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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Vom hannoverschen Harze.

Das Zeitalter der Eisenbahnen und der Sommerreisen hat eine andere
Seite des Harzes in den Vordergrund gezogen, als die, welche in früherer
Zeit im Vordergrunde der allgemeinen Aufmerksamkeit stand. Der Harz, dessen
ehemalige öffentliche Bedeutung die eines der ältesten und entwickeltsten Berg-
roerksreviexe Deutschlands war. ist jetzt hauptsächlich die nächstgelegene Som¬
merfrische für einen großen Theil des norddeutschen Bundes. Da ihm weiter
westwärts der Rhein eine überlegene Concurrenz macht, ostwärts aber oben¬
drein mehr volkreiche Städte liegen, für die er neben dem thüringer Walde
das hesterreichbare Gebirge darstellt, so,i,se der östliche, preußische Abhang
einschließlich braunschweigischen und anhaltischen Antheils -- zuerst mit
Eisenbahnen, geräumigen modischen Gasthöfen und bequemen Waldwegen
cultivirt worden, s.odaß nicht allein die meisten Harzreisen sich auf diesen
Theil des Ganzen beschränken, sondern auch stillschweigends angenommen
M werden pflegt, der westliche, ehemals hannoversche Abhang sei mit land¬
schaftlichen Schönheiten weit stiefmütterlicher ausgestattet. Wer aber in Lauter¬
berg oder Grund gebadet hat oder an einem der künftigen, voraussichtlich
uoch zahlreich im Schooße der Zukunft schlummernden Kurorte des West¬
harzes demnächst frische Bergwaldluft einschlürfen wird, der möchte die un¬
bedingte Überlegenheit Jlsenburgs oder der Roßtrappe kaum anerkennen.
dem aber auch sein möge: schon die nächste Zeit verspricht die Aufmerk¬
samkeit der Welt wieder auf eine Seite der Harzverhältnisse zu lenken,, die
auf den alten Ruf des Gebirges zurückweist. An dieser Seite, der volks-
^irthschaftlich-socialen, ist, was gerade die Hauptfragen betrifft, der neueste
literarische Bearbeiter des Harzes, I. G. Kohl, merkwürdigerweise in seinen
sonst so eingehenden und zum Theil vortrefflichen Skizzen gänzlich vorüber¬
gegangen, -- wie es denn überhaupt die Art dieses Schriftstellers ist, für
das Kleine mehr Sinn zu entwickeln als die Mehrzahl der Menschen, da¬
gegen aber an den großen Zügen menschlichen Wesens und Lebens vorüber
on gehen.

Dreizehn von den sechsunddreißig Geviertmeilen, welche der Harz ein-
U'Mut, gehören dem ehemaligen Königreich Hannover an, während das alte
Preußen nur elf. Braunschweig neun und Anhalt vier Geviertmeilen davon
besitzt. Das hannoversche Stück ist also das größte; es ist zugleich das wich¬
tigste, was bergmännischen und industriellen Betrieb angeht. Die Gruben
bei Klausthal und Andreasberg, die Hütten bei Lauterberg und Elbingerode
stehen unter Ihresgleichen obenan. Sie fördern oder perarbeiten vornehmlich
Silber, Blei und Eisen. Außerdem gibt der außerordentliche Holzreichthum


Vom hannoverschen Harze.

Das Zeitalter der Eisenbahnen und der Sommerreisen hat eine andere
Seite des Harzes in den Vordergrund gezogen, als die, welche in früherer
Zeit im Vordergrunde der allgemeinen Aufmerksamkeit stand. Der Harz, dessen
ehemalige öffentliche Bedeutung die eines der ältesten und entwickeltsten Berg-
roerksreviexe Deutschlands war. ist jetzt hauptsächlich die nächstgelegene Som¬
merfrische für einen großen Theil des norddeutschen Bundes. Da ihm weiter
westwärts der Rhein eine überlegene Concurrenz macht, ostwärts aber oben¬
drein mehr volkreiche Städte liegen, für die er neben dem thüringer Walde
das hesterreichbare Gebirge darstellt, so,i,se der östliche, preußische Abhang
einschließlich braunschweigischen und anhaltischen Antheils — zuerst mit
Eisenbahnen, geräumigen modischen Gasthöfen und bequemen Waldwegen
cultivirt worden, s.odaß nicht allein die meisten Harzreisen sich auf diesen
Theil des Ganzen beschränken, sondern auch stillschweigends angenommen
M werden pflegt, der westliche, ehemals hannoversche Abhang sei mit land¬
schaftlichen Schönheiten weit stiefmütterlicher ausgestattet. Wer aber in Lauter¬
berg oder Grund gebadet hat oder an einem der künftigen, voraussichtlich
uoch zahlreich im Schooße der Zukunft schlummernden Kurorte des West¬
harzes demnächst frische Bergwaldluft einschlürfen wird, der möchte die un¬
bedingte Überlegenheit Jlsenburgs oder der Roßtrappe kaum anerkennen.
dem aber auch sein möge: schon die nächste Zeit verspricht die Aufmerk¬
samkeit der Welt wieder auf eine Seite der Harzverhältnisse zu lenken,, die
auf den alten Ruf des Gebirges zurückweist. An dieser Seite, der volks-
^irthschaftlich-socialen, ist, was gerade die Hauptfragen betrifft, der neueste
literarische Bearbeiter des Harzes, I. G. Kohl, merkwürdigerweise in seinen
sonst so eingehenden und zum Theil vortrefflichen Skizzen gänzlich vorüber¬
gegangen, — wie es denn überhaupt die Art dieses Schriftstellers ist, für
das Kleine mehr Sinn zu entwickeln als die Mehrzahl der Menschen, da¬
gegen aber an den großen Zügen menschlichen Wesens und Lebens vorüber
on gehen.

