Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn Angesichts der obwaltenden Mißverhältnisse der letztbezeichnete
Weg, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, verschlossen bleibt, so geschieht
dagegen auf dem geistigen Gebiete unvergleichbar mehr. Die protestantischen
Missionen haben das Verdienst, zuerst an die Gründung von Volksschulen
auch außerhalb der Hauptstadt gedacht zu haben; die beiden andern Kirchen
(die Armenier kommen hierbet nicht in Betracht, weil sie nur in Jerusalem
und Jaffa kleine Gemeinden haben) ließ die Eifersucht nicht lange un¬
thätig bleiben. Die Rivalität der laxen Griechen haben die Protestanten
wenigstens bei den Schulen nicht zu fürchten, obgleich für das Patriarchat
Jerusalem ein großes, von Griechen besuchtes Seminar besteht; wohl aber
diejenige der Lateiner, deren Missionsstationen, meist mit sehr eifrigen Geist¬
lichen besetzt, sich immer weiter ausbreiten und sich der Jugend fleißig an¬
nehmen. Der kluge Leiter dieser Mission, der gewandte Patriarch Valerga,
ein Vertrauensmann des Papstes, hat in der Nähe der Stadt ein wohl¬
eingerichtetes und gutgeleitetes Seminar zur Erziehung von eingebornen Geist¬
lichen und Lehrern gegründet. Wo diese Römisch-Katholischen hinkommen setzen
sie sich durch Erbauung stattlicher Häuser und Gehöfte sofort fest, legen Gär¬
ten an, bemühen sich selbst auch um die äußere Wohlfahrt ihrer, meist den
Griechen abgenommenen Gemeinden, beweisen überhaupt großen Ernst in
ihren Bestrebungen, die christliche Bevölkerung (die Muhamedaner werden
klüglich in Ruhe gelassen) für die römische Kirche zu gewinnen. Zwei große
unter der Leitung des bekannten Abbe Ratisbonne stehende, von den Zions-
schwestern besorgte Anstalten widmen sich der Erziehung der Mädchen aus
niederen Ständen, im Norden des Landes wirken diesen ähnliche Häuser
ebenso mit augenscheinlichem Erfolge. Die römische Kirche verfügt über ganz
andere Mittel als die evangelische, welche darin noch sehr von den Beiträgen
Einzelner abhängt, ihres Sieges gewiß, unterläßt jene offene Anfeindun¬
gen; der endliche Erfolg wird lehren, ob sie richtig gerechnet hat.

Trotzdem daß die protestantische Kirche in Palästina ihre Entstehung
der englischen Mission zu verdanken hat und letztere sich als die leitende und ver¬
mögende geberdet, ist es eine erfreuliche Thatsache, daß die deutsche Misston
verstanden hat und versteht, mit wenigen und mühsam zusammengebrachten
Mitteln in kurzer Zeit Großes und Bleibendes zu leisten. Die Deutschen
sind es, und nicht die Engländer, welche sich an der Hebung des Landes durch
Erziehung und Unterricht bethetligen und der mühevollen Arbeit nicht müde
werden; ein Zeugniß dafür sind die mit großer deutscher Treue und Hin¬
gebung geleiteten umfangreichen Anstalten in Jerusalem und Bethlehem und
an anderen Orten. Ist es von ungefähr, daß das Culturvolk ""r-Loz^ die
Aufgabe erhalten hat, an der Regeneration dieses Landes einen so tief-
gehenden Antheil zu haben?


Wenn Angesichts der obwaltenden Mißverhältnisse der letztbezeichnete
Weg, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, verschlossen bleibt, so geschieht
dagegen auf dem geistigen Gebiete unvergleichbar mehr. Die protestantischen
Missionen haben das Verdienst, zuerst an die Gründung von Volksschulen
auch außerhalb der Hauptstadt gedacht zu haben; die beiden andern Kirchen
(die Armenier kommen hierbet nicht in Betracht, weil sie nur in Jerusalem
und Jaffa kleine Gemeinden haben) ließ die Eifersucht nicht lange un¬
thätig bleiben. Die Rivalität der laxen Griechen haben die Protestanten
wenigstens bei den Schulen nicht zu fürchten, obgleich für das Patriarchat
Jerusalem ein großes, von Griechen besuchtes Seminar besteht; wohl aber
diejenige der Lateiner, deren Missionsstationen, meist mit sehr eifrigen Geist¬
lichen besetzt, sich immer weiter ausbreiten und sich der Jugend fleißig an¬
nehmen. Der kluge Leiter dieser Mission, der gewandte Patriarch Valerga,
ein Vertrauensmann des Papstes, hat in der Nähe der Stadt ein wohl¬
eingerichtetes und gutgeleitetes Seminar zur Erziehung von eingebornen Geist¬
lichen und Lehrern gegründet. Wo diese Römisch-Katholischen hinkommen setzen
sie sich durch Erbauung stattlicher Häuser und Gehöfte sofort fest, legen Gär¬
ten an, bemühen sich selbst auch um die äußere Wohlfahrt ihrer, meist den
Griechen abgenommenen Gemeinden, beweisen überhaupt großen Ernst in
ihren Bestrebungen, die christliche Bevölkerung (die Muhamedaner werden
klüglich in Ruhe gelassen) für die römische Kirche zu gewinnen. Zwei große
unter der Leitung des bekannten Abbe Ratisbonne stehende, von den Zions-
schwestern besorgte Anstalten widmen sich der Erziehung der Mädchen aus
niederen Ständen, im Norden des Landes wirken diesen ähnliche Häuser
ebenso mit augenscheinlichem Erfolge. Die römische Kirche verfügt über ganz
andere Mittel als die evangelische, welche darin noch sehr von den Beiträgen
Einzelner abhängt, ihres Sieges gewiß, unterläßt jene offene Anfeindun¬
gen; der endliche Erfolg wird lehren, ob sie richtig gerechnet hat.

