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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Spekulation und dem zufolge eine erhebliche Ausdehnung der geschäftlichen
Unternehmungen. Um nur Eins anzuführen, hat die Minenproduction
sehr zugenommen und die Ausfuhr von Kohlen, rohem und raffinirtem
Petroleum überstieg die des Vorjahres um ein beträchtliches. Der Fort-
schritt in der Erfindung von Maschinen zur Arbeitsersparung. Vervoll¬
kommnung und Erleichterung der Production ist im letzten Jahre bedeuten¬
der gewesen, als zu irgend einer früheren Zeit. Während 1857 nur etwas
über 2000 Patente ausgegeben wurden, betrug im vorigen Jahre deren
Zahl 9000, oder 3000 mehr als im Jahre 1865. Dem wachsen-
den Bedarf nach Arbeitskraft ist die europäische Einwanderung in wach¬
sender Ausdehnung entgegen gekommen, sie betrug 1864: 221.535, 1865:
237,397, und 1866: 250,000 Personen. Die jährliche Durchschnittszahl auf
225,000 Personen angenommen, die etwa 80 Dollars baar Geld per Person
mitbringen, ergibt einen jährlichen Capitalzufluß von etwa 18 Millionen
Dollars. Kein Wunder, daß der Unternehmungsgeist sich aller Orten regt
und die Steuerkasten mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit trägt. Gleichwohl
kann dem aufmerksamen Beobachter die Wahrnehmung nicht entgehen, daß
der Krieg gewisse störende Einflüsse hinterlassen hat, die einer normalen
Entwickelung der Hülfsquellen des Landes ernste Hindernisse bereiten, der
Production und Consumtion Abbruch thun, das Wachsthum des internatio¬
nalen Handels aufhalten und die gesammte Industrie des Landes in eine
prekäre Lage versetzen. Ein Blick auf die Preisnotirungen der meisten Waaren
genügt, um das klar zu machen und die Ursachen der ungesunden Wirth¬
schaftslage zu begreifen. Vergleicht man die Preise einer Reihe der wichtig¬
sten und nothwendigsten Artikel mit den Notirungen der Jahre 1859 und
1862, so ergibt sich die enorme, Steigerung von nahezu 90°/°. Von Baum-
wollenmanufacturen ist dabei abgesehen, da der Preissteigerung derselben noch
specielle Ursachen zu Grunde liegen. Mit dieser Preissteigerung hat aber,
was hier hervorgehoben zu werden verdient, die Steigerung der Arbeitslöhne
keineswegs gleichen Schritt gehalten, denn diese beträgt nur 60°/". Die
allgemeine Preissteigerung hat zur Folge eine zunehmende und gefährliche
Concurrenz fremder Producte aus den heimischen und denjenigen fremden
Märkten, welche in früherer Zeit die amerikanische Industrie in aus¬
gedehnteren Maße sich zu erschließen vermochte. -- Mit anderen Worten:
europäische Jndustrieerzeugnisse bereiten dem amerikanischen Product eine
gefährliche Concurrenz und die Ausfuhr amerikanischer Manufacte nach frem¬
den Märkten hat erheblich abgenommen. Während 1860 die Ausfuhr von
Baumwollenfabrikaten dem Werthe nach über 8 Millionen Dollar betrug,
ist dieselbe im letzten Jahre auf eine Million zurückgegangen. Doch nicht
blos auf Industrieproducte findet dies seine Anwendung; auch bei Brodstoffen


Spekulation und dem zufolge eine erhebliche Ausdehnung der geschäftlichen
Unternehmungen. Um nur Eins anzuführen, hat die Minenproduction
sehr zugenommen und die Ausfuhr von Kohlen, rohem und raffinirtem
Petroleum überstieg die des Vorjahres um ein beträchtliches. Der Fort-
schritt in der Erfindung von Maschinen zur Arbeitsersparung. Vervoll¬
kommnung und Erleichterung der Production ist im letzten Jahre bedeuten¬
der gewesen, als zu irgend einer früheren Zeit. Während 1857 nur etwas
über 2000 Patente ausgegeben wurden, betrug im vorigen Jahre deren
Zahl 9000, oder 3000 mehr als im Jahre 1865. Dem wachsen-
den Bedarf nach Arbeitskraft ist die europäische Einwanderung in wach¬
sender Ausdehnung entgegen gekommen, sie betrug 1864: 221.535, 1865:
237,397, und 1866: 250,000 Personen. Die jährliche Durchschnittszahl auf
225,000 Personen angenommen, die etwa 80 Dollars baar Geld per Person
mitbringen, ergibt einen jährlichen Capitalzufluß von etwa 18 Millionen
Dollars. Kein Wunder, daß der Unternehmungsgeist sich aller Orten regt
und die Steuerkasten mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit trägt. Gleichwohl
kann dem aufmerksamen Beobachter die Wahrnehmung nicht entgehen, daß
der Krieg gewisse störende Einflüsse hinterlassen hat, die einer normalen
Entwickelung der Hülfsquellen des Landes ernste Hindernisse bereiten, der
Production und Consumtion Abbruch thun, das Wachsthum des internatio¬
