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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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nossen ist. will er doch von Allem etwas sein, lahmt und hindert er überall,
nur nicht wo es Noth thut, den Centralbehörden gegenüber. Die Trennung
der Justiz von der Verwaltung war ihm ein Gräuel. und er bringt der ersteren
die ganze souveräne Mißachtung eines mecklenburgisch - holsteinschen Granden
entgegen. Der große freie Zug der preußischen Gesetzgebung aus der Re¬
generationsepoche, die wir hier noch nachzuholen haben, der Liberalismus der
norddeutschen Bundesgesetzgebung sind ihm nicht minder unheimlich, wie ihm
der Stil der Stein'schen Städteordnung, die Gedanken einer auf gleichem
Recht und gleicher Pflicht ruhenden Selbstverwaltung der Gemeinden fremd¬
artig und überspannt erscheinen. Ihm verdanken wir vor Allem den abscheu¬
lich schlendrigen. stückweisen, alle Zusammenhänge zersetzenden Gang der Bo-
russificirung, der nirgends eine schöpferische Kraft, oder den Ansatz eines or¬
ganischen Neubaus zeigt. Wenn der Baron unter der allgemeinen auf ihm
lastenden UnPopularität nur fortregieren kann, scheint es ihm ziemlich gleich¬
gültig zu sein, in welcher Facon Graf Eulenburg seine Organisationsdecrete
fabricirt. -- Es möchte hingehen, daß man im Sommer 1866 bei der damaligen
Ueberschätzung der politischen Capacität holsteinischer Stände und dem dröh¬
nenden Gang der Ereignisse diesem fähigsten unserer Edelleute die Zügel
der Provinzialregierung in die Hand gab. Daß man ihn aber demnächst
nicht bei Seite ließ, als es darauf ankam, den großen Bau des preußisch¬
deutschen Staats durch eine weise, freisinnige und rührige Reformarbeit für
das nationale Gesammtleben deutscher Art einzurichten, war wohl nichts, als
eine der vielen persönlichen Velleitäten unter deren Einfluß wir stehen.




Der Gesuch des Königs in den Uord^rovinzen.

Ein Mitarbeiter d. Bl.. welcher auf einer Reise in Schleswig-Holstein
an dem Tage der königlichen Ankunft in Kiel eingetroffen ist. berichtet zu¬
nächst gewissenhaft über die Eindrücke, welche er empfangen. Denn dieser
erste Besuch des Königs von Preußen hat in Schleswig-Holstein noch eine
andere Bedeutung als in den übrigen neuen Provinzen. Von dort gingen
im Jahr 1863 die politischen Verwickelungen aus, welche die Schlacht bei
Königgrätz und durch diese die Neugestaltung Deutschlands verursachten und
durch einige Jahre diente die öffentliche Meinung Holsteins, erbittert gegen
die preußische Regierung, fast ganz unseren Gegnern, dem deutschen Sepa¬
ratismus und Oestreich oder den Dänen. Zwei Jahre haben viel geändert.


nossen ist. will er doch von Allem etwas sein, lahmt und hindert er überall,
nur nicht wo es Noth thut, den Centralbehörden gegenüber. Die Trennung
der Justiz von der Verwaltung war ihm ein Gräuel. und er bringt der ersteren
die ganze souveräne Mißachtung eines mecklenburgisch - holsteinschen Granden
entgegen. Der große freie Zug der preußischen Gesetzgebung aus der Re¬
generationsepoche, die wir hier noch nachzuholen haben, der Liberalismus der
norddeutschen Bundesgesetzgebung sind ihm nicht minder unheimlich, wie ihm
der Stil der Stein'schen Städteordnung, die Gedanken einer auf gleichem
Recht und gleicher Pflicht ruhenden Selbstverwaltung der Gemeinden fremd¬
artig und überspannt erscheinen. Ihm verdanken wir vor Allem den abscheu¬
lich schlendrigen. stückweisen, alle Zusammenhänge zersetzenden Gang der Bo-
russificirung, der nirgends eine schöpferische Kraft, oder den Ansatz eines or¬
ganischen Neubaus zeigt. Wenn der Baron unter der allgemeinen auf ihm
lastenden UnPopularität nur fortregieren kann, scheint es ihm ziemlich gleich¬
gültig zu sein, in welcher Facon Graf Eulenburg seine Organisationsdecrete
fabricirt. — Es möchte hingehen, daß man im Sommer 1866 bei der damaligen
Ueberschätzung der politischen Capacität holsteinischer Stände und dem dröh¬
nenden Gang der Ereignisse diesem fähigsten unserer Edelleute die Zügel
der Provinzialregierung in die Hand gab. Daß man ihn aber demnächst
nicht bei Seite ließ, als es darauf ankam, den großen Bau des preußisch¬
deutschen Staats durch eine weise, freisinnige und rührige Reformarbeit für
das nationale Gesammtleben deutscher Art einzurichten, war wohl nichts, als
eine der vielen persönlichen Velleitäten unter deren Einfluß wir stehen.




