein und<lb/>
gröbliches Unrecht ist. Ueberhaupt bilden ja die Slaven die überwiegende<lb/>
Kopfzahl in Oestreich, und daß drei slovakische Topfbinder auf der politischen<lb/>
Wage schwerer wiegen, als zwei deutsche Fabrikanten, Gutsbesitzer oder Ge¬<lb/>
lehrte, ist so klar wie das Einmaleins. Aber beim Massenmeeting unter freiem<lb/>
Himmel sind die Czechen ihrer Majorität gewiß, daher hat man, so sagen sie,<lb/>
perfider Weise die Benutzung des Versammlungsrechts an unerhörte Be¬<lb/>
dingungen geknüpft. Drei Tage vor der Versammlung soll der Zweck der¬<lb/>
selben nebst den darin zu stellenden Anträgen der Behörde angezeigt werden:<lb/>
Volksversammlungen unter freiem Himmel sollen sogar einer vorherigen amt¬<lb/>
lichen Genehmigung bedürfen. Es versteht sich, daß die Czechen, da sie keine<lb/>
Schlafmützen sind wie die Deutschen, über solche Netze und Fallgruben mit<lb/>
genialer Leichtigkeit hinwegspringen. Zuweilen wird kein Zweck angezeigt<lb/>
und nach keiner Erlaubniß gefragt. Ein andermal heißt es: Unser Zweck ist,<lb/>
uns mit vaterländischen Dingen zu beschäftigen, Näheres ist noch nicht an¬<lb/>
zugeben, denn die Redner werden aus dem Stegreif sprechen. An einem<lb/>
Freitag zeigte der Narodni Pokrok ein Massenmeeting auf den kommenden<lb/>
Sonntag an, mit dem Beisatz, daß über die zu beantragenden Beschlüsse<lb/>
&#x201E;schon" fleißig berathen werde. Sind dann die Tausende versammelt, so</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] hinten angefallen und mit der Faust niedergeschlagen. Labski spazierte ins Gefängniß, wird aber von Vielen als- Märtyrer angesehen. „Smolarz war Spion, abscheulicher" hörte ich von einem czechischen Patrioten; „wär' ihm recht geschehen, zu werden aufgehenkt. Warum kommt er hin, wenn Mee¬ ting is verboten?" Bei dem halb aus Amazonen bestehenden Meeting bei Hochstadt entging der Secretär Froreich dem Tode mit genauer Noth. Daß er durch Steinwürfe halb todt geschlagen wurde, ist bekannt. Nennen Sie das nicht Scandal? — „Ja, aber wozu Beamte schicken?" entgegnete der Instrumentenmacher. „Je mehr sie verbieten Meetings, desto mehr werden sein." — Wir bekehren Czapka und Genossen nicht, denn er findet es auch furcht¬ bar despotisch von der Regierung, daß sie Leben und Eigenthum in Prag durch schnöde Gewalt zu schützen sucht. Wenn es sich um ein Meeting (oder wie sie hier sagen Meting) handelt, verstehen die Czechen keinen Spaß. Die Volksversammlung unter freiem Himmel ist ihnen zur Leidenschaft ge¬ worden, und das hat seinen guten Grund. Vom Landtage und vom Reichs¬ tage in Wien wollen sie nichts wissen; sie mögen dort nicht mehr mitspielen, weil sie nicht jedesmal gewinnen. Aus dem Umstände, daß in Böhmen 3,000,000 Czechen und nur 2,000,000 Deutsche Hausen, folgt nach czechisch- demokratischer Logik der Schluß, daß, wenn eine Erörterung oder Berathung nicht eine Mehrheit von 3 czechischen Stimmen gegen 2 deutsche ergibt, die Ge¬ schäftsordnung, das Wahlgesetz, die ganze Verfassung falscher Schein und gröbliches Unrecht ist. Ueberhaupt bilden ja die Slaven die überwiegende Kopfzahl in Oestreich, und daß drei slovakische Topfbinder auf der politischen Wage schwerer wiegen, als zwei deutsche Fabrikanten, Gutsbesitzer oder Ge¬ lehrte, ist so klar wie das Einmaleins. Aber beim Massenmeeting unter freiem Himmel sind die Czechen ihrer Majorität gewiß, daher hat man, so sagen sie, perfider Weise die Benutzung des Versammlungsrechts an unerhörte Be¬ dingungen geknüpft. Drei Tage vor der Versammlung soll der Zweck der¬ selben nebst den darin zu stellenden Anträgen der Behörde angezeigt werden: Volksversammlungen unter freiem Himmel sollen sogar einer vorherigen amt¬ lichen Genehmigung bedürfen. Es versteht sich, daß die Czechen, da sie keine Schlafmützen sind wie die Deutschen, über solche Netze und Fallgruben mit genialer Leichtigkeit hinwegspringen. Zuweilen wird kein Zweck angezeigt und nach keiner Erlaubniß gefragt. Ein andermal heißt es: Unser Zweck ist, uns mit vaterländischen Dingen zu beschäftigen, Näheres ist noch nicht an¬ zugeben, denn die Redner werden aus dem Stegreif sprechen. An einem Freitag zeigte der Narodni Pokrok ein Massenmeeting auf den kommenden Sonntag an, mit dem Beisatz, daß über die zu beantragenden Beschlüsse „schon" fleißig berathen werde. Sind dann die Tausende versammelt, so

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/144>, abgerufen am 05.02.2025.