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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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im Busen der Siegerin, und allmählich erst gelingt es ihr. den Lauf ihres
Zweisprachigen Redestroms in ein geregeltes Bett zu leiten: -- "Wart nur,
satrazena dusche (vermaledeite Seele). Er denkt, mir solln sich lernen ung-
risch geschwind, weil is kommen Molinar nach Königgrätz. Hundertmal ich
hab gesaggt, Pan Obbelieutenant soll machen wie Pan Hauptmann und
schicken Zeddulku (Zettelchen) kleine, dann ich wer wissen, zehn Greizer
(Kreuzer) oder acht Parmesan, sechs Greizer oder sieben Presburger Wurst
oder pollische, weil kann ich ja Deutsch ferr gut. I jo. wird schicken! Nix
Zeddulku schicken, immer nur so Bossomokerl flüchtigen. O Jeschischa! (O
Jesus.) Is dos Kreuz!" -- "Aber Frau Nachbarin" ruft es aus einer
dunkeln Ecke, "wir haben dieselbe Plant in jedem Gewölb am Ring, denn
sind lauter Stockungern beim Regiment Molinari. Und der Bursch, is nicht
seine Schuld, daß er nicht kann reden böhmisch. Denk ich manchmal, daß
unsere böhmische Kinder auch nicht besser geht, wenns neinkommen ins Stock-
ungern." -- "Wie so "einkommen, Böhmische in Stockungern, Herr Vetter?"
"Na, Wenns commandirt werden, müssens marschiren." --"Immer marsch
hin, marsch her, wozu? Warum nit Jeden lassen da wo is er zu Haus?"
Warum? Das wissen die Herrn in Wien. Ist mal die alte Schererei,
Magyar muß nach Böhmen rein, Böhme muß nach Magyarei, Wallachei,
Tatarei und Teufelei wohin." -- "Jo, jo, versteh ich schon. Alles wegen
den Wien und die dumme Deutschen" brummt sie mit einem mißtrauischen
^kick auf mich, und das lange Messer fährt dem nächstliegenden Schinken in
den Leib.

Ein solides Stück Altöstreich steht also noch fest und aufrecht da. Das
^te Uhrwerk mit seinen nationalen Gewichten und Gegengewichten geht den
gewohnten Gang, und wenn auch das italienische Element daraus verschwun-
ist, so bieten Deutsche, Magyaren und Slaven noch Mittel genug zu
^'ner Mannigfaltigkeit politisch-militärischer Combinationen. Die Kinder
^alatzky's schrieen diesen Sommer allzu laut nach der Wenzelskrone, der
Ziskatrommel und anderem gefährlichen Spielzeug. Da hieß, es, daß drei
""".arische Husarenregimenter nach Böhmen und eben so viel böhmische
kuppen in ungarische Festungen verlegt werden sollten; das Gerücht oder
der Schreckschuß ist noch nicht verhallt. Es ist aber schwer den Herren in
^im einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie zur Befestigung "Neuöst¬
reichs" altöstreichisches Material verwenden. Selbst ein reiner Staatenbund,
^le ihn die slavischen Föderativen wünschen, könnte mit einer bloßen an die
Scholle gebundenen Miliz sich auf dem Continent nicht behaupten. Jedes
^mere Reich, das aus dem Osten der Monarchie sich loszuschälen vermöchte,
^äre ein Stück Racenmosaik und ein Wallenstein'sches Lager in Miniatur,
^der denkt man, daß jene Herren in Pesth, die von der Gründung eines


im Busen der Siegerin, und allmählich erst gelingt es ihr. den Lauf ihres
Zweisprachigen Redestroms in ein geregeltes Bett zu leiten: — „Wart nur,
satrazena dusche (vermaledeite Seele). Er denkt, mir solln sich lernen ung-
risch geschwind, weil is kommen Molinar nach Königgrätz. Hundertmal ich
hab gesaggt, Pan Obbelieutenant soll machen wie Pan Hauptmann und
schicken Zeddulku (Zettelchen) kleine, dann ich wer wissen, zehn Greizer
(Kreuzer) oder acht Parmesan, sechs Greizer oder sieben Presburger Wurst
oder pollische, weil kann ich ja Deutsch ferr gut. I jo. wird schicken! Nix
Zeddulku schicken, immer nur so Bossomokerl flüchtigen. O Jeschischa! (O
Jesus.) Is dos Kreuz!" — „Aber Frau Nachbarin" ruft es aus einer
dunkeln Ecke, „wir haben dieselbe Plant in jedem Gewölb am Ring, denn
sind lauter Stockungern beim Regiment Molinari. Und der Bursch, is nicht
seine Schuld, daß er nicht kann reden böhmisch. Denk ich manchmal, daß
unsere böhmische Kinder auch nicht besser geht, wenns neinkommen ins Stock-
ungern." — „Wie so «einkommen, Böhmische in Stockungern, Herr Vetter?"
„Na, Wenns commandirt werden, müssens marschiren." —„Immer marsch
hin, marsch her, wozu? Warum nit Jeden lassen da wo is er zu Haus?"
Warum? Das wissen die Herrn in Wien. Ist mal die alte Schererei,
Magyar muß nach Böhmen rein, Böhme muß nach Magyarei, Wallachei,
Tatarei und Teufelei wohin." — „Jo, jo, versteh ich schon. Alles wegen
den Wien und die dumme Deutschen" brummt sie mit einem mißtrauischen
^kick auf mich, und das lange Messer fährt dem nächstliegenden Schinken in
den Leib.

Ein solides Stück Altöstreich steht also noch fest und aufrecht da. Das
^te Uhrwerk mit seinen nationalen Gewichten und Gegengewichten geht den
gewohnten Gang, und wenn auch das italienische Element daraus verschwun-
ist, so bieten Deutsche, Magyaren und Slaven noch Mittel genug zu
^'ner Mannigfaltigkeit politisch-militärischer Combinationen. Die Kinder
^alatzky's schrieen diesen Sommer allzu laut nach der Wenzelskrone, der
Ziskatrommel und anderem gefährlichen Spielzeug. Da hieß, es, daß drei
""«.arische Husarenregimenter nach Böhmen und eben so viel böhmische
kuppen in ungarische Festungen verlegt werden sollten; das Gerücht oder
der Schreckschuß ist noch nicht verhallt. Es ist aber schwer den Herren in
^im einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie zur Befestigung „Neuöst¬
reichs" altöstreichisches Material verwenden. Selbst ein reiner Staatenbund,
^le ihn die slavischen Föderativen wünschen, könnte mit einer bloßen an die
Scholle gebundenen Miliz sich auf dem Continent nicht behaupten. Jedes
^mere Reich, das aus dem Osten der Monarchie sich loszuschälen vermöchte,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/509>, abgerufen am 04.07.2024.