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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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geben habe. Also auch hier begegnen wir den beiden großen Sagenträgern
Winfried und Karl. -- Geschichtlich tritt Eschwege erst im 10. Jahrhundert
auf und erscheint da als eine Besitzung der deutschen Kaiser aus dem säch¬
sischen Hause. Nach einer zu Mühlhausen am 3. Mai 973 ausgestellten
Urkunde gab Kaiser Otto II, seiner Gemahlin Theophano die Schlösser und
Höfe zu Eschwege (LsKinvaed.), Frieda, Mühlhausen, Tutinsoda und Schlot¬
heim, die in Thüringen in der Germarmark und im Comitate Wiggers gelegen
waren, mit völligem Verfügungsrecht, bedeutendere Güter mit Pfalzen, wozu
ein ansehnlicher Besitz vieler kleiner Villen, Hörige, Gebäude, Weiden, Forsten,
Wasser. Mühlen, Jagden und Fischereien gehörte. Auf Bitten seiner ster¬
benden Mutter schenkte dann Otto III. das Gut Eschwege seiner Schwester
Sophia, Aebtissin zu Gandersheim, mit der Bedingung des Erbrückfalls an
ihn. Da er vor ihr starb, so stiftete sie aus ihrem Eschweger Besitze ein
Benedictiner-Nonnenkloster auf dem Cyriacusberge, das dem Gandersheimer
Damenstifte untergeben war und das Kaiser Heinrich II. in seinen Schutz
nahm. Ein Theil des ehemaligen Reichshofes blieb in kaiserlichen Händen.
Sophie starb 1038 und Kaiser Heinrich III. übergab das Eschweger Kloster
dem Bischöfe Hausmann von Speier, der dagegen an das Stift Gandersheim
1043 das Schloß Brügger abtrat.

Im Kampfe gegen Kaiser Heinrich IV. verheerte Otto von Nordheim
mit 3000 geübten raubsüchtigen Söldnern die Kaisergüter in Thüringen und
kam so plündernd bis hierher. Der Gaugraf der Germarmark zog ihm mit
dem aufgebotenen Heerbanne entgegen und am östlichen Fuße des Leichbergs
-- die Wahlstatt heißt noch heute die "Kriegwiese" -- kam es 2. spe. 1070
zum Treffen, der Gaugraf erlag und Otto nahm darauf Eschwege ein und
richtete ein großes Blutbad an. Aber noch am Schlüsse desselben Jahres
tröstete Heinrich IV. seine Stadt, indem er das Weihnachtsfest hier feierte;
auch als er 1073 von den Sachsen gedrängt die Harzburg verlassen mußte,
kam er, von einem Jäger geführt, auf einsamem Pfade durch wüste Wälder
am vierten Tage (12. August) hungrig und matt in ihre Mauern, und nach¬
dem er bei Langensalza die Sachsen geschlagen, entließ er am 21. October
1073 in Eschwege sein Kriegsheer. *)

Mit dem 11. Jahrhundert ging die Blüthe der Herren von Bilstein,
Amtsgrafen der Germarmark zu Ende. Am Ausgang des 12. erscheint Graf
Ludwig von Lora als kaiserlicher Advocatus, der Stift und Ort Eschwege
beschirmte. Einen Streit zwischen ihm und der Aebtissin schlichtete Kaiser



") 1074 schenkte er dem Chorherrenstiste zu Speier sein Eschweger Gut; weil dieses aber
weit von Speier entlegen war und Eschwegcs Bewohner mancherlei Eintrag machten, so wurde
°S 123S von den Chorherren an den Erzbischof Siegfried von Mainz für 400 Mark reinen
Silbers verkauft.

geben habe. Also auch hier begegnen wir den beiden großen Sagenträgern
Winfried und Karl. — Geschichtlich tritt Eschwege erst im 10. Jahrhundert
auf und erscheint da als eine Besitzung der deutschen Kaiser aus dem säch¬
sischen Hause. Nach einer zu Mühlhausen am 3. Mai 973 ausgestellten
Urkunde gab Kaiser Otto II, seiner Gemahlin Theophano die Schlösser und
Höfe zu Eschwege (LsKinvaed.), Frieda, Mühlhausen, Tutinsoda und Schlot¬
heim, die in Thüringen in der Germarmark und im Comitate Wiggers gelegen
waren, mit völligem Verfügungsrecht, bedeutendere Güter mit Pfalzen, wozu
ein ansehnlicher Besitz vieler kleiner Villen, Hörige, Gebäude, Weiden, Forsten,
Wasser. Mühlen, Jagden und Fischereien gehörte. Auf Bitten seiner ster¬
benden Mutter schenkte dann Otto III. das Gut Eschwege seiner Schwester
Sophia, Aebtissin zu Gandersheim, mit der Bedingung des Erbrückfalls an
ihn. Da er vor ihr starb, so stiftete sie aus ihrem Eschweger Besitze ein
Benedictiner-Nonnenkloster auf dem Cyriacusberge, das dem Gandersheimer
Damenstifte untergeben war und das Kaiser Heinrich II. in seinen Schutz
nahm. Ein Theil des ehemaligen Reichshofes blieb in kaiserlichen Händen.
Sophie starb 1038 und Kaiser Heinrich III. übergab das Eschweger Kloster
dem Bischöfe Hausmann von Speier, der dagegen an das Stift Gandersheim
1043 das Schloß Brügger abtrat.

Im Kampfe gegen Kaiser Heinrich IV. verheerte Otto von Nordheim
mit 3000 geübten raubsüchtigen Söldnern die Kaisergüter in Thüringen und
kam so plündernd bis hierher. Der Gaugraf der Germarmark zog ihm mit
dem aufgebotenen Heerbanne entgegen und am östlichen Fuße des Leichbergs
— die Wahlstatt heißt noch heute die „Kriegwiese" — kam es 2. spe. 1070
zum Treffen, der Gaugraf erlag und Otto nahm darauf Eschwege ein und
richtete ein großes Blutbad an. Aber noch am Schlüsse desselben Jahres
tröstete Heinrich IV. seine Stadt, indem er das Weihnachtsfest hier feierte;
auch als er 1073 von den Sachsen gedrängt die Harzburg verlassen mußte,
kam er, von einem Jäger geführt, auf einsamem Pfade durch wüste Wälder
am vierten Tage (12. August) hungrig und matt in ihre Mauern, und nach¬
dem er bei Langensalza die Sachsen geschlagen, entließ er am 21. October
1073 in Eschwege sein Kriegsheer. *)

Mit dem 11. Jahrhundert ging die Blüthe der Herren von Bilstein,
Amtsgrafen der Germarmark zu Ende. Am Ausgang des 12. erscheint Graf
Ludwig von Lora als kaiserlicher Advocatus, der Stift und Ort Eschwege
beschirmte. Einen Streit zwischen ihm und der Aebtissin schlichtete Kaiser



") 1074 schenkte er dem Chorherrenstiste zu Speier sein Eschweger Gut; weil dieses aber
weit von Speier entlegen war und Eschwegcs Bewohner mancherlei Eintrag machten, so wurde
°S 123S von den Chorherren an den Erzbischof Siegfried von Mainz für 400 Mark reinen
Silbers verkauft.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/325>, abgerufen am 01.07.2024.