Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Friedrich Barbarossa unter Beirath vieler geistlicher und weltlicher Herren
auf dem Schlosse Beyneburg.

Unter günstigen Verhältnissen blühte Eschwege rasch auf und seine Ent¬
faltung drängte mächtig zu städtischen Institutionen. Schon frühe regte sich
merkantiles Leben; bereits 1188 hatte der zunehmende Handel und Verkehr
Streitigkeiten über Zoll, Markt und Münze zwischen der Aebtissin und dem
Vogte veranlaßt. In demselben Jahre wird Eschwege zwar noch "Villa" ge¬
nannt,*) aber städtisches Wesen hatte ohne Zweifel schon Wurzel geschlagen.
Freilich erst 1236 begegnen wir in Eschwege eigentlich städtischer Verfassung und
vor diesem Jahre, vielleicht noch im 12. Jahrh, ist es vom Kaiser zur Stadt
erhoben worden. So war durch nationalen Lebensdrang aus dem Eschweger
Königshofe eine Palatial- oder Königshofstadt geworden, die unmittelbar
unter dem Kaiser stand, an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen.
Um ihre Reichsunmittelbarkeit aber kam die Stadt in der Zeit des Inter¬
regnums.

Als 1247 Heinrich Raspe, Landgraf von Thüringen und Hessen, ohne
Leibeserben gestorben war, suchten die Nachbarn Thüringens ihr Besitzthum zu
erweitern. Die allgemeine Verwirrung benutzend bemächtigte sich der Her¬
zog Otto von Braunschweig, ein Sohn Heinrich des Löwen, der Gegend
an der Werra. Münden hatte sich ihm unterworfen, andere Städte mußten
folgen. Er belagerte auch Eschwege, dessen Bürger alle Kräfte anstrengten,
um ihre Freiheit zu behaupten. Trotz alles Widerstandes eroberte der Her¬
zog die Stadt am 28. December 1250, die damit aufhörte, Reichsstadt zu
sein. Aber in braunschweigischen Händen blieb es nicht lange. Es entbrannte
in aller Wuth der thüringische Erbfolgekrieg. Die beiden Haüptcompetenten
der thüringisch-hessischen Erbschaft waren Markgraf Heinrich der Erlauchte
von Meißen und Heinrich von Brabant, der nachmalige erste Landgraf von
Hessen, welcher mit Herzog Albert von Braunschweig, dem Sohne Ottos,
verbunden war. Letzterer wurde am 28. Oetober 1263 bet Wettin gefangen
genommen und mußte sich lösen mit 8000 Mark Silbers und Abtretung 8
fester Plätze an der Werra, worunter auch Eschwege war, das nun also dem
Markgrafen von Meißen huldigen mußte. Beim Friedensschlüsse 1264 ent>
sagte Heinrich von Brabant allen Ansprüchen auf Thüringen, behielt die
Landgrafschaft Hessen und bekam von Meißen unter andern, auch Eschwege.
So war die Stadt hessisches Allodium geworden, welches Landgraf Heinrich I.
dem Kaiser als ein Reichslehn auftrug, sei es um die neuen Eroberungen zu
sichern oder auch nur, um durch Besitz eines Reichslehns reichsfürstliche
Würde zu erlangen; sein übriges Land zu Hessen blieb noch freies



') Wird doch noch Mainz 1074 und Straßburg 12KS so genannt, aber mehr im Sinne
des französischen ville.

Friedrich Barbarossa unter Beirath vieler geistlicher und weltlicher Herren
auf dem Schlosse Beyneburg.

Unter günstigen Verhältnissen blühte Eschwege rasch auf und seine Ent¬
faltung drängte mächtig zu städtischen Institutionen. Schon frühe regte sich
merkantiles Leben; bereits 1188 hatte der zunehmende Handel und Verkehr
Streitigkeiten über Zoll, Markt und Münze zwischen der Aebtissin und dem
Vogte veranlaßt. In demselben Jahre wird Eschwege zwar noch „Villa" ge¬
nannt,*) aber städtisches Wesen hatte ohne Zweifel schon Wurzel geschlagen.
Freilich erst 1236 begegnen wir in Eschwege eigentlich städtischer Verfassung und
vor diesem Jahre, vielleicht noch im 12. Jahrh, ist es vom Kaiser zur Stadt
erhoben worden. So war durch nationalen Lebensdrang aus dem Eschweger
Königshofe eine Palatial- oder Königshofstadt geworden, die unmittelbar
unter dem Kaiser stand, an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen.
Um ihre Reichsunmittelbarkeit aber kam die Stadt in der Zeit des Inter¬
regnums.