Trotzdem daß die protestantische Kirche in Palästina ihre Entstehung
der englischen Mission zu verdanken hat und letztere sich als die leitende und ver¬
mögende geberdet, ist es eine erfreuliche Thatsache, daß die deutsche Misston
verstanden hat und versteht, mit wenigen und mühsam zusammengebrachten
Mitteln in kurzer Zeit Großes und Bleibendes zu leisten. Die Deutschen
sind es, und nicht die Engländer, welche sich an der Hebung des Landes durch
Erziehung und Unterricht bethetligen und der mühevollen Arbeit nicht müde
werden; ein Zeugniß dafür sind die mit großer deutscher Treue und Hin¬
gebung geleiteten umfangreichen Anstalten in Jerusalem und Bethlehem und
an anderen Orten. Ist es von ungefähr, daß das Culturvolk ««r-Loz^ die
Aufgabe erhalten hat, an der Regeneration dieses Landes einen so tief-
gehenden Antheil zu haben?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286801"/>
          <p xml:id="ID_228"> Wenn Angesichts der obwaltenden Mißverhältnisse der letztbezeichnete<lb/>
Weg, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, verschlossen bleibt, so geschieht<lb/>
dagegen auf dem geistigen Gebiete unvergleichbar mehr. Die protestantischen<lb/>
Missionen haben das Verdienst, zuerst an die Gründung von Volksschulen<lb/>
auch außerhalb der Hauptstadt gedacht zu haben; die beiden andern Kirchen<lb/>
(die Armenier kommen hierbet nicht in Betracht, weil sie nur in Jerusalem<lb/>
und Jaffa kleine Gemeinden haben) ließ die Eifersucht nicht lange un¬<lb/>
thätig bleiben. Die Rivalität der laxen Griechen haben die Protestanten<lb/>
wenigstens bei den Schulen nicht zu fürchten, obgleich für das Patriarchat<lb/>
Jerusalem ein großes, von Griechen besuchtes Seminar besteht; wohl aber<lb/>
diejenige der Lateiner, deren Missionsstationen, meist mit sehr eifrigen Geist¬<lb/>
lichen besetzt, sich immer weiter ausbreiten und sich der Jugend fleißig an¬<lb/>
nehmen. Der kluge Leiter dieser Mission, der gewandte Patriarch Valerga,<lb/>
ein Vertrauensmann des Papstes, hat in der Nähe der Stadt ein wohl¬<lb/>
eingerichtetes und gutgeleitetes Seminar zur Erziehung von eingebornen Geist¬<lb/>
lichen und Lehrern gegründet. Wo diese Römisch-Katholischen hinkommen setzen<lb/>
sie sich durch Erbauung stattlicher Häuser und Gehöfte sofort fest, legen Gär¬<lb/>
ten an, bemühen sich selbst auch um die äußere Wohlfahrt ihrer, meist den<lb/>
Griechen abgenommenen Gemeinden, beweisen überhaupt großen Ernst in<lb/>
ihren Bestrebungen, die christliche Bevölkerung (die Muhamedaner werden<lb/>
klüglich in Ruhe gelassen) für die römische Kirche zu gewinnen. Zwei große<lb/>
unter der Leitung des bekannten Abbe Ratisbonne stehende, von den Zions-<lb/>
schwestern besorgte Anstalten widmen sich der Erziehung der Mädchen aus<lb/>
niederen Ständen, im Norden des Landes wirken diesen ähnliche Häuser<lb/>
ebenso mit augenscheinlichem Erfolge. Die römische Kirche verfügt über ganz<lb/>
andere Mittel als die evangelische, welche darin noch sehr von den Beiträgen<lb/>
Einzelner abhängt, ihres Sieges gewiß, unterläßt jene offene Anfeindun¬<lb/>
gen; der endliche Erfolg wird lehren, ob sie richtig gerechnet hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_229"> Trotzdem daß die protestantische Kirche in Palästina ihre Entstehung<lb/>
der englischen Mission zu verdanken hat und letztere sich als die leitende und ver¬<lb/>
mögende geberdet, ist es eine erfreuliche Thatsache, daß die deutsche Misston<lb/>
verstanden hat und versteht, mit wenigen und mühsam zusammengebrachten<lb/>
Mitteln in kurzer Zeit Großes und Bleibendes zu leisten. Die Deutschen<lb/>
