Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band."nicht einmal Akademiker." -- Das Kriegsleben war ihm nicht nutzlos: er In der That, was in Courier's zahlreichen Briefen aus dem Felde am Während das Kriegsministerium ihn als Deserteur verfolgte, übersetzte
*) Vergl. P. Lanfrey. Histoirs as Napoleon I. (l>g.ris, Ouarpsutisr 18K7) 'roms I,
"KP, III,--VII., die einzige ganz getreue Schilderung dieses Unwesens durch einen französi- °n Historiker. »nicht einmal Akademiker." — Das Kriegsleben war ihm nicht nutzlos: er In der That, was in Courier's zahlreichen Briefen aus dem Felde am Während das Kriegsministerium ihn als Deserteur verfolgte, übersetzte
*) Vergl. P. Lanfrey. Histoirs as Napoleon I. (l>g.ris, Ouarpsutisr 18K7) 'roms I,
»KP, III,—VII., die einzige ganz getreue Schilderung dieses Unwesens durch einen französi- °n Historiker. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287147"/> <p xml:id="ID_1105" prev="#ID_1104"> »nicht einmal Akademiker." — Das Kriegsleben war ihm nicht nutzlos: er<lb/> lernte aus der unmittelbaren Anschauung desselben seinen Plutarch und<lb/> Tenophon besser verstehen (ja er hat sogar nach Xenophon's Theorie der<lb/> Reitkunst, die er mit großer Sachkenntniß übersetzte, praktische Versuche<lb/> mit unbeschlagenen Pferden angestellt). Indessen hat seine Begeisterung<lb/> für Plutarch in späteren Jahren sehr abgenommen bis zu der kühlen Aeuße¬<lb/> rung, daß er über Plutarch's Biographien lachen müsse, wenn er die großen<lb/> Männer und die Helden der eigenen Gegenwart in der Nähe betrachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1106"> In der That, was in Courier's zahlreichen Briefen aus dem Felde am<lb/> meisten auffällt, das ist die geringe Achtung, die er für alle weltlichen Grö¬<lb/> ßen des Heeres und des Hofes hegt, neben der tiefen Verehrung, die er<lb/> jedem wirklichen Gelehrten entgegenträgt. Wie verschieden ist sein Stil, ob<lb/> er an einen selbst ihm unmittelbar vorgesetzten General, oder ob er an<lb/> Ur. Clavier oder Ur. Ackerblad schreibt; wie trotzig und ironisch dort, wie<lb/> bescheiden und liebenswürdig hier. Unter den Franzosen, die ihre Eigenschaft<lb/> als Heerdenthiere auch in der Revolution, ja in der'Revolution erst recht<lb/> bekundeten, war er so wenig disciplinirt, daß er 1793 seinen Dienst und<lb/> seine Kanonen ohne Urlaub verließ und nach Hause eilte, um die Mutter<lb/> über den Tod seines Vaters zu trösten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1107" next="#ID_1108"> Während das Kriegsministerium ihn als Deserteur verfolgte, übersetzte<lb/> ^ ruhig auf einem kleinen Landsitz Cicero's Rede pro I^gario. Freunde<lb/> vermittelten die Niederschlagung seines kriegsgerichtlichen Processes, aber er<lb/> wußte wieder in die Armee eintreten und zwar mit verminderten Aussichten<lb/> ^ einer obscurer Stellung. Es war gerade der Moment — unter dem<lb/> Direktorium — daß die Reaction der Lebemänner und der altfranzösischen<lb/> Heiterkeit gegen den finsteren Terrorismus der Conventszeit sich geltend machte.<lb/> Courier verleugnete seine 23 Jahre nicht, doch standen seine classischen Stu¬<lb/> fen stets unter seinen Genüssen obenan. Endlich (1798) ward er nach<lb/> Italien geschickt. Auch hier gerieth er in eine Reactionsepoche eigener Art.