Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.zählen kann -- dann wurde eine neue Scandal-Lache durch den Mires-Pereire'schen Seit der Unschädlichmachung der bulgarischen Banden, welche in den letzten Grenzboten III. 1868. 4S
zählen kann — dann wurde eine neue Scandal-Lache durch den Mires-Pereire'schen Seit der Unschädlichmachung der bulgarischen Banden, welche in den letzten Grenzboten III. 1868. 4S
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287091"/> <p xml:id="ID_963" prev="#ID_962"> zählen kann — dann wurde eine neue Scandal-Lache durch den Mires-Pereire'schen<lb/> Streit aufgerührt; Studentendemonstrationen bei der Preisvertheilung in der<lb/> Sorbonne und auf Veranlassung der Confiscation der Rochefort'schen „Lan-<lb/> terne" legten von der Übeln Gesinnung der Jugend der Hauptstadt Zeugniß<lb/> ab, während den Departements durch den oppositionellen Wahlausfall im<lb/> Jura ein Beispiel der übelsten Art gegeben wurde. Die Gewaltmaßregeln,<lb/> welche gegen das Nochefort'sche Scandalblatt angewendet worden sind, be¬<lb/> weisen deutlich, daß die Unsicherheit der Rezierungsorgane bereits einen ziemlich<lb/> hohen Grad erreicht hat. da man selbst einen Abzugscanal. wie ihn dieses<lb/> Journal bildete, nicht mehr zu dulden wagt. Der Feier jenes Napoleonstages,<lb/> der noch vor wenigen Jahren ein wahrhaft populäres Volksfest, ein Erntetag<lb/> sür die Regierung war, wurde dieses Mal mit so trübseliger Miene ert¬<lb/> öten gesehen, daß die kühle Passivität der pariser Nationalgarde für ein<lb/> relativ günstiges Resultat gelten konnte und man das Ausbleiben peinlicher<lb/> Scenen im größern Stil, förmlich registrirte. Und trotz all' dieser Fortschritte,<lb/> welche das Uebel der französischen Volksunzufriedenheit gemacht hat (die<lb/> »Evoque" berechnete neulich, daß sich das Verhältniß der gouvernementalen<lb/> Wahlstimmen zu den oppositionellen nicht mehr wie im I. 1863 wie 5'/» ' 2.<lb/> sondern wie L:3Vs stelle), beharrt die Regierung genau bei ihrem früheren<lb/> Verhalten. Mit directen Hohn gegen die öffentliche Meinung werden Günst¬<lb/> linge vom Schlage der Cassagnac aufs Schild gehoben, die geringfügigsten<lb/> Preßvergehen unnachsichtlich verfolgt, Polizeibrutalitäten gegen das Publikum<lb/> Schutz genommen und die Zügel so streng angezogen, als es die Zeit¬<lb/> verhältnisse irgend erlauben. Was die Entscheidung über Krieg und Frieden<lb/> anlangt, so wird das alte Doppelspiel mit geringen Modifikationen weiter<lb/> sortgespielt: in Troyes versichert der Kaiser, in Nimes ein dazu beauftragter<lb/> Senator, daß Frankreich den Frieden und Nichts als den Frieden wolle und<lb/> bedürfe.'während die Kriegseventualität im Gedächtniß des Publikums durch<lb/> Artikel der Girardin'schen Liberte!. neuerdings auch des Pays, wach erhalten<lb/> ^ird. Vergebens, daß die gesammte deutsche Presse im Bunde mit rheinischen<lb/> Korrespondenzen der wirklich unabhängigen pariser Blätter (namentlich des<lb/> Temps) Beweise aller Art dafür zusammenträgt, daß von französischen Sym¬<lb/> pathien im Rheingau nicht die Rede sei und daß die gegenwärtigen Zustände<lb/> Frankreichs am wenigsten dazu angethan seien, Sympathien dieser Art zu<lb/> decken- Herr v. Girardin weiß es besser und wirbt täglich neue Kämpfer für<lb/> Wiederherstellung der „alten" und „natürlichen" Grenzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_964" next="#ID_965"> Seit der Unschädlichmachung der bulgarischen Banden, welche in den letzten<lb/> ^ulitagen über die Donau setzten, ist die orientalische Frage in Paris und<lb/> London wieder zu den Acten gelegt worden und das russische Journal, wel¬<lb/> ches vor Kurzem die Behauptung aufstellte, dem Tuilertencavinet seien die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1868. 4S</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0379]