nalen Handels aufhalten und die gesammte Industrie des Landes in eine
prekäre Lage versetzen. Ein Blick auf die Preisnotirungen der meisten Waaren
genügt, um das klar zu machen und die Ursachen der ungesunden Wirth¬
schaftslage zu begreifen. Vergleicht man die Preise einer Reihe der wichtig¬
sten und nothwendigsten Artikel mit den Notirungen der Jahre 1859 und
1862, so ergibt sich die enorme, Steigerung von nahezu 90°/°. Von Baum-
wollenmanufacturen ist dabei abgesehen, da der Preissteigerung derselben noch
specielle Ursachen zu Grunde liegen. Mit dieser Preissteigerung hat aber,
was hier hervorgehoben zu werden verdient, die Steigerung der Arbeitslöhne
keineswegs gleichen Schritt gehalten, denn diese beträgt nur 60°/«. Die
allgemeine Preissteigerung hat zur Folge eine zunehmende und gefährliche
Concurrenz fremder Producte aus den heimischen und denjenigen fremden
Märkten, welche in früherer Zeit die amerikanische Industrie in aus¬
gedehnteren Maße sich zu erschließen vermochte. — Mit anderen Worten:
europäische Jndustrieerzeugnisse bereiten dem amerikanischen Product eine
gefährliche Concurrenz und die Ausfuhr amerikanischer Manufacte nach frem¬
den Märkten hat erheblich abgenommen. Während 1860 die Ausfuhr von
Baumwollenfabrikaten dem Werthe nach über 8 Millionen Dollar betrug,
ist dieselbe im letzten Jahre auf eine Million zurückgegangen. Doch nicht
blos auf Industrieproducte findet dies seine Anwendung; auch bei Brodstoffen


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[0070] Spekulation und dem zufolge eine erhebliche Ausdehnung der geschäftlichen Unternehmungen. Um nur Eins anzuführen, hat die Minenproduction sehr zugenommen und die Ausfuhr von Kohlen, rohem und raffinirtem Petroleum überstieg die des Vorjahres um ein beträchtliches. Der Fort- schritt in der Erfindung von Maschinen zur Arbeitsersparung. Vervoll¬ kommnung und Erleichterung der Production ist im letzten Jahre bedeuten¬ der gewesen, als zu irgend einer früheren Zeit. Während 1857 nur etwas über 2000 Patente ausgegeben wurden, betrug im vorigen Jahre deren Zahl 9000, oder 3000 mehr als im Jahre 1865. Dem wachsen- den Bedarf nach Arbeitskraft ist die europäische Einwanderung in wach¬ sender Ausdehnung entgegen gekommen, sie betrug 1864: 221.535, 1865: 237,397, und 1866: 250,000 Personen. Die jährliche Durchschnittszahl auf 225,000 Personen angenommen, die etwa 80 Dollars baar Geld per Person mitbringen, ergibt einen jährlichen Capitalzufluß von etwa 18 Millionen Dollars. Kein Wunder, daß der Unternehmungsgeist sich aller Orten regt und die Steuerkasten mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit trägt. Gleichwohl kann dem aufmerksamen Beobachter die Wahrnehmung nicht entgehen, daß der Krieg gewisse störende Einflüsse hinterlassen hat, die einer normalen Entwickelung der Hülfsquellen des Landes ernste Hindernisse bereiten, der Production und Consumtion Abbruch thun, das Wachsthum des internatio¬ nalen Handels aufhalten und die gesammte Industrie des Landes in eine prekäre Lage versetzen. Ein Blick auf die Preisnotirungen der meisten Waaren genügt, um das klar zu machen und die Ursachen der ungesunden Wirth¬ schaftslage zu begreifen. Vergleicht man die Preise einer Reihe der wichtig¬ sten und nothwendigsten Artikel mit den Notirungen der Jahre 1859 und 1862, so ergibt sich die enorme, Steigerung von nahezu 90°/°. Von Baum- wollenmanufacturen ist dabei abgesehen, da der Preissteigerung derselben noch specielle Ursachen zu Grunde liegen. Mit dieser Preissteigerung hat aber, was hier hervorgehoben zu werden verdient, die Steigerung der Arbeitslöhne keineswegs gleichen Schritt gehalten, denn diese beträgt nur 60°/«. Die allgemeine Preissteigerung hat zur Folge eine zunehmende und gefährliche Concurrenz fremder Producte aus den heimischen und denjenigen fremden Märkten, welche in früherer Zeit die amerikanische Industrie in aus¬ gedehnteren Maße sich zu erschließen vermochte. — Mit anderen Worten: europäische Jndustrieerzeugnisse bereiten dem amerikanischen Product eine gefährliche Concurrenz und die Ausfuhr amerikanischer Manufacte nach frem¬ den Märkten hat erheblich abgenommen. Während 1860 die Ausfuhr von Baumwollenfabrikaten dem Werthe nach über 8 Millionen Dollar betrug, ist dieselbe im letzten Jahre auf eine Million zurückgegangen. Doch nicht blos auf Industrieproducte findet dies seine Anwendung; auch bei Brodstoffen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/70>, abgerufen am 26.06.2024.