<lb/> Vonaparte's strenges Regiment, sein Plünderungs- und Erpressungssystem*)<lb/> hatten die Franzosen in Italien so verhaßt gemacht, daß die Ungunst der-<lb/> ^ihm auch den ewigen Grundsätzen der großen Revolution bei den Italienern<lb/> Abbruch that. Courier's Klagen über den Zustand Italiens erinnern an<lb/> Schillers Verse:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> „Was der Griechen Kunst geschaffen,<lb/> Mag der Franke mit den Waffen<lb/> Schleppen nach der Seine Strand " :c.</l> </lg> </quote><lb/> <note xml:id="FID_34" place="foot"> *) Vergl. P. Lanfrey. Histoirs as Napoleon I. (l>g.ris, Ouarpsutisr 18K7) 'roms I,<lb/> »KP, III,—VII., die einzige ganz getreue Schilderung dieses Unwesens durch einen französi-<lb/> °n Historiker.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
»nicht einmal Akademiker." — Das Kriegsleben war ihm nicht nutzlos: er
lernte aus der unmittelbaren Anschauung desselben seinen Plutarch und
Tenophon besser verstehen (ja er hat sogar nach Xenophon's Theorie der
Reitkunst, die er mit großer Sachkenntniß übersetzte, praktische Versuche
mit unbeschlagenen Pferden angestellt). Indessen hat seine Begeisterung
für Plutarch in späteren Jahren sehr abgenommen bis zu der kühlen Aeuße¬
rung, daß er über Plutarch's Biographien lachen müsse, wenn er die großen
Männer und die Helden der eigenen Gegenwart in der Nähe betrachte.
In der That, was in Courier's zahlreichen Briefen aus dem Felde am
meisten auffällt, das ist die geringe Achtung, die er für alle weltlichen Grö¬
ßen des Heeres und des Hofes hegt, neben der tiefen Verehrung, die er
jedem wirklichen Gelehrten entgegenträgt. Wie verschieden ist sein Stil, ob
er an einen selbst ihm unmittelbar vorgesetzten General, oder ob er an
Ur. Clavier oder Ur. Ackerblad schreibt; wie trotzig und ironisch dort, wie
bescheiden und liebenswürdig hier. Unter den Franzosen, die ihre Eigenschaft
als Heerdenthiere auch in der Revolution, ja in der'Revolution erst recht
bekundeten, war er so wenig disciplinirt, daß er 1793 seinen Dienst und
seine Kanonen ohne Urlaub verließ und nach Hause eilte, um die Mutter
über den Tod seines Vaters zu trösten.
Während das Kriegsministerium ihn als Deserteur verfolgte, übersetzte
^ ruhig auf einem kleinen Landsitz Cicero's Rede pro I^gario. Freunde
vermittelten die Niederschlagung seines kriegsgerichtlichen Processes, aber er
wußte wieder in die Armee eintreten und zwar mit verminderten Aussichten
^ einer obscurer Stellung. Es war gerade der Moment — unter dem
Direktorium — daß die Reaction der Lebemänner und der altfranzösischen
Heiterkeit gegen den finsteren Terrorismus der Conventszeit sich geltend machte.
Courier verleugnete seine 23 Jahre nicht, doch standen seine classischen Stu¬
fen stets unter seinen Genüssen obenan. Endlich (1798) ward er nach
Italien geschickt. Auch hier gerieth er in eine Reactionsepoche eigener Art.
Vonaparte's strenges Regiment, sein Plünderungs- und Erpressungssystem*)
hatten die Franzosen in Italien so verhaßt gemacht, daß die Ungunst der-
^ihm auch den ewigen Grundsätzen der großen Revolution bei den Italienern
Abbruch that. Courier's Klagen über den Zustand Italiens erinnern an
Schillers Verse:
„Was der Griechen Kunst geschaffen,
Mag der Franke mit den Waffen
Schleppen nach der Seine Strand " :c.
*) Vergl. P. Lanfrey. Histoirs as Napoleon I. (l>g.ris, Ouarpsutisr 18K7) 'roms I,
»KP, III,—VII., die einzige ganz getreue Schilderung dieses Unwesens durch einen französi-
°n Historiker.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |