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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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An Prachtgeräth aller Art fehlte es natürlich nicht. Eine wahre Manie
für Edelsteine begann, namentlich für den Onyx mit seinen mehrfachen bun¬
ten Lagen, die sich zum Abheben des Reliefs vom Grunde trefflich eigneten,
zugleich aber durch ihre häufig ungleiche Vertheilung der Benutzung solche
Schwierigkeiten darboten, daß Composition und Sinn der Darstellung sich
dem Zwange des Materials vollständig unterordnen mußten. Besonders gern
ließen die Herrscher in dieser Weise ihre Portraits verewigen, an denen
meistens die Kunst geringeres Interesse erregt, als das kostbare Material.
Der letztere Gesichtspunkt tritt überhaupt durchweg hervor. Nur die Ver¬
geudung der theuersten und glänzendsten Stoffe sichert noch Wirkung, auf
künstlerische Vollendung kommt es nicht mehr an, und daher bleibt sie auch
bald aus. So begreift man jene fabelhaften Apparate wie das Nilschiff des
Ptolemaios Philopator, mehr eine Stadt als ein Schiff, mit ganzen Tem¬
peln, Sälen, Zelten, Gärten, künstlichen Grotten, in welchen die Marmorbil¬
der der königlichen Familie aufgestellt waren, Ringplätzen, Mosaikfußböden,
welche die Ilias vorführten, -- und überall nichts als Gold, Elfenbein. Eben¬
holz. Cypressen- und Cedernholz, Marmor u. s. w.! Vollends vergänglichen
Zwecken dient die Ausstattung der Feste, z. B. des Adonisfestes in der könig¬
lichen Hofburg (denn auch die himmlischen Götter verlassen ihre Tempel und
suchen ihre irdischen College" in deren Wohnungen), wie es uns in einem
der reizendsten Gedichte Theokrits geschildert wird; oder die Herrichtung
jener unendlichen Festzuge mit ihrer Unmasse von Bildwerken aller Art und
köstlichsten Stoffes. Da schauten dann die allerhöchsten Herrschaften aus
einem Prachtzelt zu, welches von einer Masse von Marmorwerken der ersten
Künstler und von Gemälden sikyonischer Meister strahlte, dessen Gold- und
Silbergeräth von unschätzbarem Werthe war, dessen figürlicher Schmuck zum
Theil zur Erhöhung der Natürlichkeit wirkliche Gewänder trug. Es fehlte
nur noch, daß die Figuren sich automatisch bewegten, so wären wir in einem
vollkommenen Wachsfigurenkabinett

Natürlich konnte diese Kunst die Allegorie nicht entbehren. Es mag
genügen, an jene eine Rebusgruppe zu erinnern, in welcher der Syrerkönig
Antiochos dafür, daß er das Gebirge Tauros von Räubern gesäubert hatte,
als Bezwinger eines Stieres (Tauros) dargestellt ward! schöneren Schöpfun¬
gen begegnen wir auf einem verwandten Gebiete, in der Personificirung von
Localitäten. Die Stadt Antiochien war auf einem Felsabhang über dem
Flusse Orontes belegen, gegenüber einer kornreichen Ebene. In einer Gruppe,
deren Beliebtheit sich durch öftere Wiederholung kundgibt, erblicken wir dem¬
nach die durch die Mauerkrone als Stadtgöttin bezeichnete Antiocheia in überaus
reicher geschmackvoller Gewandung auf einem Felsblocke sitzend, eine Aehre
in der Rechten, den Blick stolz in die von ihr beherrschte Ferne gerichtet,


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An Prachtgeräth aller Art fehlte es natürlich nicht. Eine wahre Manie
für Edelsteine begann, namentlich für den Onyx mit seinen mehrfachen bun¬
ten Lagen, die sich zum Abheben des Reliefs vom Grunde trefflich eigneten,
zugleich aber durch ihre häufig ungleiche Vertheilung der Benutzung solche
Schwierigkeiten darboten, daß Composition und Sinn der Darstellung sich
dem Zwange des Materials vollständig unterordnen mußten. Besonders gern
ließen die Herrscher in dieser Weise ihre Portraits verewigen, an denen
meistens die Kunst geringeres Interesse erregt, als das kostbare Material.
Der letztere Gesichtspunkt tritt überhaupt durchweg hervor. Nur die Ver¬
geudung der theuersten und glänzendsten Stoffe sichert noch Wirkung, auf
künstlerische Vollendung kommt es nicht mehr an, und daher bleibt sie auch
bald aus. So begreift man jene fabelhaften Apparate wie das Nilschiff des
Ptolemaios Philopator, mehr eine Stadt als ein Schiff, mit ganzen Tem¬
peln, Sälen, Zelten, Gärten, künstlichen Grotten, in welchen die Marmorbil¬
der der königlichen Familie aufgestellt waren, Ringplätzen, Mosaikfußböden,
welche die Ilias vorführten, — und überall nichts als Gold, Elfenbein. Eben¬
holz. Cypressen- und Cedernholz, Marmor u. s. w.! Vollends vergänglichen
Zwecken dient die Ausstattung der Feste, z. B. des Adonisfestes in der könig¬
lichen Hofburg (denn auch die himmlischen Götter verlassen ihre Tempel und
suchen ihre irdischen College» in deren Wohnungen), wie es uns in einem
der reizendsten Gedichte Theokrits geschildert wird; oder die Herrichtung
jener unendlichen Festzuge mit ihrer Unmasse von Bildwerken aller Art und
köstlichsten Stoffes. Da schauten dann die allerhöchsten Herrschaften aus
einem Prachtzelt zu, welches von einer Masse von Marmorwerken der ersten
Künstler und von Gemälden sikyonischer Meister strahlte, dessen Gold- und
Silbergeräth von unschätzbarem Werthe war, dessen figürlicher Schmuck zum
Theil zur Erhöhung der Natürlichkeit wirkliche Gewänder trug. Es fehlte
nur noch, daß die Figuren sich automatisch bewegten, so wären wir in einem
vollkommenen Wachsfigurenkabinett