Dreizehn von den sechsunddreißig Geviertmeilen, welche der Harz ein-
U'Mut, gehören dem ehemaligen Königreich Hannover an, während das alte
Preußen nur elf. Braunschweig neun und Anhalt vier Geviertmeilen davon
besitzt. Das hannoversche Stück ist also das größte; es ist zugleich das wich¬
tigste, was bergmännischen und industriellen Betrieb angeht. Die Gruben
bei Klausthal und Andreasberg, die Hütten bei Lauterberg und Elbingerode
stehen unter Ihresgleichen obenan. Sie fördern oder perarbeiten vornehmlich
Silber, Blei und Eisen. Außerdem gibt der außerordentliche Holzreichthum


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[0367] Vom hannoverschen Harze. Das Zeitalter der Eisenbahnen und der Sommerreisen hat eine andere Seite des Harzes in den Vordergrund gezogen, als die, welche in früherer Zeit im Vordergrunde der allgemeinen Aufmerksamkeit stand. Der Harz, dessen ehemalige öffentliche Bedeutung die eines der ältesten und entwickeltsten Berg- roerksreviexe Deutschlands war. ist jetzt hauptsächlich die nächstgelegene Som¬ merfrische für einen großen Theil des norddeutschen Bundes. Da ihm weiter westwärts der Rhein eine überlegene Concurrenz macht, ostwärts aber oben¬ drein mehr volkreiche Städte liegen, für die er neben dem thüringer Walde das hesterreichbare Gebirge darstellt, so,i,se der östliche, preußische Abhang einschließlich braunschweigischen und anhaltischen Antheils — zuerst mit Eisenbahnen, geräumigen modischen Gasthöfen und bequemen Waldwegen cultivirt worden, s.odaß nicht allein die meisten Harzreisen sich auf diesen Theil des Ganzen beschränken, sondern auch stillschweigends angenommen M werden pflegt, der westliche, ehemals hannoversche Abhang sei mit land¬ schaftlichen Schönheiten weit stiefmütterlicher ausgestattet. Wer aber in Lauter¬ berg oder Grund gebadet hat oder an einem der künftigen, voraussichtlich uoch zahlreich im Schooße der Zukunft schlummernden Kurorte des West¬ harzes demnächst frische Bergwaldluft einschlürfen wird, der möchte die un¬ bedingte Überlegenheit Jlsenburgs oder der Roßtrappe kaum anerkennen. dem aber auch sein möge: schon die nächste Zeit verspricht die Aufmerk¬ samkeit der Welt wieder auf eine Seite der Harzverhältnisse zu lenken,, die auf den alten Ruf des Gebirges zurückweist. An dieser Seite, der volks- ^irthschaftlich-socialen, ist, was gerade die Hauptfragen betrifft, der neueste literarische Bearbeiter des Harzes, I. G. Kohl, merkwürdigerweise in seinen sonst so eingehenden und zum Theil vortrefflichen Skizzen gänzlich vorüber¬ gegangen, — wie es denn überhaupt die Art dieses Schriftstellers ist, für das Kleine mehr Sinn zu entwickeln als die Mehrzahl der Menschen, da¬ gegen aber an den großen Zügen menschlichen Wesens und Lebens vorüber on gehen. Dreizehn von den sechsunddreißig Geviertmeilen, welche der Harz ein- U'Mut, gehören dem ehemaligen Königreich Hannover an, während das alte Preußen nur elf. Braunschweig neun und Anhalt vier Geviertmeilen davon besitzt. Das hannoversche Stück ist also das größte; es ist zugleich das wich¬ tigste, was bergmännischen und industriellen Betrieb angeht. Die Gruben bei Klausthal und Andreasberg, die Hütten bei Lauterberg und Elbingerode stehen unter Ihresgleichen obenan. Sie fördern oder perarbeiten vornehmlich Silber, Blei und Eisen. Außerdem gibt der außerordentliche Holzreichthum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/367>, abgerufen am 04.07.2024.