zählen kann — dann wurde eine neue Scandal-Lache durch den Mires-Pereire'schen
Streit aufgerührt; Studentendemonstrationen bei der Preisvertheilung in der
Sorbonne und auf Veranlassung der Confiscation der Rochefort'schen „Lan-
terne" legten von der Übeln Gesinnung der Jugend der Hauptstadt Zeugniß
ab, während den Departements durch den oppositionellen Wahlausfall im
Jura ein Beispiel der übelsten Art gegeben wurde. Die Gewaltmaßregeln,
welche gegen das Nochefort'sche Scandalblatt angewendet worden sind, be¬
weisen deutlich, daß die Unsicherheit der Rezierungsorgane bereits einen ziemlich
hohen Grad erreicht hat. da man selbst einen Abzugscanal. wie ihn dieses
Journal bildete, nicht mehr zu dulden wagt. Der Feier jenes Napoleonstages,
der noch vor wenigen Jahren ein wahrhaft populäres Volksfest, ein Erntetag
sür die Regierung war, wurde dieses Mal mit so trübseliger Miene ert¬
öten gesehen, daß die kühle Passivität der pariser Nationalgarde für ein
relativ günstiges Resultat gelten konnte und man das Ausbleiben peinlicher
Scenen im größern Stil, förmlich registrirte. Und trotz all' dieser Fortschritte,
welche das Uebel der französischen Volksunzufriedenheit gemacht hat (die
»Evoque" berechnete neulich, daß sich das Verhältniß der gouvernementalen
Wahlstimmen zu den oppositionellen nicht mehr wie im I. 1863 wie 5'/» ' 2.
sondern wie L:3Vs stelle), beharrt die Regierung genau bei ihrem früheren
Verhalten. Mit directen Hohn gegen die öffentliche Meinung werden Günst¬
linge vom Schlage der Cassagnac aufs Schild gehoben, die geringfügigsten
Preßvergehen unnachsichtlich verfolgt, Polizeibrutalitäten gegen das Publikum
Schutz genommen und die Zügel so streng angezogen, als es die Zeit¬
verhältnisse irgend erlauben. Was die Entscheidung über Krieg und Frieden
anlangt, so wird das alte Doppelspiel mit geringen Modifikationen weiter
sortgespielt: in Troyes versichert der Kaiser, in Nimes ein dazu beauftragter
Senator, daß Frankreich den Frieden und Nichts als den Frieden wolle und
bedürfe.'während die Kriegseventualität im Gedächtniß des Publikums durch
Artikel der Girardin'schen Liberte!. neuerdings auch des Pays, wach erhalten
^ird. Vergebens, daß die gesammte deutsche Presse im Bunde mit rheinischen
Korrespondenzen der wirklich unabhängigen pariser Blätter (namentlich des
Temps) Beweise aller Art dafür zusammenträgt, daß von französischen Sym¬
pathien im Rheingau nicht die Rede sei und daß die gegenwärtigen Zustände
Frankreichs am wenigsten dazu angethan seien, Sympathien dieser Art zu
decken- Herr v. Girardin weiß es besser und wirbt täglich neue Kämpfer für
Wiederherstellung der „alten" und „natürlichen" Grenzen.
Seit der Unschädlichmachung der bulgarischen Banden, welche in den letzten
^ulitagen über die Donau setzten, ist die orientalische Frage in Paris und
London wieder zu den Acten gelegt worden und das russische Journal, wel¬
ches vor Kurzem die Behauptung aufstellte, dem Tuilertencavinet seien die
Grenzboten III. 1868. 4S
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