Natürlich konnte diese Kunst die Allegorie nicht entbehren. Es mag
genügen, an jene eine Rebusgruppe zu erinnern, in welcher der Syrerkönig
Antiochos dafür, daß er das Gebirge Tauros von Räubern gesäubert hatte,
als Bezwinger eines Stieres (Tauros) dargestellt ward! schöneren Schöpfun¬
gen begegnen wir auf einem verwandten Gebiete, in der Personificirung von
Localitäten. Die Stadt Antiochien war auf einem Felsabhang über dem
Flusse Orontes belegen, gegenüber einer kornreichen Ebene. In einer Gruppe,
deren Beliebtheit sich durch öftere Wiederholung kundgibt, erblicken wir dem¬
nach die durch die Mauerkrone als Stadtgöttin bezeichnete Antiocheia in überaus
reicher geschmackvoller Gewandung auf einem Felsblocke sitzend, eine Aehre
in der Rechten, den Blick stolz in die von ihr beherrschte Ferne gerichtet,


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[0415] An Prachtgeräth aller Art fehlte es natürlich nicht. Eine wahre Manie für Edelsteine begann, namentlich für den Onyx mit seinen mehrfachen bun¬ ten Lagen, die sich zum Abheben des Reliefs vom Grunde trefflich eigneten, zugleich aber durch ihre häufig ungleiche Vertheilung der Benutzung solche Schwierigkeiten darboten, daß Composition und Sinn der Darstellung sich dem Zwange des Materials vollständig unterordnen mußten. Besonders gern ließen die Herrscher in dieser Weise ihre Portraits verewigen, an denen meistens die Kunst geringeres Interesse erregt, als das kostbare Material. Der letztere Gesichtspunkt tritt überhaupt durchweg hervor. Nur die Ver¬ geudung der theuersten und glänzendsten Stoffe sichert noch Wirkung, auf künstlerische Vollendung kommt es nicht mehr an, und daher bleibt sie auch bald aus. So begreift man jene fabelhaften Apparate wie das Nilschiff des Ptolemaios Philopator, mehr eine Stadt als ein Schiff, mit ganzen Tem¬ peln, Sälen, Zelten, Gärten, künstlichen Grotten, in welchen die Marmorbil¬ der der königlichen Familie aufgestellt waren, Ringplätzen, Mosaikfußböden, welche die Ilias vorführten, — und überall nichts als Gold, Elfenbein. Eben¬ holz. Cypressen- und Cedernholz, Marmor u. s. w.! Vollends vergänglichen Zwecken dient die Ausstattung der Feste, z. B. des Adonisfestes in der könig¬ lichen Hofburg (denn auch die himmlischen Götter verlassen ihre Tempel und suchen ihre irdischen College» in deren Wohnungen), wie es uns in einem der reizendsten Gedichte Theokrits geschildert wird; oder die Herrichtung jener unendlichen Festzuge mit ihrer Unmasse von Bildwerken aller Art und köstlichsten Stoffes. Da schauten dann die allerhöchsten Herrschaften aus einem Prachtzelt zu, welches von einer Masse von Marmorwerken der ersten Künstler und von Gemälden sikyonischer Meister strahlte, dessen Gold- und Silbergeräth von unschätzbarem Werthe war, dessen figürlicher Schmuck zum Theil zur Erhöhung der Natürlichkeit wirkliche Gewänder trug. Es fehlte nur noch, daß die Figuren sich automatisch bewegten, so wären wir in einem vollkommenen Wachsfigurenkabinett Natürlich konnte diese Kunst die Allegorie nicht entbehren. Es mag genügen, an jene eine Rebusgruppe zu erinnern, in welcher der Syrerkönig Antiochos dafür, daß er das Gebirge Tauros von Räubern gesäubert hatte, als Bezwinger eines Stieres (Tauros) dargestellt ward! schöneren Schöpfun¬ gen begegnen wir auf einem verwandten Gebiete, in der Personificirung von Localitäten. Die Stadt Antiochien war auf einem Felsabhang über dem Flusse Orontes belegen, gegenüber einer kornreichen Ebene. In einer Gruppe, deren Beliebtheit sich durch öftere Wiederholung kundgibt, erblicken wir dem¬ nach die durch die Mauerkrone als Stadtgöttin bezeichnete Antiocheia in überaus reicher geschmackvoller Gewandung auf einem Felsblocke sitzend, eine Aehre in der Rechten, den Blick stolz in die von ihr beherrschte Ferne gerichtet, 49*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/415>, abgerufen am 04.07.2024.