Der Gesuch des Königs in den Uord^rovinzen.

Ein Mitarbeiter d. Bl.. welcher auf einer Reise in Schleswig-Holstein
an dem Tage der königlichen Ankunft in Kiel eingetroffen ist. berichtet zu¬
nächst gewissenhaft über die Eindrücke, welche er empfangen. Denn dieser
erste Besuch des Königs von Preußen hat in Schleswig-Holstein noch eine
andere Bedeutung als in den übrigen neuen Provinzen. Von dort gingen
im Jahr 1863 die politischen Verwickelungen aus, welche die Schlacht bei
Königgrätz und durch diese die Neugestaltung Deutschlands verursachten und
durch einige Jahre diente die öffentliche Meinung Holsteins, erbittert gegen
die preußische Regierung, fast ganz unseren Gegnern, dem deutschen Sepa¬
ratismus und Oestreich oder den Dänen. Zwei Jahre haben viel geändert.


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[0537] nossen ist. will er doch von Allem etwas sein, lahmt und hindert er überall, nur nicht wo es Noth thut, den Centralbehörden gegenüber. Die Trennung der Justiz von der Verwaltung war ihm ein Gräuel. und er bringt der ersteren die ganze souveräne Mißachtung eines mecklenburgisch - holsteinschen Granden entgegen. Der große freie Zug der preußischen Gesetzgebung aus der Re¬ generationsepoche, die wir hier noch nachzuholen haben, der Liberalismus der norddeutschen Bundesgesetzgebung sind ihm nicht minder unheimlich, wie ihm der Stil der Stein'schen Städteordnung, die Gedanken einer auf gleichem Recht und gleicher Pflicht ruhenden Selbstverwaltung der Gemeinden fremd¬ artig und überspannt erscheinen. Ihm verdanken wir vor Allem den abscheu¬ lich schlendrigen. stückweisen, alle Zusammenhänge zersetzenden Gang der Bo- russificirung, der nirgends eine schöpferische Kraft, oder den Ansatz eines or¬ ganischen Neubaus zeigt. Wenn der Baron unter der allgemeinen auf ihm lastenden UnPopularität nur fortregieren kann, scheint es ihm ziemlich gleich¬ gültig zu sein, in welcher Facon Graf Eulenburg seine Organisationsdecrete fabricirt. — Es möchte hingehen, daß man im Sommer 1866 bei der damaligen Ueberschätzung der politischen Capacität holsteinischer Stände und dem dröh¬ nenden Gang der Ereignisse diesem fähigsten unserer Edelleute die Zügel der Provinzialregierung in die Hand gab. Daß man ihn aber demnächst nicht bei Seite ließ, als es darauf ankam, den großen Bau des preußisch¬ deutschen Staats durch eine weise, freisinnige und rührige Reformarbeit für das nationale Gesammtleben deutscher Art einzurichten, war wohl nichts, als eine der vielen persönlichen Velleitäten unter deren Einfluß wir stehen. Der Gesuch des Königs in den Uord^rovinzen. Ein Mitarbeiter d. Bl.. welcher auf einer Reise in Schleswig-Holstein an dem Tage der königlichen Ankunft in Kiel eingetroffen ist. berichtet zu¬ nächst gewissenhaft über die Eindrücke, welche er empfangen. Denn dieser erste Besuch des Königs von Preußen hat in Schleswig-Holstein noch eine andere Bedeutung als in den übrigen neuen Provinzen. Von dort gingen im Jahr 1863 die politischen Verwickelungen aus, welche die Schlacht bei Königgrätz und durch diese die Neugestaltung Deutschlands verursachten und durch einige Jahre diente die öffentliche Meinung Holsteins, erbittert gegen die preußische Regierung, fast ganz unseren Gegnern, dem deutschen Sepa¬ ratismus und Oestreich oder den Dänen. Zwei Jahre haben viel geändert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/537>, abgerufen am 04.07.2024.