Als 1247 Heinrich Raspe, Landgraf von Thüringen und Hessen, ohne
Leibeserben gestorben war, suchten die Nachbarn Thüringens ihr Besitzthum zu
erweitern. Die allgemeine Verwirrung benutzend bemächtigte sich der Her¬
zog Otto von Braunschweig, ein Sohn Heinrich des Löwen, der Gegend
an der Werra. Münden hatte sich ihm unterworfen, andere Städte mußten
folgen. Er belagerte auch Eschwege, dessen Bürger alle Kräfte anstrengten,
um ihre Freiheit zu behaupten. Trotz alles Widerstandes eroberte der Her¬
zog die Stadt am 28. December 1250, die damit aufhörte, Reichsstadt zu
sein. Aber in braunschweigischen Händen blieb es nicht lange. Es entbrannte
in aller Wuth der thüringische Erbfolgekrieg. Die beiden Haüptcompetenten
der thüringisch-hessischen Erbschaft waren Markgraf Heinrich der Erlauchte
von Meißen und Heinrich von Brabant, der nachmalige erste Landgraf von
Hessen, welcher mit Herzog Albert von Braunschweig, dem Sohne Ottos,
verbunden war. Letzterer wurde am 28. Oetober 1263 bet Wettin gefangen
genommen und mußte sich lösen mit 8000 Mark Silbers und Abtretung 8
fester Plätze an der Werra, worunter auch Eschwege war, das nun also dem
Markgrafen von Meißen huldigen mußte. Beim Friedensschlüsse 1264 ent>
sagte Heinrich von Brabant allen Ansprüchen auf Thüringen, behielt die
Landgrafschaft Hessen und bekam von Meißen unter andern, auch Eschwege.
So war die Stadt hessisches Allodium geworden, welches Landgraf Heinrich I.
dem Kaiser als ein Reichslehn auftrug, sei es um die neuen Eroberungen zu
sichern oder auch nur, um durch Besitz eines Reichslehns reichsfürstliche
Würde zu erlangen; sein übriges Land zu Hessen blieb noch freies



