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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Betheiligung an industriellen Geschäften nicht wünschen, sondern das Ar¬
beiten für fremde Rechnung vorziehen und ihre Ersparnisse auf andere Weise
anlegen wollen. Allein Niemand wird leugnen können, daß die Ueberfüh-
rung von industriellen Einzelunternehmungen in Arbeitsgesellschaften ein
eminent praktisches Mittel ist, um die Vortheile der Productivgenossenschaften
mit den Vorzügen des jetzigen Alleinbesitzes zu vereinigen und die tiefe Kluft
auszufüllen, welche in zahlreichen Fällen heute noch den Fabrikherrn von
seinen Arbeitern trennt. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden dann
auch formell und juristisch zu Mitarbeitern, als welche sie sich immer be¬
trachten sollten. Die bedauerlichen Arbeitseinstellungen und Gewerbestreitig,
leiten werden durch solche Arbeitergesellschaften am besten vermieden und
viele Fragen über Verkürzung der Arbeitszeit, über Errichtung von Kranken-,
Alters- und Unterstützungscafsen u. s. w. können so aus freundschaftlichem
^ge gelöst werden."

Ganz so neu. wie die Meisten glauben, ist dieses Mittel der englischen
"Inäustrial ?Ärtnersnii>" zur Ausfüllung jener Kluft zwischen Capital
und Arbeit übrigens nicht. Schon auf mehr als auf einem deutschen Gute
besteht die Einrichtung, daß die Tagelöhner neben einer festen Bezahlung
ihrer Arbeit auch noch einen Antheil am Jahresgewinn der Gutswirthschaft
ehalten. Das erste und beachtenswertheste Beispiel dieser Art ist^das Gut
Teltow in Mecklenburg, wo der Vater des jetzigen Besitzers und Reichs¬
tagmitgliedes, der Verfasser des "Jsolirten Staats". I. H. von Thüren,
im Verfolg seiner socialen und praktisch - agronomischer Studien die bezeich¬
nete Idee ergriff und mit so gutem Erfolge durchführte, daß. als im Jahr
1848 Alles aus Rand und Band ging, in Teltow die Tagelöhner sich gar
"icht rührten. Ganz allgemein ist das Verfahren ferner beim Wallfischfang
und hat da zu der Anekdote Veranlassung gegeben, daß die Mannschaft eines
Schiffes, der von der Beute je der sechsunddreißigste Theil angeboten wurde,
^eher Satz zu niedrig fand und sich nicht eher beruhigte, als bis jedem
Matrosen der vierzigste Theil versprochen wurde! Auch auf den Kuttern
^r ersten deutschen Nordseefischerei-Gesellschaft in Bremen fährt die Beman¬
nung nach englischer Weise auf Parte, das heißt auf Antheile am Erlös des
^nges, deren es im Ganzen acht gibt, von welchen der Capitän 1^, jeder
beiden Vollmatrosen bekommt und den Rest als Inhaberin von
schiff. Netz, Eisvorrath :c. die Gesellschaft.

Die Uebertragung dieser Theilnahme der Tag- oder Wochenlohnarbeiter
Gewinn des Unternehmens auf die Industrie ist, gleichwie das moderne
Genossenschaftswesen, ein England zu verdankender gesellschaftlicher Fort¬
schritt. Wenn sich überhaupt die Aufgabe, den Arbeitern und den Capitä¬
len der großen gewerblichen Unternehmungen durch eine Uebereinkunft zu


Betheiligung an industriellen Geschäften nicht wünschen, sondern das Ar¬
beiten für fremde Rechnung vorziehen und ihre Ersparnisse auf andere Weise
anlegen wollen. Allein Niemand wird leugnen können, daß die Ueberfüh-
rung von industriellen Einzelunternehmungen in Arbeitsgesellschaften ein
eminent praktisches Mittel ist, um die Vortheile der Productivgenossenschaften
mit den Vorzügen des jetzigen Alleinbesitzes zu vereinigen und die tiefe Kluft
auszufüllen, welche in zahlreichen Fällen heute noch den Fabrikherrn von
seinen Arbeitern trennt. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden dann
auch formell und juristisch zu Mitarbeitern, als welche sie sich immer be¬
trachten sollten. Die bedauerlichen Arbeitseinstellungen und Gewerbestreitig,
leiten werden durch solche Arbeitergesellschaften am besten vermieden und
viele Fragen über Verkürzung der Arbeitszeit, über Errichtung von Kranken-,
Alters- und Unterstützungscafsen u. s. w. können so aus freundschaftlichem
^ge gelöst werden."

Ganz so neu. wie die Meisten glauben, ist dieses Mittel der englischen
»Inäustrial ?Ärtnersnii>" zur Ausfüllung jener Kluft zwischen Capital
und Arbeit übrigens nicht. Schon auf mehr als auf einem deutschen Gute
besteht die Einrichtung, daß die Tagelöhner neben einer festen Bezahlung
ihrer Arbeit auch noch einen Antheil am Jahresgewinn der Gutswirthschaft
ehalten. Das erste und beachtenswertheste Beispiel dieser Art ist^das Gut
Teltow in Mecklenburg, wo der Vater des jetzigen Besitzers und Reichs¬
tagmitgliedes, der Verfasser des „Jsolirten Staats". I. H. von Thüren,
im Verfolg seiner socialen und praktisch - agronomischer Studien die bezeich¬
nete Idee ergriff und mit so gutem Erfolge durchführte, daß. als im Jahr
1848 Alles aus Rand und Band ging, in Teltow die Tagelöhner sich gar
"icht rührten. Ganz allgemein ist das Verfahren ferner beim Wallfischfang
und hat da zu der Anekdote Veranlassung gegeben, daß die Mannschaft eines
Schiffes, der von der Beute je der sechsunddreißigste Theil angeboten wurde,
^eher Satz zu niedrig fand und sich nicht eher beruhigte, als bis jedem
Matrosen der vierzigste Theil versprochen wurde! Auch auf den Kuttern
^r ersten deutschen Nordseefischerei-Gesellschaft in Bremen fährt die Beman¬
nung nach englischer Weise auf Parte, das heißt auf Antheile am Erlös des
^nges, deren es im Ganzen acht gibt, von welchen der Capitän 1^, jeder
beiden Vollmatrosen bekommt und den Rest als Inhaberin von
schiff. Netz, Eisvorrath :c. die Gesellschaft.

Die Uebertragung dieser Theilnahme der Tag- oder Wochenlohnarbeiter
Gewinn des Unternehmens auf die Industrie ist, gleichwie das moderne
Genossenschaftswesen, ein England zu verdankender gesellschaftlicher Fort¬
schritt. Wenn sich überhaupt die Aufgabe, den Arbeitern und den Capitä¬
len der großen gewerblichen Unternehmungen durch eine Uebereinkunft zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/503>, abgerufen am 30.06.2024.