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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Offiziere von einem wandernden Spielmann ein deutsches Lied. Es war viel
verlangt und es erhob sich ein dumpfes Gemurmel. Der Musikant hätte
das "Gott erhalte" singen können, war aber nicht Diplomat genug, aus
diesen Ausweg zu verfallen, sondern zauderte. Ein ältlicher Herr an meinem
Tisch, dem Anscheine nach ein Beamter, schüttelte den Kopf und wischte ver¬
legen an seiner Brille. Seine Gemahlin aber sagte in gutem Deutsch: Ach,
wenn die Deutschen nur so klug wären, kein Aergerniß zu geben! Wozu die
Demonstrationen? -- Freilich, freilich, bemerkte der Gatte; aber die Einen
sind wie die Anderen. In Wien, das muß ich sagen, macht man wegen
100 slavischer Demonstrationen kein' Lärm, hier fürchten sie sich'vor einem Liebt,
als könntens dadurch gleich germanisirt werden. -- Das ist etwas ganz
Anderes, warf ein gegenüber sitzender, der die Schamara und einen langen
Bart trug, mit bitterem Lächeln ein: Wien ist eine große Stadt und Böh¬
men ein kleines Land. In dem engen Raume wenigstens, den uns die
KerlNÄnia, vmnivorax gelassen hat, wollen wir eigene Herrn sein. -- Nix
deutsch hier, nix deutsch hier, schrieen zehn, zwölf Stimmen, während das
übrige Publicum neutral blieb. Der Spielmann ließ daher zu seiner Harfe
lauter slavische Lieder hören, unter andern aber auch eines, das aus dem
alten wienerischen "Wann ich Geld hab" übersetzt ist. Sogleich wurde ihm
Schweigen geboten mit dem Ruf: Ist nicht czechisch, ist aus dem Deutschen!
Und -- sagte der in der Schamara -- es ist eine Schande, die edle czechi-
sche Sprache mit solchen deutschen Gemeinheiten zu entweihen! Die Offiziere
ließen ihr Bier stehen und gingen.

Wenn der czechische Leu in einer Festung (mit einer Garnison von 2000
Bayonnetten bei nicht mehr als 6000 Einwohnern) so niedlich girren kann,
so darf man wohl glauben, daß er auf dem platten Lande ein famoser Katzen¬
musikant ist. Seine Mrtuositätenstücklein sind Ihnen gewiß aus den östrei¬
chischen Blättern bekannt; ob diese Berichte zu stark auftragen oder nicht,
kann ich unmöglich beurtheilen. Ich will daher nur Einiges von dem er¬
wähnen, was in den Kreis meiner eigenen Beobachtung fiel, und dies hat
glücklicher Weise keinen tragischen Charakter. Wenige Tage nach der Be¬
leuchtung brachte mir Viala eine wichtige Neuigkeit. Viala ist ein Barbier
wie er sein soll: vielwissend, mittheilsam und bemüht, Leuten jeden Schlages
mit Sanftmuth um den Bart zu gehen. Herr, wissen schon? begann er
schmunzelnd, indem er Schaum schlug. Sonntag wird sein große Versamm¬
lung mit Verbrüderung in China. -- Verbrüderung? Mit wem? --I, ham
wir ja die Deutschen alle geladen zu kommen, weil wir wollen uns mit sie
verbrüdern. -- So, so! -- Ja, und ist ganz recht. Deutscher ist auch Mensch
und was kann armer Teufel dafür, daß ist so geboren? Wenn Einer ist auch
nicht Czech, wenn nur ist ordentlich und brav, kann meinetwegen sein Deut-


Offiziere von einem wandernden Spielmann ein deutsches Lied. Es war viel
verlangt und es erhob sich ein dumpfes Gemurmel. Der Musikant hätte
das „Gott erhalte" singen können, war aber nicht Diplomat genug, aus
diesen Ausweg zu verfallen, sondern zauderte. Ein ältlicher Herr an meinem
Tisch, dem Anscheine nach ein Beamter, schüttelte den Kopf und wischte ver¬
legen an seiner Brille. Seine Gemahlin aber sagte in gutem Deutsch: Ach,
wenn die Deutschen nur so klug wären, kein Aergerniß zu geben! Wozu die
Demonstrationen? — Freilich, freilich, bemerkte der Gatte; aber die Einen
sind wie die Anderen. In Wien, das muß ich sagen, macht man wegen
100 slavischer Demonstrationen kein' Lärm, hier fürchten sie sich'vor einem Liebt,
als könntens dadurch gleich germanisirt werden. — Das ist etwas ganz
Anderes, warf ein gegenüber sitzender, der die Schamara und einen langen
Bart trug, mit bitterem Lächeln ein: Wien ist eine große Stadt und Böh¬
men ein kleines Land. In dem engen Raume wenigstens, den uns die
KerlNÄnia, vmnivorax gelassen hat, wollen wir eigene Herrn sein. — Nix
deutsch hier, nix deutsch hier, schrieen zehn, zwölf Stimmen, während das
übrige Publicum neutral blieb. Der Spielmann ließ daher zu seiner Harfe
lauter slavische Lieder hören, unter andern aber auch eines, das aus dem
alten wienerischen „Wann ich Geld hab" übersetzt ist. Sogleich wurde ihm
Schweigen geboten mit dem Ruf: Ist nicht czechisch, ist aus dem Deutschen!
Und — sagte der in der Schamara — es ist eine Schande, die edle czechi-
sche Sprache mit solchen deutschen Gemeinheiten zu entweihen! Die Offiziere
ließen ihr Bier stehen und gingen.

Wenn der czechische Leu in einer Festung (mit einer Garnison von 2000
Bayonnetten bei nicht mehr als 6000 Einwohnern) so niedlich girren kann,
so darf man wohl glauben, daß er auf dem platten Lande ein famoser Katzen¬
musikant ist. Seine Mrtuositätenstücklein sind Ihnen gewiß aus den östrei¬
chischen Blättern bekannt; ob diese Berichte zu stark auftragen oder nicht,
kann ich unmöglich beurtheilen. Ich will daher nur Einiges von dem er¬
wähnen, was in den Kreis meiner eigenen Beobachtung fiel, und dies hat
glücklicher Weise keinen tragischen Charakter. Wenige Tage nach der Be¬
leuchtung brachte mir Viala eine wichtige Neuigkeit. Viala ist ein Barbier
wie er sein soll: vielwissend, mittheilsam und bemüht, Leuten jeden Schlages
mit Sanftmuth um den Bart zu gehen. Herr, wissen schon? begann er
schmunzelnd, indem er Schaum schlug. Sonntag wird sein große Versamm¬
lung mit Verbrüderung in China. — Verbrüderung? Mit wem? —I, ham
wir ja die Deutschen alle geladen zu kommen, weil wir wollen uns mit sie
verbrüdern. — So, so! — Ja, und ist ganz recht. Deutscher ist auch Mensch
und was kann armer Teufel dafür, daß ist so geboren? Wenn Einer ist auch
nicht Czech, wenn nur ist ordentlich und brav, kann meinetwegen sein Deut-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/543>, abgerufen am 04.07.2024.