sind es, und nicht die Engländer, welche sich an der Hebung des Landes durch<lb/>
Erziehung und Unterricht bethetligen und der mühevollen Arbeit nicht müde<lb/>
werden; ein Zeugniß dafür sind die mit großer deutscher Treue und Hin¬<lb/>
gebung geleiteten umfangreichen Anstalten in Jerusalem und Bethlehem und<lb/>
an anderen Orten. Ist es von ungefähr, daß das Culturvolk ««r-Loz^ die<lb/>
Aufgabe erhalten hat, an der Regeneration dieses Landes einen so tief-<lb/>
gehenden Antheil zu haben?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0089] Wenn Angesichts der obwaltenden Mißverhältnisse der letztbezeichnete Weg, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, verschlossen bleibt, so geschieht dagegen auf dem geistigen Gebiete unvergleichbar mehr. Die protestantischen Missionen haben das Verdienst, zuerst an die Gründung von Volksschulen auch außerhalb der Hauptstadt gedacht zu haben; die beiden andern Kirchen (die Armenier kommen hierbet nicht in Betracht, weil sie nur in Jerusalem und Jaffa kleine Gemeinden haben) ließ die Eifersucht nicht lange un¬ thätig bleiben. Die Rivalität der laxen Griechen haben die Protestanten wenigstens bei den Schulen nicht zu fürchten, obgleich für das Patriarchat Jerusalem ein großes, von Griechen besuchtes Seminar besteht; wohl aber diejenige der Lateiner, deren Missionsstationen, meist mit sehr eifrigen Geist¬ lichen besetzt, sich immer weiter ausbreiten und sich der Jugend fleißig an¬ nehmen. Der kluge Leiter dieser Mission, der gewandte Patriarch Valerga, ein Vertrauensmann des Papstes, hat in der Nähe der Stadt ein wohl¬ eingerichtetes und gutgeleitetes Seminar zur Erziehung von eingebornen Geist¬ lichen und Lehrern gegründet. Wo diese Römisch-Katholischen hinkommen setzen sie sich durch Erbauung stattlicher Häuser und Gehöfte sofort fest, legen Gär¬ ten an, bemühen sich selbst auch um die äußere Wohlfahrt ihrer, meist den Griechen abgenommenen Gemeinden, beweisen überhaupt großen Ernst in ihren Bestrebungen, die christliche Bevölkerung (die Muhamedaner werden klüglich in Ruhe gelassen) für die römische Kirche zu gewinnen. Zwei große unter der Leitung des bekannten Abbe Ratisbonne stehende, von den Zions- schwestern besorgte Anstalten widmen sich der Erziehung der Mädchen aus niederen Ständen, im Norden des Landes wirken diesen ähnliche Häuser ebenso mit augenscheinlichem Erfolge. Die römische Kirche verfügt über ganz andere Mittel als die evangelische, welche darin noch sehr von den Beiträgen Einzelner abhängt, ihres Sieges gewiß, unterläßt jene offene Anfeindun¬ gen; der endliche Erfolg wird lehren, ob sie richtig gerechnet hat. Trotzdem daß die protestantische Kirche in Palästina ihre Entstehung der englischen Mission zu verdanken hat und letztere sich als die leitende und ver¬ mögende geberdet, ist es eine erfreuliche Thatsache, daß die deutsche Misston verstanden hat und versteht, mit wenigen und mühsam zusammengebrachten Mitteln in kurzer Zeit Großes und Bleibendes zu leisten. Die Deutschen sind es, und nicht die Engländer, welche sich an der Hebung des Landes durch Erziehung und Unterricht bethetligen und der mühevollen Arbeit nicht müde werden; ein Zeugniß dafür sind die mit großer deutscher Treue und Hin¬ gebung geleiteten umfangreichen Anstalten in Jerusalem und Bethlehem und an anderen Orten. Ist es von ungefähr, daß das Culturvolk ««r-Loz^ die Aufgabe erhalten hat, an der Regeneration dieses Landes einen so tief- gehenden Antheil zu haben?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/89
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/89>, abgerufen am 03.07.2024.