') Wird doch noch Mainz 1074 und Straßburg 12KS so genannt, aber mehr im Sinne
des französischen ville.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287038"/>
            <p xml:id="ID_825" prev="#ID_824"> Friedrich Barbarossa unter Beirath vieler geistlicher und weltlicher Herren<lb/>
auf dem Schlosse Beyneburg.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_826"> Unter günstigen Verhältnissen blühte Eschwege rasch auf und seine Ent¬<lb/>
faltung drängte mächtig zu städtischen Institutionen. Schon frühe regte sich<lb/>
merkantiles Leben; bereits 1188 hatte der zunehmende Handel und Verkehr<lb/>
Streitigkeiten über Zoll, Markt und Münze zwischen der Aebtissin und dem<lb/>
Vogte veranlaßt. In demselben Jahre wird Eschwege zwar noch &#x201E;Villa" ge¬<lb/>
nannt,*) aber städtisches Wesen hatte ohne Zweifel schon Wurzel geschlagen.<lb/>
Freilich erst 1236 begegnen wir in Eschwege eigentlich städtischer Verfassung und<lb/>
vor diesem Jahre, vielleicht noch im 12. Jahrh, ist es vom Kaiser zur Stadt<lb/>
erhoben worden. So war durch nationalen Lebensdrang aus dem Eschweger<lb/>
Königshofe eine Palatial- oder Königshofstadt geworden, die unmittelbar<lb/>
unter dem Kaiser stand, an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen.<lb/>
Um ihre Reichsunmittelbarkeit aber kam die Stadt in der Zeit des Inter¬<lb/>
regnums.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_827" next="#ID_828"> Als 1247 Heinrich Raspe, Landgraf von Thüringen und Hessen, ohne<lb/>
Leibeserben gestorben war, suchten die Nachbarn Thüringens ihr Besitzthum zu<lb/>
erweitern. Die allgemeine Verwirrung benutzend bemächtigte sich der Her¬<lb/>
zog Otto von Braunschweig, ein Sohn Heinrich des Löwen, der Gegend<lb/>
an der Werra. Münden hatte sich ihm unterworfen, andere Städte mußten<lb/>
folgen. Er belagerte auch Eschwege, dessen Bürger alle Kräfte anstrengten,<lb/>
um ihre Freiheit zu behaupten. Trotz alles Widerstandes eroberte der Her¬<lb/>
zog die Stadt am 28. December 1250, die damit aufhörte, Reichsstadt zu<lb/>
sein. Aber in braunschweigischen Händen blieb es nicht lange. Es entbrannte<lb/>
in aller Wuth der thüringische Erbfolgekrieg. Die beiden Haüptcompetenten<lb/>
der thüringisch-hessischen Erbschaft waren Markgraf Heinrich der Erlauchte<lb/>
von Meißen und Heinrich von Brabant, der nachmalige erste Landgraf von<lb/>
Hessen, welcher mit Herzog Albert von Braunschweig, dem Sohne Ottos,<lb/>
verbunden war. Letzterer wurde am 28. Oetober 1263 bet Wettin gefangen<lb/>
genommen und mußte sich lösen mit 8000 Mark Silbers und Abtretung 8<lb/>
fester Plätze an der Werra, worunter auch Eschwege war, das nun also dem<lb/>
Markgrafen von Meißen huldigen mußte. Beim Friedensschlüsse 1264 ent&gt;<lb/>
sagte Heinrich von Brabant allen Ansprüchen auf Thüringen, behielt die<lb/>
Landgrafschaft Hessen und bekam von Meißen unter andern, auch Eschwege.<lb/>
So war die Stadt hessisches Allodium geworden, welches Landgraf Heinrich I.<lb/>
dem Kaiser als ein Reichslehn auftrug, sei es um die neuen Eroberungen zu<lb/>
sichern oder auch nur, um durch Besitz eines Reichslehns reichsfürstliche<lb/>
Würde zu erlangen; sein übriges Land zu Hessen blieb noch freies</p><lb/>
            <note xml:id="FID_22" place="foot"> ') Wird doch noch Mainz 1074 und Straßburg 12KS so genannt, aber mehr im Sinne<lb/>
des französischen ville.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0326] Friedrich Barbarossa unter Beirath vieler geistlicher und weltlicher Herren auf dem Schlosse Beyneburg. Unter günstigen Verhältnissen blühte Eschwege rasch auf und seine Ent¬ faltung drängte mächtig zu städtischen Institutionen. Schon frühe regte sich merkantiles Leben; bereits 1188 hatte der zunehmende Handel und Verkehr Streitigkeiten über Zoll, Markt und Münze zwischen der Aebtissin und dem Vogte veranlaßt. In demselben Jahre wird Eschwege zwar noch „Villa" ge¬ nannt,*) aber städtisches Wesen hatte ohne Zweifel schon Wurzel geschlagen. Freilich erst 1236 begegnen wir in Eschwege eigentlich städtischer Verfassung und vor diesem Jahre, vielleicht noch im 12. Jahrh, ist es vom Kaiser zur Stadt erhoben worden. So war durch nationalen Lebensdrang aus dem Eschweger Königshofe eine Palatial- oder Königshofstadt geworden, die unmittelbar unter dem Kaiser stand, an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen. Um ihre Reichsunmittelbarkeit aber kam die Stadt in der Zeit des Inter¬ regnums. Als 1247 Heinrich Raspe, Landgraf von Thüringen und Hessen, ohne Leibeserben gestorben war, suchten die Nachbarn Thüringens ihr Besitzthum zu erweitern. Die allgemeine Verwirrung benutzend bemächtigte sich der Her¬ zog Otto von Braunschweig, ein Sohn Heinrich des Löwen, der Gegend an der Werra. Münden hatte sich ihm unterworfen, andere Städte mußten folgen. Er belagerte auch Eschwege, dessen Bürger alle Kräfte anstrengten, um ihre Freiheit zu behaupten. Trotz alles Widerstandes eroberte der Her¬ zog die Stadt am 28. December 1250, die damit aufhörte, Reichsstadt zu sein. Aber in braunschweigischen Händen blieb es nicht lange. Es entbrannte in aller Wuth der thüringische Erbfolgekrieg. Die beiden Haüptcompetenten der thüringisch-hessischen Erbschaft waren Markgraf Heinrich der Erlauchte von Meißen und Heinrich von Brabant, der nachmalige erste Landgraf von Hessen, welcher mit Herzog Albert von Braunschweig, dem Sohne Ottos, verbunden war. Letzterer wurde am 28. Oetober 1263 bet Wettin gefangen genommen und mußte sich lösen mit 8000 Mark Silbers und Abtretung 8 fester Plätze an der Werra, worunter auch Eschwege war, das nun also dem Markgrafen von Meißen huldigen mußte. Beim Friedensschlüsse 1264 ent> sagte Heinrich von Brabant allen Ansprüchen auf Thüringen, behielt die Landgrafschaft Hessen und bekam von Meißen unter andern, auch Eschwege. So war die Stadt hessisches Allodium geworden, welches Landgraf Heinrich I. dem Kaiser als ein Reichslehn auftrug, sei es um die neuen Eroberungen zu sichern oder auch nur, um durch Besitz eines Reichslehns reichsfürstliche Würde zu erlangen; sein übriges Land zu Hessen blieb noch freies ') Wird doch noch Mainz 1074 und Straßburg 12KS so genannt, aber mehr im Sinne des französischen ville.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/326
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/326>, abgerufen am 01.10.2024.